Die Seele putzen

Kirche in WDR3 | 02.06.2023 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

Mit meiner Seele geht es mir

wie mit meinen Zähnen. Ich muss sie regelmäßig putzen.

Sonst spüre ich sehr bald die

Folgen.

Es sind einfach zu viele

Dinge, die ich täglich aufnehme, die mich innerlich beschäftigten.

Morgens die Nachrichten im

Radio, der Zeitung.

Probleme bei der Arbeit –

irgendetwas ist immer. Habe ich mich selbst richtig verhalten? Wie läuft es bei

den Kindern in der Schule, im Studium? Was wird aus den Eltern, jetzt, wo sie

alt sind, Pflege brauchen? Und wo stehe ich eigentlich selber gerade?

Das alles beschäftigt mich,

arbeitet tief in mir und legt sich wie eine Art Sorgen-Plaque auf mein

Innerstes.

Mit der Gefahr von Karies,

entzündetem Seelenfleisch im übertragenen Sinne.

Auch bei der Seele hilft da

nur: Putzen. Regelmäßig putzen.

Hier ein paar Dinge, die mir

beim Seele-Putzen helfen:

Lesen –

konzentriert allein sein, der Welt den Rücken zuwenden und den Gedanken eines

anderen Menschen folgen.

Manchmal reicht mir dazu ein

Wort aus der Bibel am Morgen.

Manchmal brauche ich mehr: ein berührendes Buch, einen guten Roman.

Kein Tag ohne einen guten

Text.

Dann: Sport.

Ein, zwei Stunden nicht

denken, sondern nur mich bewegen, anstrengen, atmen, mich auspowern,

durchhalten, schwitzen.

Es hilft meiner Seele, wenn

ich mich um meinen Körper kümmere.

Oder: Beten

– still werden, mit Gott ins Gespräch kommen. Danken, klagen, bitten.

Mein Leben aus einer anderen

Perspektive wahrnehmen – zum Beispiel als eine wunderschöne Gabe auf Zeit. Im

Horizont der Ewigkeit Gottes.

All das verändert meine

Gedanken-Kreisläufe, hilft mir aus Sorgen-Spiralen heraus.

Ganz wichtig für die Seele: Freundschaften

– Gespräche mit guten, alten Freundinnen und

Freunden, die mich schon länger kennen.

Bei denen ich nicht

irgendeine Rolle spielen muss.

Die mich lesen können, auch

zwischen den Zeilen dessen, was ich sage.

Die mir Gutes wollen. Freunde

sind Menschen, bei denen etwas tief in mir lächelt.

Wichtig für meine Seele ist der Gottesdienst – klingt fromm, klar, ich bin Pfarrer. Aber das tut

wirklich gut, mir zumindest. Mit anderen zusammenkommen, gemeinsam schweigen,

singen, beten, eine gute Predigt hören, am Ende mit einem Segen nach Hause

gehen. Oft kenn ich die Leute neben mir nicht. Und doch erfahre ich in tiefer

Weise eine Gemeinschaft Ein Stück Heimat und Aufbruch zugleich.

Aufatmen, den Staub von der Seele putzen kann ich auch

gut beim Wandern – vor allem in den

Bergen. Etwa in den Alpen, das rückt manche Dimensionen heilsam zurecht. Meine

Füße bekommen Arbeit, damit es hinten in meinem Kopf frei wird.

Manche nennen das Pilgern.

Beten mit den Füßen.

Die eigene Seele putzen. Wie

machen Sie das? Schreiben Sie mir gerne Ihre Erfahrungen.

Ich bin gespannt. Ihnen einen

guten, gesegneten Tag.

Ihr Thorsten Latzel, Präses

der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/61169_WDR3520230602Latzel.mp3

  • 2.6.2023
  • Thorsten Latzel
  • © CCO Pixabay
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