Mit anderen essen

Kirche in WDR3 | 03.06.2023 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen.

Wer Christus

ist, lässt sich am besten kulinarisch verstehen.

So

beschreiben es zumindest seine Gegner, wenn sie sagen:

„Dieser nimmt die

Sünder an und isst mit ihnen.“

Beim

Essen zeigen sich ja schnell Unverträglichkeiten der verschiedensten Art.

Da

kommen Dinge zusammen, die scheinbar nicht zusammengehören.

Wer

einmal ein größeres Essen organisiert hat, weiß wovon ich rede.

Das

fängt bei den Speisen an:

Vegetarisch,

vegan, fruktarisch, Diabetes, Zöliakie,

Lactose-Intoleranz, Nahrungsmittelallergie.

Und

es geht bis zu den Menschen, mit denen man isst:

– Die

Unverträglichkeiten damals:

Juden

und Heiden, Sklaven und Freie, Männer und Frauen.

Unverträglichkeiten heute: Klima-Wandel-Leugner oder Umweltaktivistin,

AfD-Wähler, rote Socke, strenge Muslima, radikale Feministin, Fans von Florian

Silbereisen oder Richard Wagner, Bayern München oder Union Berlin.

Sie

können das wahlweise ergänzen.

Christstein

heißt: Miteinander essen können. Mit allen anderen.

Das

wird sichtbar, wenn Sie in eine unserer gut 1.000 evangelischen Kirchen im

Rheinland gehen.

Da

gibt es ganz verschiedene Kirchen: mit Kreuz und – gut reformiert – auch ohne.

Mit

hoher, niedriger oder manchmal ganz ohne Kanzel.

In

allen Kirchen aber steht ein Tisch. An diesem Tisch feiern wir Abendmahl, an

ihn lädt Jesus Christus uns ein. In christlicher Sprache: der „Tisch des Herrn“.

Der

Tisch Jesu Christi als Herrn der Welt unterscheidet sich dabei markant von den

Tischen der vermeintlichen Herren der Welt.

Etwa

der Tisch von Wladimir Putin.

An

einer sieben Meter langen weißen Tafel sitzt Putin vor Kopf und hält alle Gäste

als Bittsteller auf maximalem Abstand.

Der

Tisch Christi dagegen ist ein Tisch ohne feste Plätze, ohne oben und unten.

Auch

Petrus, der Christus verleugnet, auch Judas, der ihn ausliefert, auch die

anderen, die Christus im Stich lassen, sie alle haben an ihm Platz. Und mit

ihnen auch ich.

Die

Kirchen haben lange darüber gestritten,

wie

Christus im Abendmahl gegenwärtig ist, wer teilnehmen darf.

Entscheidend

ist für mich: Christus ist der Einladende. Wir alle sind Gäste.

Das

eigentliche Thema beim Streit um das Abendmahl war und ist oft Macht:

Wer entscheidet, wer am Tisch Christi Platz nehmen darf und wer nicht?

Ist

es Christus als Einladender oder sind es seine kirchenamtlichen Türsteher?

Pointiert formuliert: Christus ist im Anderen

gegenwärtig.

Wenn wir einander ausschließen, schließen wir

Christus aus.

Jesus Christus hat seinen Jüngerinnen und

Jüngern gesagt:

„Gebt Ihr den Menschen zu essen.“

Wir sind gesandt, mit anderen zu essen und

Hungernde satt zu machen.

An Tischen ohne Sitzordnung und Zugangskontrolle.

Ganz konkret und wörtlich.

Geh hin zu denen, mit denen sonst niemand

isst.

Setz Dich mit ihnen an einen Tisch.

Und gib mit Deinem Essen letztlich Dich

selber hin

Das mag etwas sozialromantisch klingen.

Doch genau darin liegt für mich das Wesen

christlichen Glaubens:

mit anderen essen, allen anderen, im

Vertrauen darauf, dass Christus selbst dabei anwesend ist.

Ihr

Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/61170_WDR3520230603Latzel.mp3

  • 3.6.2023
  • Thorsten Latzel
  • (Kirche im WDR)
Downloads