Der Schüler aus der achten Klasse
guckt mich kritisch an: „Wann gehen wir denn endlich in die Kirche?“ Ich brauche
einen Moment, um mich zu sammeln und ihn dann anzulächeln: „Du“, sage ich
sanft: „Wir sind schon seit einer Stunde in der Kirche.“
Wir haben gerade mitten in
unserer Jugendkirche Döner gegessen, aber auch der beste Döner kann nicht
darüber hinwegtäuschen, dass genau dieser Ort letztendlich eine Barockkirche
aus dem 17. Jahrhundert ist.
In solchen kleinen
Begegnungen als Pfarrerin einer Jugendkirche wird mir klar, wie überraschend
Kirche sein kann. Wie unbekannt unsere Räume und unser Glaube vielen Menschen
geworden sind. Und es stört mich nicht. Wer nicht schon alles weiß, wird
neugierig und stellt die tollsten Fragen. So wie eine andere Schülerin, die nach
unserer interaktiven Kirchenführung die Frage alle Fragen stellt: „Welche
Message wollen Sie hier eigentlich vermitteln?“
Also hole ich tief Luft und
sage: „Vermutlich ist es nicht das, was ihr mit dem Christentum verbindet. Für
mich ist mein Glaube Freiheit. Die Freiheit, ich selbst zu sein (sein zu
dürfen). Nicht so, wie andere mich gerne hätten. Sondern so zu leben, wie es
mir guttut und das zu tun, was ich richtig gut kann. Ich glaube nämlich, das
ist genau das, was Gott von mir will. Das ist meine Aufgabe in dieser Welt. Und
ich glaube, dass das für alle anderen und für euch auch gilt: Ihr alle habt
eine Aufgabe, ihr alle seid wichtig für diese Welt. Ihr alle habt etwas, das
euch ausmacht, was euch Spaß macht und was ihr gleichzeitig gut könnt. Und
genau das müsst ihr finden. Das ist wichtig. Für euch, aber auch für diese
Stadt, dieses Land und diese Welt. Wenn alle Menschen auf der Welt das tun
würden, was ihnen liegt, dann wäre das hier eine bessere, vermutlich sogar
friedlichere Welt. Deshalb könnt ihr euch in dieser Kirche ausprobieren und
einbringen. Also ist meine Message: Mit Gott an deiner Seite bist du frei,
deinen ganz eigenen Weg zu gehen.“
Wenn ich auf mein Leben
zurückblicke: Ich habe mich oft selber nicht getraut habe, beruflich eine Stelle
oder privat eine Aufgabe abzulehnen. Oder einfach immer wieder getan habe, was
andere sich von mir gewünscht haben, in der Hoffnung, dass sie auch mich als
Peron wollen. Oft fehlt mir das Vertrauen, zu glauben, dass Gott auf meiner
Seite steht, und ich ganz frei und ruhig meinen Talenten und Bedürfnissen
folgen kann.
Dabei ist die Vorstellung so
schön, dass ich mich noch ganz oft frei fühlen kann. Ein ganzes Leben lang. Heute
zum Beispiel. Und ich mache mich neugierig auf meinen Weg in diesen Tag. Frage danach, worauf ich Lust habe
und was ich gerade besonders gut kann.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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