Guten Morgen.
Mit meiner Seele geht es mir
wie mit meinen Zähnen. Ich muss sie regelmäßig putzen.
Sonst spüre ich sehr bald die
Folgen.
Es sind einfach zu viele
Dinge, die ich täglich aufnehme, die mich innerlich beschäftigten.
Morgens die Nachrichten im
Radio, der Zeitung.
Probleme bei der Arbeit –
irgendetwas ist immer. Habe ich mich selbst richtig verhalten? Wie läuft es bei
den Kindern in der Schule, im Studium? Was wird aus den Eltern, jetzt, wo sie
alt sind, Pflege brauchen? Und wo stehe ich eigentlich selber gerade?
Das alles beschäftigt mich,
arbeitet tief in mir und legt sich wie eine Art Sorgen-Plaque auf mein
Innerstes.
Mit der Gefahr von Karies,
entzündetem Seelenfleisch im übertragenen Sinne.
Auch bei der Seele hilft da
nur: Putzen. Regelmäßig putzen.
Hier ein paar Dinge, die mir
beim Seele-Putzen helfen:
Lesen –
konzentriert allein sein, der Welt den Rücken zuwenden und den Gedanken eines
anderen Menschen folgen.
Manchmal reicht mir dazu ein
Wort aus der Bibel am Morgen.
Manchmal brauche ich mehr: ein berührendes Buch, einen guten Roman.
Kein Tag ohne einen guten
Text.
Dann: Sport.
Ein, zwei Stunden nicht
denken, sondern nur mich bewegen, anstrengen, atmen, mich auspowern,
durchhalten, schwitzen.
Es hilft meiner Seele, wenn
ich mich um meinen Körper kümmere.
Oder: Beten
– still werden, mit Gott ins Gespräch kommen. Danken, klagen, bitten.
Mein Leben aus einer anderen
Perspektive wahrnehmen – zum Beispiel als eine wunderschöne Gabe auf Zeit. Im
Horizont der Ewigkeit Gottes.
All das verändert meine
Gedanken-Kreisläufe, hilft mir aus Sorgen-Spiralen heraus.
Ganz wichtig für die Seele: Freundschaften
– Gespräche mit guten, alten Freundinnen und
Freunden, die mich schon länger kennen.
Bei denen ich nicht
irgendeine Rolle spielen muss.
Die mich lesen können, auch
zwischen den Zeilen dessen, was ich sage.
Die mir Gutes wollen. Freunde
sind Menschen, bei denen etwas tief in mir lächelt.
Wichtig für meine Seele ist der Gottesdienst – klingt fromm, klar, ich bin Pfarrer. Aber das tut
wirklich gut, mir zumindest. Mit anderen zusammenkommen, gemeinsam schweigen,
singen, beten, eine gute Predigt hören, am Ende mit einem Segen nach Hause
gehen. Oft kenn ich die Leute neben mir nicht. Und doch erfahre ich in tiefer
Weise eine Gemeinschaft Ein Stück Heimat und Aufbruch zugleich.
Aufatmen, den Staub von der Seele putzen kann ich auch
gut beim Wandern – vor allem in den
Bergen. Etwa in den Alpen, das rückt manche Dimensionen heilsam zurecht. Meine
Füße bekommen Arbeit, damit es hinten in meinem Kopf frei wird.
Manche nennen das Pilgern.
Beten mit den Füßen.
Die eigene Seele putzen. Wie
machen Sie das? Schreiben Sie mir gerne Ihre Erfahrungen.
Ich bin gespannt. Ihnen einen
guten, gesegneten Tag.
Ihr Thorsten Latzel, Präses
der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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