Ich
wünsche mir mehr Frieden. Und zwar nicht nur, wenn ich in die Nachrichten sehe,
sondern auch wenn ich in den Spiegel schaue. Mir ist schon länger klar, dass
ich mit meinem Körper immer unzufrieden war. Aber ich habe nicht so klar
formulieren können, dass ich meinen Körper als meinen Feind empfinde. Rückblickend
ist das so, seit ich denken kann. Seit meinem zweiten Lebensjahr habe ich Neurodermitis,
eine Hautkrankheit. Ständig juckt es, im Gesicht, am Hals. An den Händen und Armen sind immer tiefe
Wunden. Ich hab` so gekämpft, dass es besser wird. Vor allem habe ich auf so
viele Lebensmittel verzichtet. Erst mit 14 Jahren habe ich angefangen,
Süßigkeiten zu essen. Der Trost der Schokolade ist ein kurzer, durch sie habe
ich ganz schön viel zugenommen … da wollte ich mich noch weniger zeigen, vor
allem in dem Alter …
Meine
Hautkrankheit ist nur eine der Waffen, mit denen mein Körper mir meine
Lebensfreude sanktioniert. Beim Anblick meiner Krankenakte breitet sich in mir
das Gefühl aus, dass mein Körper feindliches Gebiet ist, dass ich bekämpfen
oder mir zumindest erobern muss. Und es überrascht mich auch nicht, dass ich
ihn auch so behandele. Wie einen Feind. Natürlich weiß ich, dass das nicht gut
ist. Natürlich höre ich überall in den Medien und von Freunden und Ärztinnen,
dass ich mich selbst lieben muss, auch und vor allem meinen Körper. Aber so
einfach ist das für mich nicht – und für viele andere auch nicht. Ich bin nun
mal nicht ständig verliebt in diesen Organapparat, der mir mein Leben
ermöglicht. „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst“ hin oder her, mein
Körper und ich werden nie ein Leib und eine Seele sein. Mir ist klar, dass mein
Körper und ich nicht zu trennen sind. Ohne ihn gibt es mich nicht, habe ich
kein Leben, keine Gefühle, keine Gedanken. Und doch ist mir mein Körper ein
Gegenüber. Und das ist meine Chance. Ich kann mich entscheiden, ob ich seine
Feindin bleiben möchte, oder ob ich seine Freundin werden will. Ich ahne, es wird
keine einfache Beziehung, aber ich will es unbedingt versuchen, meinen Körper
zu verstehen, mit ihm Zeit zu verbringen und ihm Gutes zu tun. Vermutlich wird
es oft eine einseitige Freundschaft, aber ich sehe keinen anderen Weg, um mit
meinem Körper zufrieden zu sein. Vermutlich finde ich meinen Körper immer noch
nicht toll, aber ich habe die Hoffnung, dass ich dann anders leben werde. Mich
nicht nur verstecken will, nicht mehr so aggressiv gegen etwas kämpfe, was zu
mir gehört, sondern meine eigenen Wunden verbinde und mich so mit meinem Körper
versöhne.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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