"Tut mir auf die schöne Pforte“ eg 166

Choralandacht | 10.09.2022 | 00:00 Uhr

Musik 1: Glocken

Tut mir auf die schöne Pforte;

Text: Benjamin Schmolck 1734; Melodie: Joachim Neander 1680; Kantorei der

Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis Kirche Berlin; Leitung: Helmut Hoeft; Album: Komm,

Herr, Segne uns – Alte und neue Chorsätze zum Ev. Gesangbuch; Label:

PICAROmedia; LC: 00080

Autor: (overvoice) Heute Abend um 18.00 Uhr werden an vielen Orten in unserem Land solche

Glocken zu hören sein. Sie läuten wieder den Sonntag ein. Alle, die darauf

achten, werden dann aufmerken – sie wissen: da kommt noch etwas, etwas ganz

Wunderbares, Schönes.

Musik 1: Choral, Strophe 1

(Fortsetzung)

Overvoice-Sprecherin: Tut mir auf die schöne Pforte / führt in

Gottes Haus mich ein. / Ach, wie wird an diesem Orte / meine Seele fröhlich

sein. / Hier ist Gottes Angesicht, / hier ist lauter Trost und Licht.

Autor: Die schöne

Pforte? So heißt im Neuen Testament das große Tor zum Tempel in Jerusalem –

groß und kunstvoll gestaltet. Vielleicht ist es aber auch die altbekannte

Kirchentür zuhause in ihrem Ort oder der schlichte Eingang zum Gemeindehaus in

ihrem Stadtteil?! Entscheidend ist, was hinter diesen Türen, den schönen

Pforten geschieht; das große Treffen: Gott und wir. Darauf kommt es an, dafür

sind diese Gotteshäuser gebaut – vor alter Zeit oder auch in unseren Tagen –

dass wir uns treffen, dass Gott uns wahrnimmt und wir ihn, den allmächtigen und

barmherzigen Gott. Ich bin davon überzeugt: Wo das geschieht, da wird die Seele

fröhlich, da wird das Leben hell, da finden wir echten Trost. Was kann es

schöneres, trostvolleres geben, als Gott, den Schöpfer unseres Lebens zu

treffen?

Musik

2: Orgel

Tut mir auf die schöne Pforte

(Präludium); Melodie: Joachim Neander 1680; Interpret: Bernd Dietrich (Orgel);

Album: Klingendes Gesangbuch; Label: MsClassics; LC: 10551

Overvoice-Sprecherin: Ich bin, Herr, zu dir gekommen, /

komme du nun auch zu mir. / Wo du Wohnung hast genommen, / da ist lauter Leben

hier. / Zieh in meinem Herzen ein, / lass es deinen Tempel sein.

Autor: Benjamin Schmolck, der Dichter unseres Liedes,

war von seinem Vater, einem Pfarrer, schon bei seiner Geburt zum Theologen

bestimmt worden. Und natürlich ist Benjamin, ein lutherisches Kind des 18.

Jahrhunderts, dieser Bestimmung nachgekommen. (1) Aber auch wenn bei ihm die

Sache mit Gott von Anfang an schon so klar und festgelegt zu sein scheint – er

weiß sehr genau: Es ist alles andere als selbstverständlich, dass wir Menschen

Gott wirklich antreffen. Auch wenn wir uns am Sonntagmorgen zur Kirche

aufmachen, dorthin gehen, wo von Gott die Rede ist, dann heißt das noch lange

nicht, dass wir ihn wirklich hören. Es reicht nicht, dass ich mich aufmache und

Gott aufsuche. Gott muss schon selbst zu mir kommen und reden. Aber genau das

ist versprochen: Gott lässt sich hören und wir können mit Gott ins Gespräch

kommen. Dafür gibt es den Sonntag, die Kirchenräume, die Gottesdienste. Gott

redet mit uns, indem wir Gottes Wort, die Geschichten und Erfahrungen der

Bibel, hören und auf unser Leben beziehen. Und wir reden mit ihm, wenn wir mit

Liedern und Gebeten auf diese Impulse eingehen. Allerdings geschieht in diesem

Gespräch etwas ganz Eigentümliches. Wir werden von Beginn an verwandelt. Meint

jedenfalls Benjamin Schmolck.

Musik

1: Choral, Strophe 3

Overvoice-Sprecherin: Lass in Furcht mich vor dich treten /

heilige du Leib und Geist, / dass mein Singen und mein Beten / ein gefällig

Opfer heißt. / Heilige du Mund und Ohr, / zieh das Herze ganz empor.

Autor: Der Liederdichter bringt

in dieser und den folgenden Strophen eine besondere Erfahrung zum Ausdruck: wie

wir im Gottesdienst uns selbst fremd werden und dann doch zu uns zurückfinden.

Ich werde mit meinem Tun, meiner inneren und äußeren Aktion, mir selbst

entzogen. Nicht ich trete aus eigener Initiative in Ehrfurcht vor Gott, nicht

ich bereite mich durch bestimmte Maßnahmen auf das Gespräch mit Gott vor – Gott

übernimmt hier die Regie: Lass in Furcht mich vor dich treten, heilige du Leib

und Geist, heilige du Mund und Ohr. Das Gespräch mit Gott wird dann zu einem

guten Ziel kommen, wenn schon von Gott geprägt ist, wie ich im Raum ankomme.

Vielleicht komme ich zum Gottesdienst, weil ich jetzt eine besondere Erfahrung

nötig habe oder weil ich einen besonderen religiösen Kick erleben will. Aber

dieser Wunsch kann einem echten Gespräch mit Gott im Wege sehen. Darum ist es

nur gut, wenn schon mein Ankommen von Gott selbst bestimmt wird: Lass in Furcht

mich vor dich treten, heilige du Leib und Geist. Furcht im Sinne von Ehrfurcht und

Respekt vor dem anderen. Es ist wie in jedem echten Gespräch: es wird mich

verändern – dadurch, dass mein Gegenüber da ist, wirklich da ist, von Anfang an

– und auf mich wirkt. Und wenn Gott da ist und auf mich wirkt, dann wird schon

mein Ankommen im Gottesdienst-Raum, mein Leib und Geist, mein Mund und Ohr von

ihm geprägt werden. Mein Hören und mein Reden wird anders – gottgemäß, heilig.

Wie das konkret aussieht?

Alles, was fröhlich macht, zum Einstimmen einlädt, wahrhaftig ist, Trost in

Aussicht stellt, all das geht in die richtige Richtung.

Musik 3: Bläser

Tut mir auf die schöne Pforte

(Posaunen); Melodie: Joachim Neander 1680; Interpret: genesis Brass; Leitung:

Christian Sprenger; Label: GerthMedien LC: 13743

Overvoice-Sprecherin: Mache mich zum guten Lande / wenn dein

Samkorn auf mich fällt. / Gib mir Licht in dem Verstande / und, was mir wird

vorgestellt, / präge du im Herzen ein, / lass es mir zur Frucht gedeihn.

Autor: Unser

Lied nimmt hier ein Gleichnis auf, das Jesus erzählt: das Gleichnis vom Aussäen und vom guten Land. Jesus

erzählt dieses Gleichnis, um zu veranschaulichen, wie Gottes Wort in unserem

Leben wirken kann.

Sprecher: 3Jesussagte zu den Menschen: »Hört mir zu! Ein Bauer

ging aufs Feld, um zu säen.4Während er die Körner auswarf, fiel ein Teil

davon auf den Weg. Da kamen die Vögel und pickten sie auf.5Ein

anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde gab. Die Körner

gingen schnell auf, weil sie nicht tief im Boden lagen.6Aber als die

Sonne hoch stand, wurden die Pflanzen verbrannt. Sie vertrockneten, weil sie

keine tiefen Wurzeln hatten.7Ein weiterer Teil fiel zwischen die

Disteln. Die Disteln schossen hoch und erstickten die junge Saat. Deshalb

brachten sie keinen Ertrag.8Aber ein anderer Teil fiel auf guten

Boden. Die Körner gingen auf, wuchsen heran und brachten Ertrag: manche

dreißigfach, andere sechzigfach, andere sogar hundertfach.«9Und

Jesus sagte: »Wer Ohren zum Hören hat, soll gut zuhören.« (3)

Autor:

Dieses Gleichnis beschreibt sehr genau, was in einem Gottesdienst und danach

geschehen kann: da wird engagiert und kunstvoll ein biblischer Gedanke

ausgebreitet, das Wort Gottes, der Samen wird ausgebracht; da wird musiziert

und gebetet – aber es erreicht mich nicht wirklich – es geht an mir vorbei. Vielleicht

hänge ich mit meinen Gedanken noch an einer ganz anderen Baustelle in meinem

Leben, vielleicht stört mich ein Geräusch von außen oder mein Nachbar in der

Bank zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Vielleicht nehme ich auch sehr

dankbar einige Impulse aus dem Gottesdienst mit nach Hause – aber ich kann gar

nicht so schnell gucken, wie ich von anderen Dingen wieder eingeholt werde –

und alles verpufft. Das ist dann so wie im Gleichnis: Die Körner fallen auf den

Weg oder auf felsigen Boden. Das Wort Gottes geht nicht auf.

Darum verstehe ich die

dringende Bitte in unserem Lied nur zu gut: Mache mich zum guten Lande, wenn

dein Samkorn auf mich fällt. Gott, immer wieder brauche ich deine Nähe, die

Gewissheit, nicht allein durch mein Leben torkeln zu müssen. Deine Impulse

geben mir Halt und Orientierung. Im Nachdenken deiner Worte wird mir klar, was

ich zu tun und zu lassen habe. Ich finde mich in einer Gemeinschaft mit Leuten

aufgehoben, die sich auch durch dich inspirieren lassen. Gemeinsam können wir

Schritte verabreden, Entscheidungen treffen, die uns helfen, das Leben zu

erhalten und dir entgegenzugehen – hab Dank dafür.

Musik

1: Chroral, Strophe 6

Overvoice-Sprecherin: Rede, Herr, so will ich hören / und dein

Wille wird erfüllt. / Nichts lass meine Andacht stören, / wenn der Brunn des

Lebens quillt; / speise mich mit Himmelsbrot, tröste mich in aller Not.

Anmerkungen:

(1) vgl. Christof Albrecht,

Schmolck, Benjamin in: Komponisten und Liederdichter des Evangelischen

Gesangbuches, HEG Bd.2, Göttingen 1999, S. 277

(2) Luthers Werke Bd. 6, hg.

von H.H. Borchert und G. Merz, München 1968, S. 399

(3) Markusevangelium 4,3ff

nach Basis Bibel, Stuttgart 2021

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

  • 10.9.2022
  • Eberhard Helling
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