Dark Tourism

Kirche in WDR3 | 24.09.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

„Hast du den Begriff Dark

Tourism schon mal gehört?“ – zu Deutsch dunkler Tourismus? Das wurde ich

neulich in einer Online-Umfrage gefragt. Nein klicke ich an. Und erfahre dann: An

Orten für Dark Tourism ist etwas Schreckliches geschehen oder sie werden mit

Leid und Tod verbunden. Es gab da ein Unglück oder eine berühmte Person ist

dort verstorben oder begraben. Beispiele sind der Unglücksort von Lady Di,

Ground Zero in New York oder das KZ Auschwitz oder Friedhöfe wie Père Lachaise

in Paris oder der amerikanische Nationalfriedhof Arlington.

„Warum -denkst du- besuchen

Menschen Orte des Dark Tourism?“ geht’s weiter in der Umfrage. „Um sich zu

bilden, zur Unterhaltung, zum Gedenken, aus Sensationslust oder aus einem

anderen Grund? Und was wäre für dich ein Grund?“ Mmh, denke ich, bestimmt

fahren viele auch aus Sensationslust in Katastrophengebiete. Bildung und

Gedenken habe ich für mich angeklickt. Mehrere Konzentrationslager habe ich

schon besucht und mich mit klopfendem Herzen und voller Scham dem Grauen und

Verbrechen ausgesetzt, das unsere deutschen Vorfahren den Jüdinnen und Juden

und vielen mehr angetan haben. Und in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel war

ich, das war jedes Mal heftig, aber nötig, finde ich, um wirklich zu verstehen,

dass es so etwas nie mehr geben darf.

Und ich bin auch schon über schön angelegte Friedhöfe mit altem Baumbestand geschlendert.

Bin in der Ruhe dort meinen Gedanken nachgegangen, habe Gräber berühmter

Menschen aufgesucht und an sie gedacht.

Weiter geht es in der

Umfrage: „Ist es für dich wichtig, tatsächlich an den Orten zu sein oder würde

dir eine virtuelle Vorführung der Geschehnisse von dort reichen?“ Ich habe mal

in der Eifel eine virtuelle Umsetzung eines Vulkanausbruchs erlebt, mit

Erdbeben bis ins Rheinland und man hatte das Gefühl wirklich mittendrin zu sein.

Aber die Schrecken eines KZs nachzuahmen und so mitzuerleben – das wäre für

mich eine Verhöhnung der dort Gequälten und Ermordeten. Also lieber ganz real

an die entsprechenden Erinnerungsorte pilgern, auch mit dem gebührenden Abstand

und Respekt. Deshalb bin ich eine absolute Verfechterin von Friedhöfen. Klar

kann ich mir ein Video von einem verstorbenen Menschen anschauen und mich erinnern

oder ein Foto. Mir persönlich ist es ein Bedürfnis, einen Ort zu haben, wo ich

in Gedanken bei einem Verstorbenen sein kann. Einen Ort, an dem diese

Erinnerung auch öffentlich wachgehalten wird.

Auf einem Friedhof

gedenke ich nicht nur der Toten meiner eigenen Familie, sondern aller Vorfahren

und was sie für unsere Gegenwart und Zukunft bedeuten. Jenseits von dem

persönlichen Bedürfnis, verstorbenen Angehörigen nah zu sein, halten Christen

auch an der Gemeinschaft der Lebenden und der Toten fest. Christinnen

und Christen glauben: Menschen sind nach dem Tod nicht einfach weg, sie sind

bei Gott aufgehoben, im Tod wie im Leben. „Bettete ich mich bei den Toten,

siehe, so bist du auch da, Gott“, betet jemand in der Bibel. (Psalm 139,4) Auf

einem Friedhof können wir in Gedanken und in Gedenken bei den Verstorbenen sein.

„Würden Sie noch einmal eine Stätte des Dark Tourism besuchen?“ endet die

Umfrage. „In jedem Fall“, antworte ich. Vor allem Friedhöfe immer wieder gerne.

Und Sie?

Ihre

Barbara Schwahn, Krefeld.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59243_WDR3520220924Schwahn.mp3

  • 24.9.2022
  • Dr. Barbara Schwahn
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