„Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ (eg 326)

Choralandacht | 22.10.2022 | 00:00 Uhr

(Wiederholung vom 26.09.20, Choralandacht WDR3)

Musik 1: Choral,

Strophe 1: „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“, Text: Johann Jakob Schütz; Melodie: Johann Crüger; CD: Mit Herzen, Mund und

Händen; Interpret: Schwäbischer Posaunendienst und Göppinger Kammerchor; Leitung:

Erhard Frieß; Verlag: Gesangbuchverlag Stuttgart GmbH u.a.; LC-Nr.: 03078.

Sprecher

(overvoice): Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut,/ dem Vater aller Güte,/ dem

Gott, der alle Wunder tut, dem Gott, der mein Gemüte/ mit seinem reichen Trost

erfüllt,/ dem Gott, der alle Wunder stillt./ Gebt unserm Gott die Ehre!

Autorin

(overvoice): Ein lauer Abend in Frankfurt am Main, im Spätsommer 1673.

Zügig

überquert Johann Jakob Schütz den Römerberg. Er ist auf dem Weg ins Pfarrhaus

an der Barfüßerkirche, zu seiner Männergruppe.

Mit

Begeisterung hatte Schütz sein Jurastudium in Tübingen absolviert, sich dann

mit 25 Jahren in Frankfurt als Rechtsanwalt niedergelassen. Aber zunehmend

waren ihm Zweifel an seinem Beruf gekommen.

Hermann Dechent schreibt

in seiner Biographie:

Sprecherin:

Allmählich

aber zog sich Schütz ganz von der Führung von Processen zurück, weil er

wünschte mehr an seine Seele denken zu können und der Ueberzeugung war, daß bei

dem damaligen Zustande des Rechtswesens Advocaten sich schwerlich von Sünde

fern halten könnten. (1.)

Autorin: Im neuen Pfarrer

der lutherischen Barfüßerkirche, Philipp Jacob Spener, hatte der 33jährige

Schütz einen Seelenverwandten gefunden. Spener litt ebenfalls an verkrusteten

Strukturen. Wo blieb in der etablierten Kirche die Begeisterung für Gott, und

wie müssten Christen danach eigentlich leben? Spener wusste: Wie Martin Luther

müssen wir wieder selbst in der Bibel lesen, uns darüber austauschen und unsere

Erkenntnisse zur Richtschnur unseres Lebens machen. So hatte er mit fünf

interessierten Männern das Exercitium pietatis gegründet, eine Gruppe zur

Frömmigkeitsübung.

Musik

2 (Orgel): „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“, Text: Johann Jakob Schütz; Melodie: Johann Crüger; CD: Singt, singt

dem Herren neue Lieder – Orgelbegleitsätze zu 60 Melodien aus dem EG; Verlag:

Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland; Interpreten:

Kantor i. R. Carl-Gustav Naumann, Prof. Helmut Gleim und KMD Jürgen Irmscher

Label: METRIX; LC: 02012

Sprecher

(overvoice): Es danken dir die Himmelsheer,/ o Herrscher aller Thronen;/ und

die auf Erden, Luft und Meer/ in deinem Schatten wohnen,/ die preisen deine

Schöpfermacht,/ die alles also wohl bedacht./ Gebt unserem Gott die Ehre!

Was

unser Gott geschaffen hat,/ das will er auch erhalten,/ darüber will er früh

und spat/ mit seiner Güte walten./ In seinem ganzen Königreich/ ist alles

recht, ist alles gleich./ Gebt unserm Gott die Ehre!

Autorin: Spener

veröffentlichte 1675 eine wegweisende Schrift:

Sprecherin:

Pia

desideria oder Herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung des wahren

evangelischen Lebens.

Autorin: Pia desideria –

fromme Wünsche. Für viele hat dieser Ausdruck heute einen faden Beigeschmack.

Für die Männer des Exercitium pietatis hingegen fasste das genau ihre Ideen

zusammen. Und es blieb nicht bei Wünschen, denn auf Speners Initiative hin

wurden Armen- und Waisenhäuser gegründet.

Das

war der geistliche Impuls, den Johann Jacob Schütz ersehnt hatte!

Und

so gab er 1675 ebenfalls ein Buch heraus:

Sprecherin:

Christliches

Gedenkbüchlein zur Beförderung eines umfangreichen neuen Lebens, worin zur

Ablegung der Sünde, Erleuchtung des inneren Menschen und der Vereinigung mit

Gott in möglichster Kürze und Einfalt die erste Anregung geschieht

Autorin:

Schütz

fügte seinem Buch fünf Lieder an. „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ steht bis

heute im evangelischen Gesangbuch. Das Lied ist genauso aufgebaut wie ein

Treffen des Exercitium pietatis: Bibellese, Nachdenken über das Gehörte,

praktische Folgen. Vor allem die biblischen Psalmen regen Schütz an, Gottes

Wirken genauer zu betrachten. Die ersten drei Liedstrophen verknüpfen deshalb

Psalmzitate mit Glaubensaussagen des Katechismus.

Die

vierte Strophe bringt das persönliche Zeugnis ins Spiel. Als Johann Sebastian

Bach sechzig Jahre später eine Kantate über dieses Lied schrieb, legte er diese

Strophe dem Chor als Stellvertreter der Gemeinde in den Mund. Bach verwendete

die Melodie, mit der das Lied bekannt geworden war.

Musik

3: Bach-Kantate (Choral, Strophe 4): „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“, BWV 117,

Komponist: Bach,

Johann Sebastian, Text: Schütz, Johann Jakob; Interpret: The English Baroque

Soloists und The Monteverdi Choir; Leitung: Gardiner, John Eliot; Album: Bach:

Kantaten; Best.-Nr.: 843183010721; WDR-Archiv: 6132409203.1.01

Sprecher

(overvoice): Ich rief zum Herrn in meiner Not:/ „Ach Gott, vernimm mein

Schreien!“/ Da half mein Helfer mir vom Tod/ und ließ mir Trost gedeihen./ Drum

dank, ach Gott, drum dank ich dir;/ ach danket, danket Gott mit mir!/ Gebt

unserm Gott die Ehre!

Autorin:

Strophe

5 und 6 formulieren das Bekenntnis. Schütz verwendet wunderbare Bilder, um Gott

zu beschreiben: Gott hat „Mutterhände“ und „Vateraugen“, ja, Gott ist selbst

ein „Überfluss“ an Trost und Hilfe.

Musik

4 (Harfe): „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“, Text: Johann Jakob Schütz; Melodie: Johann Crüger, Interpretin:

Anne-Sophie Bertrand; CD: Morgenstimmung | Klassische Musik zum Tagesbeginn;

Verlag: Verlag Kreuz GmbH, Stuttgart; Label: KREUZ PLUS; LC: 06190

Sprecher

(overvoice): Der Herr ist noch und nimmer nicht/ von seinem Volk geschieden;/

er bleibet ihre Zuversicht,/ ihr Segen, Heil und Frieden./ Mit Mutterhänden

leitet er/ die Seinen stetig hin und her./ Gebt unserm Gott die Ehre!

Wenn

Trost und Hilf ermangeln muss,/ die alle Welt erzeiget,/ so kommt, so hilft der

Überfluss, / der Schöpfer selbst und neiget/ die Vateraugen denen zu,/ die

sonsten nirgends finden Ruh./ Gebt unserm Gott die Ehre!

Autorin:

Nach

dem Bekenntnis folgt der Jubel. Lebenslang soll er währen – und formal ist das

ja schon sechs Strophen lang geschehen, durch den Refrain: Gebt unserem Gott

die Ehre!

Musik

2: (Orgel)

Sprecher

(overvoice): Ich will dich all mein Leben lang,/ o Gott, von nun an ehren,/ man

soll, Gott, deinen Lobgesang/ an allen Orten hören./ Mein ganzes Herz ermuntre

sich,/ mein Geist und Leib erfreue dich!/ Gebt unserm Gott die Ehre!

Autorin:

Dieser

Jubel bleibt nicht privat. Deshalb werden in der achten Strophe alle aufgefordert,

sich zu Gott zu bekennen. Johann Sebastian Bach vertont diese Strophe als

Rezitativ – der Solotenor hält eine flammende Predigt:

Musik

3: Bach-Kantate, Rezitativ Tenor Str. 8: Ihr, die ihr Christi Namen nennt,/

gebt unserm Gott die Ehre;/ ihr, die ihr Gottes Macht bekennt,/ gebt unserm

Gott die Ehre!/ Die falschen Götzen macht zu Spott;/ der Herr ist Gott, der

Herr ist Gott!/ Gebt unserm Gott die Ehre!

Autorin:

Die

Melodie, die wir heute singen, wurde erst in den 1950er Jahren mit dem Text

verbunden. 1653 hat Johann Crüger sie komponiert, nach einer Melodie aus dem

reformierten Genfer Psalter zu Psalm 118 (singt “Nun saget Dank und

lobt den Herren“). Crüger straffte die Melodie. Dadurch wird eine

ungewöhnliche Tonfolge besonders deutlich – zwei aufsteigende Quarten

nacheinander (singt: „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“). Diese Tonfolge

hat schon Luther verwendet (singt „Nun freut auch, lieben Christen

gmein und lasst uns fröhlich springen“). Und wenn die Melodie nun zwar

ruhig fließt und dadurch Sicherheit und Geborgenheit vermittelt, bleibt doch

der Gestus des fröhlichen Springens erhalten, den Johann Jacob Schütz in seiner

Schlussstrophe beschreibt. Wer so fröhlich singt, gibt wirklich Gott die Ehre:

Musik

1: Choral, Strophe 9

Sprecher

(overvoice): So kommet vor sein Angesicht/ mit jauchzenvollem Springen;/

bezahlet die gelobte Pflicht/ und lasst uns fröhlich singen: / Gott hat es

alles wohl bedacht/ und alles, alles recht gemacht./ Gebt unserm Gott die Ehre!

Weitere Quellenangaben:

1. Hermann Dechent: Schütz, Johann Jakob. In:

Allgemeine Deutsche Biographie (ADB).

Band

33, Duncker & Humblot, Leipzig 1891, S. 130

Redaktion: Landespfarrer

Dr. Titus Reinmuth

  • 22.10.2022
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