Die Welt zu Gast

Kirche in WDR3 | 30.05.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

In den großen Hallen herrscht geradezu ein

babylonisches Sprachgewirr. So viele verschiedene Sprachen an einem Ort habe

ich noch nie erlebt. Man hört es und sieht es: Die vielen Menschen, die hier bei

der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen versammelt sind, kommen

aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen hierher. Die Welt ist zu Gast

in Südkorea. Viele tragen festliche, farbenfrohe Gewänder, andere sind ganz in

schwarz, wieder andere ganz in weiß gekleidet; eine bunte Vielfalt von Kopfbedeckungen

ist zu entdecken. Etliche tausend Menschen sind gekommen. In all unserer

Verschiedenheit verbindet uns etwas: Es ist unser Glaube. Und so sind die

eindrücklichsten Erfahrungen für mich die gemeinsamen Feiern: Wir singen

zusammen, beten, tanzen, hören auf gute Worte aus der Bibel. In den

Arbeitssitzungen der Konferenz wird auch um gemeinsame Wege der verschiedenen

Kirchen gerungen und gestritten. Aber in der Feier des Glaubens wissen wir uns

dennoch durch Gottes Geist miteinander verbunden.

So habe ich es erlebt auf der letzten

Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen vor neun Jahren. In diesem

Jahr nun ist es wieder so weit. Wegen der Pandemie mit einem Jahr Verspätung

kommen Christinnen und Christen aus aller Welt zusammen. Zum ersten Mal seit

über fünfzig Jahren findet eine Vollversammlung des Ökumenischen Rates der

Kirchen wieder in Europa statt und zum ersten Mal überhaupt dürfen wir in

Deutschland Gastgeber sein. Delegierte aus 120 Ländern, aus über 350 Kirchen

werden Ende August, Anfang September in Karlsruhe zusammenkommen. Sie vertreten

über eine halbe Milliarde Christinnen und Christen in der Welt. Die Welt ist zu

Gast.

Sie kommen zusammen unter dem Leitsatz „Die Liebe

Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“. Dieses Motto ist fast ein

trotziges Wort der Hoffnung gegen die Zerrissenheit dieser Welt, wie wir sie

erleben. Diese Zerrissenheit ist uns in Deutschland durch den Krieg in der

Ukraine noch einmal ganz anders nahegekommen. Von Versöhnung und Einheit

scheint diese Welt so weit weg zu sein. Menschen erleiden Gewalt, Millionen

sind auf der Flucht, so viele haben nicht das Nötigste zum Leben. Und man

könnte fast fragen, ob das Motto der Vollversammlung den Mund nicht ein

bisschen zu voll nimmt: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“.

Das Motto geht zurück auf einen Brief, den der

Apostel Paulus an seine Gemeinde in Korinth geschrieben hat. Die Gemeinde damals

droht durch Streit und Eitelkeiten auseinanderzubrechen. Da erinnert Paulus

seine Gemeinde an Gottes grenzenlose Liebe. Sie drängt uns, sie bewegt uns

dazu, versöhnlich miteinander umzugehen und den Frieden zu suchen. Die Liebe

Gottes, die uns in Jesus Christus begegnet, verändert unseren Blick. Wir sehen

in den Menschen, die uns begegnen, Menschen, mit denen Gott Frieden geschlossen

hat. Auf der letzten Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Südkorea hat

dieser Blick Menschen aus Süd- und Nordkorea an einen Tisch gebracht. Sie hat

Menschen dazu bewegt, sich dafür einzusetzen, dass Trennungen überwunden werden

und Wunden heilen können.

Wir dürfen diese Liebe nicht untergehen lassen in

dem, was in dieser Welt geschieht.

Lassen wir uns immer wieder neu von dieser Liebe

bewegen! Ich freue mich auf die Versammlung in Karlsruhe in diesem Jahr und hoffe,

dass ein Signal für Versöhnung und Frieden von ihr ausgehen wird.

Es grüßt Sie Ihr Dietmar Arends,

Landessuperintendent aus Detmold.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 30.5.2022
  • Dietmar Arends
  • (Kirche im WDR)
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