Same procedure as last year?

Kirche in WDR2 | 11.01.2022 | 00:00 Uhr

Autorin: „Same procedure as last year, Miss Sophie?“ „Same procedure as every

year, James!“ heißt

es jedes Jahr zu Silvester bei „Dinner for one“ in Radio und Fernsehen. – „Dieselbe

Prozedur wie im letzten Jahr, Miss Sophie?“ „Dieselbe Prozedur wie in jedem

Jahr, James!“ Also: Alles beim Alten. Alles wie immer. Alles ist gut. An

Ahr, Erft und Rhein ist lange nichts beim Alten. Seit den Flutnächten vor gut sechs

Monaten gibt’s hier kein „So wie immer“. Auch nicht an den Feiertagen. Tamara

Orschler – Sozialpädagogin – hat Weihnachten und Silvester bei den Menschen im

Ahrtal verbracht. Tage, an denen es traditionell um gute Wünsche und gute

Vorsätze geht.

O-Ton Tamara Orschler: „Jeder hat andere Wünsche. Der eine wünscht sich,

wieder gesund zu werden, der andere wünscht sich, dass er wieder in sein Haus,

dass er das Haus wieder beziehen kann. Dann haben wir natürlich auch ganz, ganz

viele Menschen, die sehr stark trauern, weil sie einen geliebten Menschen

verloren haben. Also ich denke, diese Wünsche-Spanne ist sehr breit. Natürlich,

dass das das Ahrtal irgendwie wieder hergestellt wird, also wieder wunderschön

wird. Dass sie nicht alleine gelassen werden von Politik, von Helfern.“

Autorin: Nicht alleine gelassen zu werden, ja das wär‘ doch schon

mal was. Tamara Orschler ist Teil eines Seelsorge-Teams von der Evangelischen

Kirche im Rheinland und der Diakonie Katastrophenhilfe. Sie sind da für die

Menschen im Ahrtal. Die Sozialpädagogin macht Ausflüge mit Kindern und

Jugendlichen in den von der Flut betroffenen Orten. Sie holt sie mal raus aus

dieser Umgebung und bringt sie auf andere Gedanken. Und sie weiß, hier ist

nichts wie immer, und es wird vieles ganz anders. Sie wünscht den Menschen im Ahrtal

für 2022:

O-Ton Tamara Orschler: „Dass alle wieder schnellstmöglich auf eigenen

Beinen stehen können, und dass sie wenig Unterstützung – also externe

Unterstützung – benötigen. Dass sie die zum Teil sehr schönen Freundschaften

aufrechterhalten können. Ja, dass es hier auch wirtschaftlich wieder bergauf

geht. Ja, dass sehr schnell wieder eine Normalität einkehren kann. Dass die

Menschen zur Ruhe kommen. Dass sie in Ruhe das Erlebte verarbeiten können. Dass

sie auch in Ruhe trauern können.“

Autorin: Tamara Orschler hat viele Wünsche für die Menschen im

Ahrtal. Und man merkt ihr an, wie sehr sie jedes einzelne Schicksal berührt und

mitnimmt. Sie will Licht ins Ahrtal bringen. Ein Lichtblick ist für sie die

AHRche in Ahrweiler. Die AHRche ist ein gemeinnütziger Verein, der die Arbeit

des Seelsorge-Teams rund um Tamara Orschler unterstützt. Mit Rat, Tat und Freundschaft.

Längst hat sich hier eine Gemeinschaft gebildet, die zusammenhält, die Menschen

im Ahrtal begleitet. Ganz individuell. Denn dieses „alles ist anders“ heißt für

jede und jeden hier etwas anderes, sagt die Sozialpädagogin.

O-Ton Tamara Orschler: „Das höre ich immer wieder in Gesprächen, dass

viele gar nicht so raus möchten, weil sie bei Nachbarn oder Freunden sein

möchten, die das gleiche erlebt haben, weil nur die können einen so richtig

verstehen. Ja, es hat einfach mehrere Seiten. Bei dem einen ist es, dass er

gerne mal aus dem Tal raus möchte und mal was anderes sehen möchte und bei dem

anderen, die freuen sich einfach wieder in ihrer Gemeinschaft zu sein.“

Autorin: Dieses „alles ist anders“ bedeutet neu anfangen und neugestalten

müssen und können. Und das wünsche ich den Menschen im Ahrtal: mutig neu

anfangen können und Licht sehen!

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 11.1.2022
  • Julia-Rebecca Riedel
  • (Kirche im WDR)
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