Himmel und Erde

Kirche in WDR3 | 27.12.2021 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen!

„Zwischen den Jahren“. Die weihnachtliche

Raserei ist zum Stillstand gekommen, in die ich leicht gerate, wenn es gilt, zu

besorgen, zu versorgen und zu beschenken. Erschöpft lasse ich mich in die

Polster fallen. Die Kerzen sind gelöscht. Ich spüre das Ende des Weihnachtsglanzes

kommen. Der Alltag nach dem Fest, die Wirklichkeit nach dem Traum. Manche

nehmen Weihnachten noch mit ins neue Jahr, bis zum 6. Januar, dem Dreikönigstag

oder Epiphaniastag, der ja eigentlich nochmal ein Weihnachtstag ist. Epiphanias

bedeutet: Gott offenbart sich den Menschen, er öffnet die Tür von ihm zu uns. Wie

am Heiligen Abend, als er selbst in seinem Sohn Jesus auf die Welt kommt. Das

ist eigentlich das richtig große Weihnachtsgeschenk, aber was heißt das? Weihnachten

ist vorbei. Was bleibt uns dann heute und morgen noch von diesem Fest?

Manche empfinden die Tage nach Weihnachten

wie einen Schritt ins Leere. Müde werden, melancholisch, kann man da schon. Aber

das muss nicht sein. Ich kann meine Blickrichtung ändern. Dazu gibt es eine

schöne Übung. „Jemanden mit anderen Augen sehen!“ heißt sie. Wir haben sie oft

mit Konfirmandinnen und Konfirmanden gemacht: Alle laufen zur Musik durch den

Raum. Immer wenn die Musik anhält, stoppen die Jugendlichen und müssen einer

gegenüberstehenden Person etwas Positives, etwas Freundliches, etwas Gutes

sagen. Bei jedem Musikstopp muss es eine andere Person sein, damit niemand

bevorzugt wird. Das hat der Gruppe meist Spaß gemacht, hat die Atmosphäre

aufgelockert und den Blick für den anderen neu ausgerichtet. Der zweite Schritt

könnte das Trainieren des Blickwinkels sein. Wenn ich vor dem Jahreswechsel

zurückblicke auf mein Leben. Wenn ich mich an Zeiten erinnere, die nicht so

leicht für mich waren. Dann kann ich mich unter dem Vorzeichen „und trotzdem“

erinnern. In „trotzdem“ steckt ja auch das Wort Trotz. Wie oft ist mir

gelungen, dem, was mich belastet hat, zu trotzen und meinem Leben Erfahrungen

abzutrotzen, die mir letztlich gut getan haben. Ist mein Glas leer oder

halbvoll? Selig sind, die das Glas halbvoll sehen können. Aber auch das lässt

sich lernen. Da kann die kleine Legende von den beiden Mönchen helfen. Sie

suchen den Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren. Die beiden lesen in einem

Buch: Es gibt einen einen Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren. Sie lesen

weiter: Wer diesen Ort findet, der hat das Glück seines Lebens gefunden. Da

machen sie sich auf, diesen Ort zu suchen. Der Weg scheint ungeheuer weit. Sie

nehmen große Anstrengungen auf sich und können doch lange nicht finden, was sie

suchen. Es soll eine Tür dort sein, haben sie gelesen, man brauche nur zu klopfen

und einzutreten. Endlich stehen sie vor der Tür und klopfen an. Bebenden

Herzens treten sie ein. Und als sie aufschauen, stehen sie zuhause in ihrer

Klosterzelle. Ich finde, diese Legende passt in diese seltsame Zwischenzeit

zwischen dem Hochgefühl Weihnachten und der notwendigen Rückkehr in den Alltag.

Genau da, in meinem Zuhause und Alltag, da bewährt sich die Botschaft von

Weihnachten. Dahin funkelt Gottes Licht, da berühren sich Himmel und Erde –

mitten in meinem Alltagsgrau und in dunklen Stunden. Die Weihnachtslichter sind

verloschen. Ich schaue zurück und langsam nach vorn. Das Glas war oft halbvoll.

Mindestens. Und ich bin nicht allein. Mir gegenüber sind so viele, die mir

guttun und denen ich Gutes tun kann. So schaue ich gern nach vorn.

Einen guten Tag! Ihr Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 27.12.2021
  • Michael Opitz
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