Frei du selbst zu sein

Kirche in WDR2 | 22.04.2022 | 00:00 Uhr

Der Schüler aus der achten Klasse

guckt mich kritisch an: „Wann gehen wir denn endlich in die Kirche?“ Ich brauche

einen Moment, um mich zu sammeln und ihn dann anzulächeln: „Du“, sage ich

sanft: „Wir sind schon seit einer Stunde in der Kirche.“

Wir haben gerade mitten in

unserer Jugendkirche Döner gegessen, aber auch der beste Döner kann nicht

darüber hinwegtäuschen, dass genau dieser Ort letztendlich eine Barockkirche

aus dem 17. Jahrhundert ist.

In solchen kleinen

Begegnungen als Pfarrerin einer Jugendkirche wird mir klar, wie überraschend

Kirche sein kann. Wie unbekannt unsere Räume und unser Glaube vielen Menschen

geworden sind. Und es stört mich nicht. Wer nicht schon alles weiß, wird

neugierig und stellt die tollsten Fragen. So wie eine andere Schülerin, die nach

unserer interaktiven Kirchenführung die Frage alle Fragen stellt: „Welche

Message wollen Sie hier eigentlich vermitteln?“

Also hole ich tief Luft und

sage: „Vermutlich ist es nicht das, was ihr mit dem Christentum verbindet. Für

mich ist mein Glaube Freiheit. Die Freiheit, ich selbst zu sein (sein zu

dürfen). Nicht so, wie andere mich gerne hätten. Sondern so zu leben, wie es

mir guttut und das zu tun, was ich richtig gut kann. Ich glaube nämlich, das

ist genau das, was Gott von mir will. Das ist meine Aufgabe in dieser Welt. Und

ich glaube, dass das für alle anderen und für euch auch gilt: Ihr alle habt

eine Aufgabe, ihr alle seid wichtig für diese Welt. Ihr alle habt etwas, das

euch ausmacht, was euch Spaß macht und was ihr gleichzeitig gut könnt. Und

genau das müsst ihr finden. Das ist wichtig. Für euch, aber auch für diese

Stadt, dieses Land und diese Welt. Wenn alle Menschen auf der Welt das tun

würden, was ihnen liegt, dann wäre das hier eine bessere, vermutlich sogar

friedlichere Welt. Deshalb könnt ihr euch in dieser Kirche ausprobieren und

einbringen. Also ist meine Message: Mit Gott an deiner Seite bist du frei,

deinen ganz eigenen Weg zu gehen.“

Wenn ich auf mein Leben

zurückblicke: Ich habe mich oft selber nicht getraut habe, beruflich eine Stelle

oder privat eine Aufgabe abzulehnen. Oder einfach immer wieder getan habe, was

andere sich von mir gewünscht haben, in der Hoffnung, dass sie auch mich als

Peron wollen. Oft fehlt mir das Vertrauen, zu glauben, dass Gott auf meiner

Seite steht, und ich ganz frei und ruhig meinen Talenten und Bedürfnissen

folgen kann.

Dabei ist die Vorstellung so

schön, dass ich mich noch ganz oft frei fühlen kann. Ein ganzes Leben lang. Heute

zum Beispiel. Und ich mache mich neugierig auf meinen Weg in diesen Tag. Frage danach, worauf ich Lust habe

und was ich gerade besonders gut kann.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57935_WDR220220422Berger.mp3

  • 22.4.2022
  • Katrin Berger
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