Guten Morgen!
Gibt es eine Lehrerin, einen Lehrer, an die Sie bis heute immer wieder mal
denken müssen? Weil sie Ihnen etwas ganz Wichtiges mit auf den Weg gegeben haben?!
Martin Kähler ist so ein theologischer Lehrer gewesen – bis heute prägt er
Generationen von Pfarrerinnen und Pfarrern. Denn er hat selbst etwas Wichtiges gefunden
– und ist dabei aber nie stehen geblieben. Er hat immer weiter gesucht.
1835 wird Martin Kähler in einem ostpreußischen Pfarrhaus geboren. Ihm
ist lange Zeit überhaupt nicht klar, was er mit seinem Leben anfangen soll.
Mit elf Jahren hat er schon alle Dramen und Balladen von Schiller gelesen.
Er lernt schnell und gut – aber was soll er mit sich und seinem Talent
anfangen? Nach der Schule beginnt er zunächst mit dem Jura–Studium. Er erkrankt
schwer an Typhus und ist bettlägerig. Er hat Zeit, und die Frage drängt sich
ihm auf: Was möchte ich mit meinem Leben wirklich anfangen. Er beginnt, sich
mit geistlichen Liedern zu beschäftigen. Schließlich reift der Entschluss: Er wird
Theologie studieren. Zu der Zeit, als Martin Kähler studiert, gibt es in der
Theologie eine große Frage: Was können wir wissenschaftlich genau über Jesus
aus der Bibel erfahren – und im Laufe der Zeit wird immer klarer: nichts
Genaues, denn die Antwort hängt von den Personen ab, die die Frage stellen.
Jeder spiegelt in seiner Antwort die eigenen Voraussetzungen und Vorlieben
wider.
Bevor Martin Kähler selbst theologischer Lehrer an der Universität Halle
wird, hat er einige Jahre lang Theologiestudenten in einem Studentenheim
seelsorgerich begleitet. Sie fragen sich: Was soll ich mit meinem Leben, mit
meinen Gaben anfangen? Wozu bin ich da? Was ist meine Identität? Fragen, die
Martin Kähler nur zu gut kennt. Für seine Identität ist der Glaube wichtig. Und
die Frage: Wer ist Jesus eigentlich? Ist Jesus wirklich der, von dem im Neuen
Testament der Bibel berichtet wird – oder ist er vielleicht noch ganz anders
gewesen? Was waren wirklich seine Anliegen? Was können wir aus den
verschiedenen Berichten des Neuen Testamentes Zuverlässiges über Jesus
erfahren? Sind die Berichte in der Bibel nicht alle selbst schon von bestimmten
Interessen gefärbt, von denen, die die Geschichten und Berichte aufgeschrieben
haben? Werden in den Predigten nicht auch die Vorlieben und Themen der
unterschiedlichen Priester, Pfarrerinnen und Pfarrer zu hören sein? Weil jeder
Jesus so sieht, wie er oder sie es gerade haben möchte?
Martin Kähler ist nicht für schnelle Antworten zu haben. Aber er weiß,
dass es da eine Identität gibt – auch wenn sie nicht auf den ersten Blick zu
erkennen ist – weil so viel Widersprüchliches, gegensätzliches in einer Person
– auch in der Person Jesu zu finden ist. Aber je länger je mehr ist er davon
überzeugt und kann auch andere davon überzeugen: Jesus, wie er gelebt hat, wie
er im Neuen Testament beschrieben wird und der, von dem auf so verschiedene
Weise in den Kirchen gesprochen wird – das ist derselbe. Es gibt sie – die
Identität Jesu. Und Kähler weiß: Je mehr ich mich mit ihm beschäftige, je
genauer ich danach frage: „Was willst du eigentlich, Jesus?“, desto klarer wird
mir selbst, was ich will, wofür ich da bin, was ich mit meinem Leben anfangen
soll. Ich lerne am Beispiel – und werde dabei wunderbar geführt – und werde
mehr und mehr der Mensch, den Gott sich ausgedacht hat. Diese Erfahrung machen
bis heute Menschen, die sich auf die Erkenntnisse von Martin Kähler einlassen.
Darum wird im Evangelischen Namenskalender an diesen besonderen Lehrer der
Kirche gedacht.
Einen erfüllten
Tag wünscht Ihnen Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus
Lübbecke.
Quellen:
Jörg Erb, Wolke der Zeugen, Verlag,
Ort, Jahr, Bd. 4, S. 425 – 431.
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Kähler,
zuletzt abgerufen am 26.08.22
Redaktion: Landespfarrerin Petra
Schulze
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