Guten Morgen!
„Wie heißt das Zauberwort?“ Ich
sehe die Szene noch heute deutlich vor meinem inneren Auge. Zigmal erlebt. Fußball
auf dem Pausenhof. Wir aus den unteren Klassen bolzen wie die Blöden und jagen
dem Ball hinterher. Gleich nebenan stehen lässig in ihren Cliquen allerhand hochnäsige
Primaner, fünf, sechs Jahre älter als wir. Die Herren des Schulhofs. Es kommt,
wie es kommen muss, irgendwann kullert der Ball in ihre Richtung – und zack
wird er einkassiert. Und dann das immer gleiche Ritual: Einer von uns muss in
den sauren Apfel beißen und freundlich fragen, ob der Ball vielleicht noch
gebraucht wird. Und jedes, wirklich jedes Mal kommt dann mit großer Geste die immer
gleiche Gegenfrage: „Wie heißt das Zauberwort?“ „Bitte.“ „Wie bitte?“ „Bitte!“ „Geht doch.“ Und gnädig gibt der
Ältere den Ball wieder frei.
Wer Spaß an Macht hat, will
gebeten sein.
„Ich glaube, es liegt an dem
Zauberwort.“ Erklärt mir viele Jahre später ein freundlicher, älterer Herr. Die
Goldhochzeit rückt näher. Das Paar möchte einen Gottesdienst feiern. Deshalb
bin ich da. Die beiden erzählen eine glückliche Geschichte. Und auf meine Frage,
was denn womöglich ihr Geheimnis für eine lange Ehe sei, antwortet er, überraschend:
„Ich glaube, es liegt an dem Zauberwort.“ Wie bitte? Bitten und Betteln müssen,
das passt nicht zu den Beiden. Und schon fährt er fort: „Einmal, mindestens
einmal am Tag soll man einander Danke sagen.“
Es war dann ein schöner Goldhochzeits-Gottesdienst,
und die beiden strahlten um die Wette. So sieht also Dankbarkeit aus, dachte
ich. Und habe diesen Satz bis heute nicht vergessen: „Einmal, mindestens einmal
am Tag soll man einander Danke sagen.“ Das andere, bessere Zauberwort.
Wer vom Leben was versteht, kann
von Herzen Danke sagen.
Kein Wunder, dass die alten,
heiligen Texte fast aller Religionen die Dankbarkeit hochschätzen. Zur
jüdischen, christlichen, muslimischen, buddhistischen, hinduistischen Tradition
gehört der Ruf, die Einladung zur Dankbarkeit.
Wenn ich dankbar bin, ahne
ich: Ich bin nicht das Maß aller Dinge. Ich kann mich gar nicht mir selbst verdanken.
Da sind andere, da ist Größeres als ich. Die wichtigen Dinge sind mir
geschenkt. Nicht zuletzt die Menschen, mit denen ich mein Leben teile.
Nun ist es ja so. Auch ich
kenne meine undankbaren Tage. Wo ich mit allem und mit jedem hadere. Und
deshalb ziemlich unausstehlich bin. Tunnelblick aufs Ego.
Die gute Nachricht:
Dankbarkeit lässt sich lernen, regelrecht üben – und auch wiederentdecken. Und
da gibt’s 1.000 Wege. Einfach mal anfangen. Psychologen empfehlen oft ein
Tagebuch der Dankbarkeit. Das ist besser als manche Medikamente. Schwarz auf
weiß vor Augen, wofür ich dankbar sein kann. Das tut gut. Mir selbst. Und den Menschen
um mich herum auf diese Weise auch. Danke fürs Zuhören!
Ihr Ulf Schlüter, Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59353_WDR3520221008Schlueter.mp3