O-Ton (Musik): “Iteme”;
Komponist Kizito Mihigo; Interpret: Kizito Mihigo
Autor: Ein Lied aus
Ruanda. Der Künstler, der hier singt, heißt Kizito Mihigo. Mit einigen seiner
Lieder möchte ich sie heute morgen mitnehmen auf eine Reise in dieses kleine
Land in Ostafrika. In Ruanda habe ich in den letzten Wochen einige Menschen
besucht, die arm sind, keine großen finanziellen Möglichkeiten haben und
dennoch Erstaunliches zustande bringen in Sachen Umweltschutz. Sie haben in
Ruanda eine Entwicklungsorganisation gegründet, die Armut beseitigen will und
dabei auch noch etwas für das Klima und die Umwelt tut. Sie nennen ihren
Einsatz genau wie viele Menschen in Europa “Bewahrung der Schöpfung”. Sie sind
Christen, die zur Anglikanischen Kirche in Ruanda gehören.
Der Weg zu ihnen ist, sagen wir, ungewohnt für
Europäer. Anfangs zwischen der ruandischen Hauptstadt Kigali und der Zentrale
des Distrikts Muhanga ist die Landstraße asphaltiert, ausgebaut, bequem, zumal
fast überall ein Tempolimit von 60 Stundenkilometern gilt, scharf kontrolliert
durch Blitzer alle paar Kilometer. Dann aber, wenn wir die Nationalstraße 1 in
Muhanga verlassen, beginnt das Abenteuer. Ein stabiler Geländewagen ist nötig
um die letzten sechs, sieben Kilometer zu schaffen. Da hat der Regen tiefe
Rinnen in den Boden gewaschen, Felsblöcke liegen im Weg. Der Geländewagen muss
kämpfen. Für die Anwohner kein Thema, die allermeisten gehen sowieso zu Fuß,
besitzen gar kein Auto. Einige haben Fahrräder, manche ein Motorrad.
Bald ist auch für den stärksten Vierradantrieb
Schluss. Sackgasse. Die Piste endet genau am Haus von Theonest Mbarushimana.
Mit dem 41-Jährigen bin ich verabredet. In der Gegend nennen ihn alle nur Theo,
den Ofenbauer. Mit ihm geht es jetzt nur noch zu Fuß weiter. Theo schleppt auf
einer Schulter einen kreisrunden, ausgehöhlten Klotz aus getrocknetem Lehm. Das
wird später die Feuerstelle eines Küchenofens. Das Einbauteil aus einer
Spezialfabrik dürfte rund 12 Kilogramm schwer sein. Damit läuft Theo jetzt mit
ziemlichem Tempo los.
Dabei trägt er grellgrüne Plastiklatschen. Ich
bin gut ausgestattet mit festen Schuhen und habe Mühe, ihm zu folgen auf dem
holperigen Pfad, bergauf, vorbei an vereinzelten Lehmhütten, an Ziegen, die
angebunden am Weg grasen. Einmal macht Theo kurz Rast, dann geht es weiter.
Schließlich nach etwa vier Kilometern, das hatte er vorher angekündigt, “it is
not far” – es ist nicht weit, biegt er zwischen zwei Häusern ein, steigt die
kleine Böschung hinab und betritt einen schmalen Innenhof. Schon gestern hatte
er ein gleiches Bauteil hierhergeschleppt. Wir haben die Baustelle erreicht.
Das Haus von Felicy und ihrem Mann Fabien. Zur Familie gehören noch fünf Kinder
zwischen fünf und 16 Jahren. Hier wird Theo heute mit dem Bau eines neuen
Küchenherdes beginnen. Ein hochmodernes Gerät, das sogar von einer ruandischen Behörde,
eine Art TÜV, geprüft und zertifiziert wurde. Ein Hoch-Effizienz-Herd mit
verblüffenden Eigenschaften. Fabien berichtet, wie es zu diesem Bauvorhaben
kam.
O-Ton Fabien Harerimana
SPRECHER (OVERVOICE): Ich
habe von dieser Erfindung gehört. Damit soll das Kochen schneller gehen. Darum
habe ich in der Kirche gefragt, ob wir auch so einen Herd bekommen können.
Autor: In der Kirche
deshalb, weil diese neuartigen Küchenöfen von einer kirchlichen
Entwicklungsorganisation verteilt und installiert werden. RDIS – Rural
Development Interdiocesan Service kümmert sich um die Entwicklung auf dem Land,
getragen von vier anglikanischen Diözesen in Ruanda. Hauptanliegen: Schutz von
Umwelt und Klima, Beseitigung der Armut und Verbesserung der Gesundheit der
Menschen.
Die Hoch-Effizienz-Küchenherde sind dabei ein
Baustein.
Felicy, für die Theo den Herd baut, ist
gespannt, wie ihre Küche bald ganz anders funktioniert.
O-Ton Felicy Mukabenda
SPRECHERIN (OVERVOICE): Ich
freue mich sehr auf den neuen Ofen. Mit den zwei Feuerstellen wird das Kochen
viel einfacher. Zum Beispiel kann ich Reis und Soße dazu gleichzeitig kochen.
Und der Ofen macht nicht mehr soviel Rauch. Das ist gut für die Luft und für
meinen Atem.
Autor: Der neue Herd
arbeitet nach einem genial einfachen Prinzip, der Luftzug wird optimal
gesteuert. Dadurch wird weniger Holz gebraucht und mehr Hitze erzeugt. Nachdem
Theo mit 40 Lehmziegeln den Korpus des Herdes gemauert hat und die beiden
Einbauteile, die Herzstücke des Ofens mit der Wasserwaage eingemessen hat,
macht er für heute Feierabend. Die Konstruktion muss ein paar Tage
durchtrocknen, um stabil zu sein.
Welchen Fortschritt ein solch neuer Herd
bedeutet, kann man gleich in der Nachbarschaft erleben. Im angrenzenden Haus
wohnt Florence mit zwei Kindern.
In ihrer Küche steht noch eine traditionelle
Feuerstelle, drei Steine auf dem Boden, dazu ein Feuer, obendrauf ein Topf. So
wurde es seit Jahrhunderten gemacht. In dieser Küche gibt es nur ein winziges
Fenster als Abzug. Florence beschreibt die Lage:
O-Ton Florence
SPRECHERIN (OVERVOICE): Diese
Feuerstelle macht viel Rauch im Raum. Davon bekommen meine Kinder und ich oft
Kopfschmerzen. Ich wünsche mir so sehr einen Herd, wie meine Nachbarin ihn
bekommt. Ich könnte den Ofen auch in Raten abbezahlen.
Autor: Ich kann an
ihren Augen erkennen, welche Belastung die alte Art des Kochens jeden Tag für
sie ist. Ihre Augen tränen, es sieht aus, als würde sie weinen.
In Ruanda kochen noch rund 80 Prozent aller
Familien auf dem Land mit offenem Feuer, eine lange übersehene Gefahr für die
Luft und die Gesundheit.
Auf dem Pfad vor dem Dorf begegne ich einer
etwa vierzigjährigen Frau, sie trägt auf dem Kopf drei armdicke Äste, jeder
ungefähr zwei Meter lang. Eric, mein Begleiter von der Entwicklungsorganisation
RDIS, fragt sie, woher sie das Holz denn geholt habe. Die Frau legt die drei
Stämme mit einem Schnaufen auf dem Boden ab und stellt sich dann als Pascaziz
Mukankuzi vor.
O-Ton Pascaziz
im Hintergrund
Autor: Sie holt das
Brennholz bei einem Händler, sagt sie, das ist ungefähr zwei Kilometer von
hier. Als wir nachfragen, wie sie kocht, erzählt sie stolz, dass sie seit ein
paar Wochen einen neuen Küchenofen hat. Der funktioniert gut. Früher haben drei
solche Stämme höchstens für drei Tage gereicht. Jetzt kommt sie damit eine
Woche aus.
Pascaziz möchte, dass ich mir den Superherd
angucke. Wir gehen zusammen die restlichen etwa zweihundert Meter zu ihrem
Haus. Dort nimmt ihr 15-jähriger Sohn Sam, noch in Schuluniform, der Mutter die
Äste ab und beginnt, sie mit der Machete zu Kleinholz zu verarbeiten. Dann
zünden sie in der Küche den Herd an, der tatsächlich ziemlich bald ziemlich gut
brennt. Pascaziz erwähnt, dass sie fürs Holz jetzt nur noch die Hälfte an Geld
verbraucht. Umgerechnet einen Euro pro Woche. Die alleinerziehende Mutter kann
das gesparte Geld gut gebrauchen.
O-Ton (Musik): “Inuma”;
Komponist Kizito Mihigo; Interpret: Kizito Mihigo.
Autor: Nach einem anstrengenden
Fußmarsch und einer abenteuerlichen Autofahrt zurück bin ich am Abend mit dem
Generalsekretär von RDIS, Viateur Ntarindwa verabredet. Er führt all die
Vorzüge an, die sich aus dem intelligenten Küchenofenprogramm seiner
Organisation ergeben:
O-Ton Viateur Ntarindwa
SPRECHER (OVERVOICE): Hier
kämpfen die Menschen darum, genug zu essen zu haben. Sie müssen hart dafür
arbeiten, das Schulgeld für ihre Kinder bezahlen zu können, um ihre
Lebensbedingungen zu verbessern.
Das Ofen-Projekt trägt dazu bei, Armut zu
beseitigen. Das Holz, das früher in einem Monat verbraucht wurde, reicht jetzt
für drei Monate. Das spart Geld und Holz und schützt die Umwelt.
Wir waren daran gewöhnt so viele Bäume zu
fällen, um Essen zuzubereiten und Trinkwasser abzukochen.
Die Folgen sind überall zu sehen in Ruanda.
Wir haben Kahlschlag und dadurch eine starke Bodenerosion.
Autor: Immer wieder
gibt es in der Regenzeit verheerende Überschwemmungen. Der Boden kann
plötzliche Wolkenbrüche nicht mehr aufnehmen. Fruchtbare Erde wird
weggeschwemmt. Es kommt zu Erdrutschen und auch zu Todesopfern.
Am darauffolgenden Sonntag bin ich zu Gast im
Gottesdienst der anglikanischen Gemeinde in Gitarama. Hier treffe ich auch Theo
wieder, diesmal mit seiner ganzen Familie.
Ruanda ist ein überwiegend christliches Land,
rund 45 Prozent Katholiken, 35 Prozent protestantische Konfessionen und fünf
Prozent Muslime.
Die anglikanische Kirche macht mit rund 1,3
Millionen Gläubigen ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung des Landes aus. Eine
Minderheit, aber in Sachen Umweltbewusstsein wollen sie ein Vorbild sein.
Bischof Assiel Musabyimana gehört zum Aufsichtrat der Entwicklungsorganisation.
O-Ton Assiel Musabyimana
SPRECHER (OVERVOICE): Wir
glauben, dass es gut für Christen, einen Pastor oder einen Bischof ist, die
Schöpfung zu beschützen. Denn alles, was wir auf der Erde haben, gehört Gott.
Und wir gehören auch zu Gott. Und erinnern Sie sich, als Gott Adam und Eva ins
Paradies gesetzt hat, sagte er, sie sollten die Schöpfung nutzen, sie
bearbeiten und bewahren.
Wir sind also nur die Hüter der Erde, sie
gehört uns nicht. Deshalb haben wir diesen Auftrag, die Umwelt zu schützen,
Gottes Erde zu behüten.
Autor: Eigentlich sind
es zwei Bibelstellen auf die sich Bischof Assiel im Interview bezieht. Beide in
der Genesis, dem ersten Buch Mose. Da wird im ersten Kapitel (Gen 1,27.28)
erzählt, dass Gott den Menschen schuf, zum Bilde Gottes und zwar als Mann und
Frau. Dann werden die Beiden gesegnet und erhalten den Auftrag, fruchtbar zu
sein, sich zu mehren, die Erde zu füllen und sie sich untertan zu machen.
Inzwischen gilt als gängige Lehrmeinung, dass die Menschen sich die Erde
selbstverständlich nicht unterwerfen sollen, sondern sie wie ein wertvolles
Geschenk pflegen und schützen sollen. Bischof Assiel benutzt die englische
Formulierung: we are stewards for this world. Das lässt sich am besten mit wir
sind Hüter der Schöpfung übersetzen.
Im sogenannten zweiten Schöpfungsbericht im
Buch Genesis (Gen 2,7-15) wird erzählt, wie Gott den Menschen erschafft. Diesen
einen Menschen setzt Gott in einen Garten in Eden. Eden wird dann als ziemlich
prachtvoll, fruchtbar und reich beschrieben, also ein echtes Paradies. Als Ziel
wird auch hier formuliert, dass Gott den Menschen in diesen Garten setzt, damit
er in bebaue und bewahre.
In diesen Schöpfungsberichten der Bibel sind
die zentralen Begriffe genannt, die für Bischof Assiel und seine anglikanischen
Gemeinden in Ruanda den Auftrag begründen, die Umwelt zu schützen und Gottes
Erde wie ein Geschenk behutsam zu behandeln.
Die ruandischen Christen schließen übrigens
bei dem Gedanken eines pfleglichen Umgangs mit der Umwelt ihre Nachbarn, Fremde
und Bekannte mit ein. Wenn ich den Baum, die Ziege, die Avocado und das Schwein
freundschaftlich behandele, tue ich das doch erst recht bei meinen Mitmenschen,
sagen sie. Wenn du in Frieden mit der Natur lebst, hast du auch Frieden mit den
Menschen.
O-Ton (Musik):
“Umuijinya mwiza”; Komponist
Kizito Mihigo; Interpret: Kizito Mihigo.
Autor: Den Kampf gegen
die Zerstörung der Umwelt nehmen sie in Ruanda nicht nur als eines der ärmsten
Länder der Erde auf sondern auch als ein Land mit einem fürchterlichen Ereignis
in der jüngeren Geschichte. Darauf bezieht sich der Sänger Kizito Mihigo in
zahlreichen seiner über 400 Kompositionen. Mit diesem Lied will Kizito Mihigo
Menschen ermutigen, selbstbewusst zu sein, andere aber nicht als Gegner oder
Feind zu sehen. Das Lied bezieht sich auf den Völkermord im Jahr 1994. In
gerade mal drei Monaten wurden schätzungsweise zwischen 800 000 und einer
Million Menschen umgebracht. Die Täter waren Hutus, Mitglieder der
Bevölkerungsmehrheit, angestachelt von einer regierungsamtlichen Hasspropaganda
gegen Tutsis und gemäßigte Hutus. In den 28 Jahre seitdem hat die heute von
Tutsis dominierte Regierung verfügt, es gebe keine unterschiedlichen
Volksgruppen mehr sondern nur noch Ruander. Der Sänger Kizito Mihigo will
dieses Gemeinschaftsgefühl stärken und auch nichts von Spaltungen zwischen
christlichen Konfessionen wissen. Er hat für Katholiken und Presbyterianer,
Anglikaner und Adventisten gesungen. Wenn jeder mit dem Herzen seiner Berufung
folgt, dann werden alle gemeinsam Versöhnung erreichen, das war seine
Überzeugung nach dem Genozid in seinem Land. (Musik hier abblenden)
Die Themen der Musikstücke, die wir hier von
dem Künstler Kizito Mihigo gehört haben, Vergebung, Ermutigung, Frieden gelten
für die Geschichte und Gegenwart Ruandas. Nach dem Genozid mussten
hunderttausende Familien bereit sein, den Tätern zu vergeben und die Täter
waren oft Nachbarn, Bekannte, frühere Freunde. Die Täter mussten lernen, um
Vergebung zu bitten bei Familien, in denen sie unbeschreibliches Leid
angerichtet hatten.
Die Stichworte aus den Texten Kizito Mihigos
gelten aber auch für das Verhältnis der Ruander zu ihrer Umwelt, zum Klima. Sie
bitten die Schöpfung um Vergebung, weil sie sie geschädigt und ausgebeutet
haben. Dabei muss man herausstreichen, der sogenannte “ökologische Fußabdruck”
der Ruander ist winzig im Vergleich zu uns Deutschen. Weltweit gehört Ruanda zu
den Ländern mit dem geringsten Energieverbrauch. Pro-Kopf ist jeder der 13
Millionen Einwohner nur für etwas mehr als 0,07 Tonnen CO2-Emissionen im Jahr
verantwortlich. Jeder einzelne Mensch in Deutschland steht für über acht Tonnen
CO2-Emissionen. Da ist es bemerkenswert, dass sie in Ruanda viel leisten, um
ihren Anteil an den Emissionen sogar noch zu verringern. Sie verstehen das als
Weg, auf dem sie Frieden stiften mit der Natur, mit der Schöpfung.
Bei der Entwicklungsorganisation RDIS ist
Generalsekretär Viateur Ntarindwa froh, dass die Verbindung nach Deutschland
hält – auch in düsteren Zeiten.
O-Ton Viateur Ntarindwa
SPRECHER (OVERVOICE): Unsere Partner, besonders die Vereinte Evangelische
Mission und Brot für die Welt, wissen genau, welches die drängendsten Probleme
für die Menschen hier in Ruanda sind.
Obwohl sie die Folgen des Krieges in der Ukraine in Europa hautnah erleben,
unterstützen sie unsere Projekte weiterhin finanziell.
Autor: Auf mich als
Besucher wirkt Ruanda heute friedlich, vielleicht haben die Menschen
tatsächlich die Feindschaft zwischen den sogenannten Ethnien der Hutus und
Tutsis überwunden.
Ruanda wirkt aber auch friedlich, weil viele
Menschen bewusst und behutsam mit ihrer Umwelt umgehen. Wenn Theo keine
Hoch-Effizienz-Herde installiert, bebaut er einen kleinen Garten an seinem
Haus, Bohnen, Avocados, ein paar Bananenpalmen. Vom Ofenbau allein kann er mit
seiner fünfköpfigen Familie nicht leben. Aber mit jedem Ofen, den er baut,
trägt er beharrlich dazu bei, die Belastung von Klima und Gesundheit ein
kleines bisschen mehr zu mildern.
O-Ton (Musik): “Arc
en ciel” Komponist Kizito Mihigo; Interpret: Kizito Mihigo.
Autor (overvoive):
Mich beeindruckt, wie sie das tun in Ruanda, obwohl sie arm sind. Kizito Mihigo
besingt, diesmal auf französisch, den Regenbogen als Zeichen der Hoffnung.
Ich bin Udo Kilimann aus Essen und wünsche
ihnen einen Sonntag voller Zuversicht.
O-Ton (Musik): “Arc
en ciel” (Fortsetzung)
Redaktion: Landpfarrer Dr. Titus Reinmuth