Ein bisschen lügen

Kirche in WDR2 | 27.01.2023 | 00:00 Uhr

Ich

lese über ein psychologisches Experiment. Man gibt Versuchspersonen zwei Aufgaben:

Sie sollen zuerst Holzspulen auf ein Tablett legen, dann das Tablett leeren.

Und dann wieder von vorne anfangen. 30 Minuten lang. Danach bekommen sie ein

Brett mit Holzhaken. Die sollen sie drehen. Immer eine halbe Drehung im

Uhrzeigersinn. Auch 30 Minuten lang. Völlig sinnfrei. Und quälend langweilig.

Danach wird ausgewertet. Vorher allerdings hat der Versuchsleiter noch eine

eigenartige Bitte: „Nach Ihnen kommt noch jemand für dieses Experiment.“, sagt

er. „Könnten Sie dem bitte sagen, dass das Experiment unglaublich spannend war?

Ich würde Ihnen diese kleine Lüge auch bezahlen.“ Viele nehmen das Angebot an.

Später

werden die Versuchspersonen dann gefragt, wie sie selber dieses Experiment

fanden. Und – erstaunlich – diejenigen, die nicht gelogen haben, sagen: „Das

war das Sinnloseste, das ich jemals gemacht habe.“ Aber diejenigen, die gelogen

haben, sagen voller Überzeugung: „Das hat richtig Spaß gemacht!“ Das Experiment

offenbart eine menschliche Schwäche. Diejenigen, die gelogen haben, wissen: So

etwas tut man nicht. Schon gar nicht für Geld. Aber niemand hat gerne ein

schlechtes Gewissen. Also biegen sie die Wahrheit so lange zurecht, bis sie zur

Lüge passt. Unbewusst. Und dann fühlt es sich gleich richtiger an.

So

machen Menschen das. „Ich konnte ja gar nicht anders. Ich war ja regelrecht

gezwungen. Eigentlich war das doch ok. Und überhaupt, die anderen sind ja noch

viel schlimmer.“ Man kennt das. Die Wahrheit den eigenen Bedürfnissen anpassen

funktioniert. So gut, dass es oft einfach automatisch abläuft. Es macht das Leben

leichter. Der Nachteil ist: Es verändert nichts. Das Falsche bleibt einfach so,

wie es ist.

Darum

empfiehlt die Bibel etwas Anderes: Ehrlichkeit. Zumindest sich selbst

gegenüber. „Was ich da gemacht habe, war eben nicht ‚eigentlich ok‘. Ich war

nicht wirklich gezwungen. Und ob die anderen noch viel schlimmer sind als ich,

ist doch eigentlich auch ziemlich egal. Es ist mein Fehler. Punkt. Kein Aber.“

„Tut

Buße!“ (Offb. 3,3) So heißt das in der Bibel. Und das ist, auch wenn es

angestaubt und ein bisschen nach Moralpredigt klingt, eigentlich gar keine

dumme Idee. Wer es wagt, seinen Fehler zuzugeben, muss ihn nicht wiederholen.

Mit anderen Worten: Nur der, der zugeben kann „Ich bin nicht so, wie ich sein will.“, hat die Chance, ein bisschen

mehr so zu werden, wie er sein will.

Klingt nach einem guten Tipp.

Quelle:

Julia Shaw, Böse, München ²2020, S. 208ff

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/60179_WDR220230127Schroedter.mp3

  • 27.1.2023
  • Thomas Schrödter
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