Wiederholung vom 27.04.19, WDR2
Sicherlich kennen Sie das
auch – Sie bekommen eine Diagnose und fragen sich: Warum ausgerechnet ich?
Nicht dass Sie jemand anderem die Diagnose an den Hals wünschen. Nein –
natürlich nicht. Sie haben doch immer so gesund gelebt. Oder meinetwegen auch
nicht.
Warum ausgerechnet ich?
Das fragt sich auch meine Freundin.
Ihr Mann hat sie verlassen – natürlich ist er fremd gegangen – machen Männer ja
gerne, wenn sie älter werden. „Warum passiert das ausgerechnet mir?“, fragt
sich. Ich habe doch immer alles getan für ihn – für die Kinder. „Ich habe das einfach
nicht verdient“.
Das sagt auch mein Nachbar. „So
wenig zu verdienen – das habe ich nicht verdient“. Und er meint das
wortwörtlich. Er meint den Verdienst. Er arbeitet schon seit Jahren für eine
Zeitarbeitsfirma, seine Verträge sind befristet – die Jobs unterbezahlt – die
Arbeiten oft eine Zumutung.
Warum? Warum ausgerechnet
ich? Ganz einfach: Weil das Leben nicht gerecht ist. Es passiert einfach – wir
haben Vieles eben nicht in der Hand. Man kann sie sich nicht verdienen, die gute
Gesundheit, den tollen Job, den treuen Partner, die angepassten Kinder.
Aber es lohnt sich zu fragen.
Warum ausgerechnet ich nicht? Warum sollte ich verschont bleiben vor Krankheit,
Arbeitslosigkeit, Ehebruch – was für ein Wort – klingt wie Einbruch – Warum
sollte es ausgerechnet mich nicht treffen? Warum ich nicht – das gilt aber auch
im positiven Sinne.
Es war ganz einfach, erzählt die
Dame der Bäckerin. Ich habe mich einfach bei einer Partnerbörse im Internet angemeldet.
Ich habe gedacht: Warum ich nicht? Soll ich jetzt bis zum Lebensende, um meinen
toten Mann trauern? Das würde er nicht wollen. Das weiß ich. Also, warum ich
nicht auch? Mich neu verlieben, noch mal neu anfangen mit der Liebe und dem
Leben?
Warum ich nicht, hat die
Kollegin im vergangenen Jahr mich gefragt. Da hat sie sich bei mir beschwert,
dass der Kollege jetzt schon wieder drei Wochen Urlaub macht. Jetzt erzählt sie
mir stolz: Ich auch. Dieses Jahr werde ich das auch machen. Einfach mal drei
Wochen raus – aus die Maus. Und stolz erzählt sie mir von ihrem Vorhaben: Mit
einem Iglu Zelt will sie drei Wochen nach Italien – einfach mal abschalten.
Ja, das wünsche ich Ihnen
auch. Die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die Sie nicht verändern können und den
Mut, die Dinge zu verändern, die Sie verändern können.
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