(Wiederholung vom 26.09.20, Choralandacht WDR3)
Musik 1: Choral,
Strophe 1: „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“, Text: Johann Jakob Schütz; Melodie: Johann Crüger; CD: Mit Herzen, Mund und
Händen; Interpret: Schwäbischer Posaunendienst und Göppinger Kammerchor; Leitung:
Erhard Frieß; Verlag: Gesangbuchverlag Stuttgart GmbH u.a.; LC-Nr.: 03078.
Sprecher
(overvoice): Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut,/ dem Vater aller Güte,/ dem
Gott, der alle Wunder tut, dem Gott, der mein Gemüte/ mit seinem reichen Trost
erfüllt,/ dem Gott, der alle Wunder stillt./ Gebt unserm Gott die Ehre!
Autorin
(overvoice): Ein lauer Abend in Frankfurt am Main, im Spätsommer 1673.
Zügig
überquert Johann Jakob Schütz den Römerberg. Er ist auf dem Weg ins Pfarrhaus
an der Barfüßerkirche, zu seiner Männergruppe.
Mit
Begeisterung hatte Schütz sein Jurastudium in Tübingen absolviert, sich dann
mit 25 Jahren in Frankfurt als Rechtsanwalt niedergelassen. Aber zunehmend
waren ihm Zweifel an seinem Beruf gekommen.
Hermann Dechent schreibt
in seiner Biographie:
Sprecherin:
Allmählich
aber zog sich Schütz ganz von der Führung von Processen zurück, weil er
wünschte mehr an seine Seele denken zu können und der Ueberzeugung war, daß bei
dem damaligen Zustande des Rechtswesens Advocaten sich schwerlich von Sünde
fern halten könnten. (1.)
Autorin: Im neuen Pfarrer
der lutherischen Barfüßerkirche, Philipp Jacob Spener, hatte der 33jährige
Schütz einen Seelenverwandten gefunden. Spener litt ebenfalls an verkrusteten
Strukturen. Wo blieb in der etablierten Kirche die Begeisterung für Gott, und
wie müssten Christen danach eigentlich leben? Spener wusste: Wie Martin Luther
müssen wir wieder selbst in der Bibel lesen, uns darüber austauschen und unsere
Erkenntnisse zur Richtschnur unseres Lebens machen. So hatte er mit fünf
interessierten Männern das Exercitium pietatis gegründet, eine Gruppe zur
Frömmigkeitsübung.
Musik
2 (Orgel): „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“, Text: Johann Jakob Schütz; Melodie: Johann Crüger; CD: Singt, singt
dem Herren neue Lieder – Orgelbegleitsätze zu 60 Melodien aus dem EG; Verlag:
Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland; Interpreten:
Kantor i. R. Carl-Gustav Naumann, Prof. Helmut Gleim und KMD Jürgen Irmscher
Label: METRIX; LC: 02012
Sprecher
(overvoice): Es danken dir die Himmelsheer,/ o Herrscher aller Thronen;/ und
die auf Erden, Luft und Meer/ in deinem Schatten wohnen,/ die preisen deine
Schöpfermacht,/ die alles also wohl bedacht./ Gebt unserem Gott die Ehre!
Was
unser Gott geschaffen hat,/ das will er auch erhalten,/ darüber will er früh
und spat/ mit seiner Güte walten./ In seinem ganzen Königreich/ ist alles
recht, ist alles gleich./ Gebt unserm Gott die Ehre!
Autorin: Spener
veröffentlichte 1675 eine wegweisende Schrift:
Sprecherin:
Pia
desideria oder Herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung des wahren
evangelischen Lebens.
Autorin: Pia desideria –
fromme Wünsche. Für viele hat dieser Ausdruck heute einen faden Beigeschmack.
Für die Männer des Exercitium pietatis hingegen fasste das genau ihre Ideen
zusammen. Und es blieb nicht bei Wünschen, denn auf Speners Initiative hin
wurden Armen- und Waisenhäuser gegründet.
Das
war der geistliche Impuls, den Johann Jacob Schütz ersehnt hatte!
Und
so gab er 1675 ebenfalls ein Buch heraus:
Sprecherin:
Christliches
Gedenkbüchlein zur Beförderung eines umfangreichen neuen Lebens, worin zur
Ablegung der Sünde, Erleuchtung des inneren Menschen und der Vereinigung mit
Gott in möglichster Kürze und Einfalt die erste Anregung geschieht
Autorin:
Schütz
fügte seinem Buch fünf Lieder an. „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ steht bis
heute im evangelischen Gesangbuch. Das Lied ist genauso aufgebaut wie ein
Treffen des Exercitium pietatis: Bibellese, Nachdenken über das Gehörte,
praktische Folgen. Vor allem die biblischen Psalmen regen Schütz an, Gottes
Wirken genauer zu betrachten. Die ersten drei Liedstrophen verknüpfen deshalb
Psalmzitate mit Glaubensaussagen des Katechismus.
Die
vierte Strophe bringt das persönliche Zeugnis ins Spiel. Als Johann Sebastian
Bach sechzig Jahre später eine Kantate über dieses Lied schrieb, legte er diese
Strophe dem Chor als Stellvertreter der Gemeinde in den Mund. Bach verwendete
die Melodie, mit der das Lied bekannt geworden war.
Musik
3: Bach-Kantate (Choral, Strophe 4): „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“, BWV 117,
Komponist: Bach,
Johann Sebastian, Text: Schütz, Johann Jakob; Interpret: The English Baroque
Soloists und The Monteverdi Choir; Leitung: Gardiner, John Eliot; Album: Bach:
Kantaten; Best.-Nr.: 843183010721; WDR-Archiv: 6132409203.1.01
Sprecher
(overvoice): Ich rief zum Herrn in meiner Not:/ „Ach Gott, vernimm mein
Schreien!“/ Da half mein Helfer mir vom Tod/ und ließ mir Trost gedeihen./ Drum
dank, ach Gott, drum dank ich dir;/ ach danket, danket Gott mit mir!/ Gebt
unserm Gott die Ehre!
Autorin:
Strophe
5 und 6 formulieren das Bekenntnis. Schütz verwendet wunderbare Bilder, um Gott
zu beschreiben: Gott hat „Mutterhände“ und „Vateraugen“, ja, Gott ist selbst
ein „Überfluss“ an Trost und Hilfe.
Musik
4 (Harfe): „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“, Text: Johann Jakob Schütz; Melodie: Johann Crüger, Interpretin:
Anne-Sophie Bertrand; CD: Morgenstimmung | Klassische Musik zum Tagesbeginn;
Verlag: Verlag Kreuz GmbH, Stuttgart; Label: KREUZ PLUS; LC: 06190
Sprecher
(overvoice): Der Herr ist noch und nimmer nicht/ von seinem Volk geschieden;/
er bleibet ihre Zuversicht,/ ihr Segen, Heil und Frieden./ Mit Mutterhänden
leitet er/ die Seinen stetig hin und her./ Gebt unserm Gott die Ehre!
Wenn
Trost und Hilf ermangeln muss,/ die alle Welt erzeiget,/ so kommt, so hilft der
Überfluss, / der Schöpfer selbst und neiget/ die Vateraugen denen zu,/ die
sonsten nirgends finden Ruh./ Gebt unserm Gott die Ehre!
Autorin:
Nach
dem Bekenntnis folgt der Jubel. Lebenslang soll er währen – und formal ist das
ja schon sechs Strophen lang geschehen, durch den Refrain: Gebt unserem Gott
die Ehre!
Musik
2: (Orgel)
Sprecher
(overvoice): Ich will dich all mein Leben lang,/ o Gott, von nun an ehren,/ man
soll, Gott, deinen Lobgesang/ an allen Orten hören./ Mein ganzes Herz ermuntre
sich,/ mein Geist und Leib erfreue dich!/ Gebt unserm Gott die Ehre!
Autorin:
Dieser
Jubel bleibt nicht privat. Deshalb werden in der achten Strophe alle aufgefordert,
sich zu Gott zu bekennen. Johann Sebastian Bach vertont diese Strophe als
Rezitativ – der Solotenor hält eine flammende Predigt:
Musik
3: Bach-Kantate, Rezitativ Tenor Str. 8: Ihr, die ihr Christi Namen nennt,/
gebt unserm Gott die Ehre;/ ihr, die ihr Gottes Macht bekennt,/ gebt unserm
Gott die Ehre!/ Die falschen Götzen macht zu Spott;/ der Herr ist Gott, der
Herr ist Gott!/ Gebt unserm Gott die Ehre!
Autorin:
Die
Melodie, die wir heute singen, wurde erst in den 1950er Jahren mit dem Text
verbunden. 1653 hat Johann Crüger sie komponiert, nach einer Melodie aus dem
reformierten Genfer Psalter zu Psalm 118 (singt “Nun saget Dank und
lobt den Herren“). Crüger straffte die Melodie. Dadurch wird eine
ungewöhnliche Tonfolge besonders deutlich – zwei aufsteigende Quarten
nacheinander (singt: „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“). Diese Tonfolge
hat schon Luther verwendet (singt „Nun freut auch, lieben Christen
gmein und lasst uns fröhlich springen“). Und wenn die Melodie nun zwar
ruhig fließt und dadurch Sicherheit und Geborgenheit vermittelt, bleibt doch
der Gestus des fröhlichen Springens erhalten, den Johann Jacob Schütz in seiner
Schlussstrophe beschreibt. Wer so fröhlich singt, gibt wirklich Gott die Ehre:
Musik
1: Choral, Strophe 9
Sprecher
(overvoice): So kommet vor sein Angesicht/ mit jauchzenvollem Springen;/
bezahlet die gelobte Pflicht/ und lasst uns fröhlich singen: / Gott hat es
alles wohl bedacht/ und alles, alles recht gemacht./ Gebt unserm Gott die Ehre!
Weitere Quellenangaben:
1. Hermann Dechent: Schütz, Johann Jakob. In:
Allgemeine Deutsche Biographie (ADB).
Band
33, Duncker & Humblot, Leipzig 1891, S. 130
Redaktion: Landespfarrer
Dr. Titus Reinmuth