Pfarrers Arbeitszeit

Kirche in WDR2 | 25.01.2022 | 00:00 Uhr

„Pfarrer arbeiten eine Stunde

pro Woche. Nämlich Sonntag morgens im Gottesdienst.“

Immer, wenn mich mein Vater

ein bisschen ärgern will, bringt er diesen Spruch. Dabei weiß er, dass das

Quatsch ist. Natürlich beschränkt sich meine Arbeit nicht bloß auf Gottesdienste.

Andererseits – wieviel arbeiten Pfarrer eigentlich tatsächlich? Und was machen

sie die ganze Woche über? Wenn kein Gottesdienst ist?

Wir sitzen bei einer kleinen

Geburtstagsfeier, als ich mit dieser Frage konfrontiert werde. Die Frau, die

sie gestellt hat, fügt hinzu: „Du hast doch bestimmt keine 40-Stunden-Woche,

oder?“ Da hat sie Recht, das muss ich zugeben. Ich habe keine 40-Stunden-Woche.

In der Regel komme ich auf gut 50 Stunden pro Woche.

Bei dieser Antwort schauen

mich alle erstaunt an. Sie haben wohl erwartet, dass ich deutlich weniger arbeite.

Aber wer weiß schon so genau, was ein Pfarrer alles zu tun hat. Also beginne ich

aufzuzählen. Gottesdienste, Beerdigungen und Hochzeiten haben noch alle auf dem

Schirm. Auch den Konfirmandenunterricht. Aber was dann noch an Besuchen

hinzukommt, an Sitzungen, Gremien, Büroarbeit und Vorbereitungen, wie viele

Leute bei mir überraschend vor der Tür stehen und wie viele repräsentative

Aufgaben ich habe – das hat sich keiner so vorgestellt. Im ersten Moment habe

ich bei meiner Aufzählung sogar glatt unseren Kindergarten vergessen – der

kommt natürlich auch noch hinzu. Und die Radioandachten hier auf WDR 2, die

sind dann eben „on top“.

Nicht, dass Sie mich falsch

verstehen – ich will mich nicht beklagen! Ich mag meinen Beruf und ich möchte

gar keinen anderen haben. Aber Pille Palle ist es nicht. Zu tun gibt es genug –

auch in Corona-Zeiten. Jedenfalls dann, wenn man den Beruf ernst nimmt. Dann

kann eine Gottesdienstvorbereitung locker acht Stunden dauern. Eine

Radioandacht mindestens vier bis fünf. Und für einen Besuch oder ein seelsorgerliches

Gespräch muss ich auf jeden Fall eine Stunde einplanen. Besser mehr.

Aber ich finde: Das ist es

wert. Nur so kann ich mich auf die Menschen einlassen. Kann herausfinden, was

ihnen gut tut und hilft. Kann entdecken, was der Bibeltext für den nächsten

Gottesdienst uns heute zu sagen hat.

Nicht, dass die Ergebnisse

dann immer toll wären. Aber die Leute merken zumindest: „Der hängt sich ‘rein

in seine Arbeit. Denkt darüber nach, was er sagen will. Und meint ernst, was er

sagt. Muss also wohl was Wichtiges sein, das mit dem Glauben. Und mit Gott.“

Redaktion: Pastorin Sabine

Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57259_WDR220220125Vogt.mp3

  • 25.1.2022
  • Martin Vogt
  • © Anika Kempf
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