Glanz verschenken

Kirche in WDR3 | 23.08.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

Ist Ihnen der Unterschied

schon einmal aufgefallen? Wenn man durch Stadtviertel geht, die überhaupt noch

so etwas wie ein kleines Stück Garten zur Straße hin haben, dann gibt es

meistens zwei Sorten davon: Ich nenne die eine Sorte die „Behalt-Gärten“ und

die andere Sorte die „Für-Euch-Gärten“. Die erste Sorte zeichnet sich durch

Abschottung aus, meistens mit einem hohen undurchsichtigen Zaun oder gar einer

Wand. Falls es dahinter einen schönen Garten geben sollte, kann man ihn jedenfalls

nicht sehen. Die Eigentümer behalten ihn für sich, daher nenne ich diese Gärten

„Behalt-Gärten“. Die „Für-Euch-Gärten“ dagegen verschenken ihre Schönheit an

alle, die auf der Straße vorübergehen.

Da gibt es also Menschen, die

ihren Garten so anlegen, dass andere daran ihre Freude haben können. Sie haben etwas

von dem begriffen, was Jesus einmal zu seinen Jüngerinnen und Jüngern gesagt hat:

„Niemand aber zündet ein Licht

an und bedeckt es mit einem Gefäß oder setzt es unter eine Bank; sondern er

setzt es auf einen Leuchter, damit alle, die das Haus betreten, das Licht sehen

können.“ (Die Bibel, Lukas 8,16ff Luther 2017 und Gute Nachricht Bibel)

Jesus meint damit die

Strahlkraft des Glaubens. Ich mag dieses Jesus-Wort. Und es fällt mir ein, wenn

ich an solchen „Für-Euch-Gärten“ vorbeigehe. Sie verströmen ihre Schönheit und

ihren Glanz selbstlos nach außen. Ah, da hat jemand Cosmeen gepflanzt und dort

drüben herrliche bunte Tulpen. Und hier kriechen die Vergissmeinnicht fast über

den Rand zum Gehweg hin. Ihr Anblick unterbricht den Strom meiner Gedanken, lässt

mich kurz innehalten und ich frage mich immer, wer da wohl wohnt und was das

für ein Mensch ist, der mich an seinem schönen Garten teilhaben lässt.

Neulich komme ich an einem

grauen, heruntergekommenen Häuser-Block vorbei. Hier wohnen vorübergehend

Obdachlose.

Und da leuchtet an einem

einzigen Fenster ein Topf mit knallroten Geranien. Das war auch so was wie ein

„Mini- Für-Euch-Garten“. Als würde da einer rufen: „Schaut her! Hier wird gelebt!“

Eins steht jedenfalls fest, wer immer da wohnt, er oder sie hat einen Sinn für Schönheit

und die Mitmenschen; ein Gefühl dafür, dass – wie ein altes Sprichwort sagt –

geteilte Freude doppelte Freude ist.

Ich wünsche Ihnen einen guten

Morgen, Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58918_WDR3520220823Landgrebe.mp3

  • 23.8.2022
  • Nicola Thomas-Landgrebe
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