Umkehr zum Leben

Kirche in WDR3 | 15.12.2022 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen!

Es

sollen rund 300 000 Menschen gewesen sein, 1981 in Bonn. Wir, vier junge Männer

aus Düsseldorf, kommen mit einem klapprigen Käfer frühmorgens dort an. Von

überall strömen sie zusammen, alle Straßen sind voller Menschen. Viele haben

Fahnen und Transparente. Allen ist der Frieden ein wichtiges Anliegen. Unser Protest

richtet sich damals vor vierzig Jahren gegen den so genannten „Nato-Doppelbeschluss“.

Der sieht zum einen die Modernisierung der westlichen Atomwaffen vor und zum

anderen Gespräche zur Abrüstung. Aber bedeutet das nicht im Kern eine atomare

Aufrüstung? Gefährdet das nicht massiv den Frieden? „Aufrüstung tötet auch ohne

Krieg“ – das ist damals unser Kernsatz des Protestes. Diese Großdemonstration

am Bonner Hofgarten soll ein Zeichen zur Umkehr sein. Fort von den Waffen des

Todes hin zur Botschaft des Lebens. Von einem Denken, in dessen Kalkül der

Krieg gehört, zu einem Frieden für alle Menschen. „Umkehr zum Leben“ – das ist

unsere Parole. Es ist damals eine Zeit, die wie unsere Zeit heute durch Angst

vor einer nuklearen Bedrohung geprägt ist. Unser Ruf zur Besinnung ist ein

Bekenntnis zum Leben, zum Frieden, zur Zukunft. Was ist geblieben von dieser

Hoffnung nach mehr als vier Jahrzehnten? Es ist überall Ernüchterung

eingetreten. Die Schrecken des Unfriedens sind beileibe nicht Vergangenheit,

sondern in Gestalt des brutalen Vernichtungskrieges in der Ukraine seit fast

zehn Monaten erdrückende Gegenwart. Auch heute bleibt die Gefahr eines

Weltkriegs nicht im Bereich des Undenkbaren – vielleicht sogar mehr als in

früheren Zeiten. Und doch stellt sich in der heutigen Situation die bittere

Frage, ob wir nicht Waffen brauchen, um Leben, um friedfertiges und

unschuldiges Leben zu schützen. Als Christ und Pfarrer ist für mich Gott Anwalt

oder auch „Liebhaber des Lebens“. Und aus diesem Glauben folgt der Auftrag,

Leben zu schützen und zu verteidigen. Ein Fernsehbild aus den Anfangstagen des

Ukrainekriegs geht mir nicht mehr aus dem Sinn: Ein kleiner Junge mit einer

Stofftasche in der Hand, der allein und weinend eine Straße entlanggeht, vorbei

an verwüsteten Feldern. Möchte man da nicht Anwalt des Lebens sein – für dieses

Kind, für alle Kinder, die auf der Flucht sind? Aber was tun? Dem abscheulichen

Angriffskrieg mit Waffengewalt begegnen? Ja oder Nein? Was ist richtig? Ich

weiß es nicht. Ich habe keine Antwort, mit der ich gut leben kann. In Bonn

haben wir damals von einer Welt in Frieden geträumt, von Versöhnung und

Verständigung über Bündnis-Grenzen hinweg. Auch wenn dieser Traum noch nicht

endgültig ausgeträumt sein mag – er wird noch lange ein Traum bleiben. Ich

glaube nicht an ein Gleichgewicht des Schreckens. Ich glaube, dass wir einen

neuen Geist brauchen, Besonnenheit und Zuversicht. Ein neues Herz. Und vor

allem brauche ich die Hoffnung auf einen Gott, der nicht müde wird, seinen

Willen zum Frieden in die Herzen der Menschen zu gießen. Auch wir vier hatten

damals ein Transparent dabei. Darauf stand: „Es soll nicht durch Heer oder

Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht Gott, der Herr.“ (Die

Bibel Sacharja 4,6)

Einen

friedlichen Tag wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 15.12.2022
  • Michael Opitz
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