Autorin: „Same procedure as last year, Miss Sophie?“ „Same procedure as every
year, James!“ heißt
es jedes Jahr zu Silvester bei „Dinner for one“ in Radio und Fernsehen. – „Dieselbe
Prozedur wie im letzten Jahr, Miss Sophie?“ „Dieselbe Prozedur wie in jedem
Jahr, James!“ Also: Alles beim Alten. Alles wie immer. Alles ist gut. An
Ahr, Erft und Rhein ist lange nichts beim Alten. Seit den Flutnächten vor gut sechs
Monaten gibt’s hier kein „So wie immer“. Auch nicht an den Feiertagen. Tamara
Orschler – Sozialpädagogin – hat Weihnachten und Silvester bei den Menschen im
Ahrtal verbracht. Tage, an denen es traditionell um gute Wünsche und gute
Vorsätze geht.
O-Ton Tamara Orschler: „Jeder hat andere Wünsche. Der eine wünscht sich,
wieder gesund zu werden, der andere wünscht sich, dass er wieder in sein Haus,
dass er das Haus wieder beziehen kann. Dann haben wir natürlich auch ganz, ganz
viele Menschen, die sehr stark trauern, weil sie einen geliebten Menschen
verloren haben. Also ich denke, diese Wünsche-Spanne ist sehr breit. Natürlich,
dass das das Ahrtal irgendwie wieder hergestellt wird, also wieder wunderschön
wird. Dass sie nicht alleine gelassen werden von Politik, von Helfern.“
Autorin: Nicht alleine gelassen zu werden, ja das wär‘ doch schon
mal was. Tamara Orschler ist Teil eines Seelsorge-Teams von der Evangelischen
Kirche im Rheinland und der Diakonie Katastrophenhilfe. Sie sind da für die
Menschen im Ahrtal. Die Sozialpädagogin macht Ausflüge mit Kindern und
Jugendlichen in den von der Flut betroffenen Orten. Sie holt sie mal raus aus
dieser Umgebung und bringt sie auf andere Gedanken. Und sie weiß, hier ist
nichts wie immer, und es wird vieles ganz anders. Sie wünscht den Menschen im Ahrtal
für 2022:
O-Ton Tamara Orschler: „Dass alle wieder schnellstmöglich auf eigenen
Beinen stehen können, und dass sie wenig Unterstützung – also externe
Unterstützung – benötigen. Dass sie die zum Teil sehr schönen Freundschaften
aufrechterhalten können. Ja, dass es hier auch wirtschaftlich wieder bergauf
geht. Ja, dass sehr schnell wieder eine Normalität einkehren kann. Dass die
Menschen zur Ruhe kommen. Dass sie in Ruhe das Erlebte verarbeiten können. Dass
sie auch in Ruhe trauern können.“
Autorin: Tamara Orschler hat viele Wünsche für die Menschen im
Ahrtal. Und man merkt ihr an, wie sehr sie jedes einzelne Schicksal berührt und
mitnimmt. Sie will Licht ins Ahrtal bringen. Ein Lichtblick ist für sie die
AHRche in Ahrweiler. Die AHRche ist ein gemeinnütziger Verein, der die Arbeit
des Seelsorge-Teams rund um Tamara Orschler unterstützt. Mit Rat, Tat und Freundschaft.
Längst hat sich hier eine Gemeinschaft gebildet, die zusammenhält, die Menschen
im Ahrtal begleitet. Ganz individuell. Denn dieses „alles ist anders“ heißt für
jede und jeden hier etwas anderes, sagt die Sozialpädagogin.
O-Ton Tamara Orschler: „Das höre ich immer wieder in Gesprächen, dass
viele gar nicht so raus möchten, weil sie bei Nachbarn oder Freunden sein
möchten, die das gleiche erlebt haben, weil nur die können einen so richtig
verstehen. Ja, es hat einfach mehrere Seiten. Bei dem einen ist es, dass er
gerne mal aus dem Tal raus möchte und mal was anderes sehen möchte und bei dem
anderen, die freuen sich einfach wieder in ihrer Gemeinschaft zu sein.“
Autorin: Dieses „alles ist anders“ bedeutet neu anfangen und neugestalten
müssen und können. Und das wünsche ich den Menschen im Ahrtal: mutig neu
anfangen können und Licht sehen!
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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