Mein Körper - Feindschaft oder Freundschaft?

Kirche in WDR2 | 22.10.2022 | 00:00 Uhr

Ich

wünsche mir mehr Frieden. Und zwar nicht nur, wenn ich in die Nachrichten sehe,

sondern auch wenn ich in den Spiegel schaue. Mir ist schon länger klar, dass

ich mit meinem Körper immer unzufrieden war. Aber ich habe nicht so klar

formulieren können, dass ich meinen Körper als meinen Feind empfinde. Rückblickend

ist das so, seit ich denken kann. Seit meinem zweiten Lebensjahr habe ich Neurodermitis,

eine Hautkrankheit. Ständig juckt es, im Gesicht, am Hals. An den Händen und Armen sind immer tiefe

Wunden. Ich hab` so gekämpft, dass es besser wird. Vor allem habe ich auf so

viele Lebensmittel verzichtet. Erst mit 14 Jahren habe ich angefangen,

Süßigkeiten zu essen. Der Trost der Schokolade ist ein kurzer, durch sie habe

ich ganz schön viel zugenommen … da wollte ich mich noch weniger zeigen, vor

allem in dem Alter …

Meine

Hautkrankheit ist nur eine der Waffen, mit denen mein Körper mir meine

Lebensfreude sanktioniert. Beim Anblick meiner Krankenakte breitet sich in mir

das Gefühl aus, dass mein Körper feindliches Gebiet ist, dass ich bekämpfen

oder mir zumindest erobern muss. Und es überrascht mich auch nicht, dass ich

ihn auch so behandele. Wie einen Feind. Natürlich weiß ich, dass das nicht gut

ist. Natürlich höre ich überall in den Medien und von Freunden und Ärztinnen,

dass ich mich selbst lieben muss, auch und vor allem meinen Körper. Aber so

einfach ist das für mich nicht – und für viele andere auch nicht. Ich bin nun

mal nicht ständig verliebt in diesen Organapparat, der mir mein Leben

ermöglicht. „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst“ hin oder her, mein

Körper und ich werden nie ein Leib und eine Seele sein. Mir ist klar, dass mein

Körper und ich nicht zu trennen sind. Ohne ihn gibt es mich nicht, habe ich

kein Leben, keine Gefühle, keine Gedanken. Und doch ist mir mein Körper ein

Gegenüber. Und das ist meine Chance. Ich kann mich entscheiden, ob ich seine

Feindin bleiben möchte, oder ob ich seine Freundin werden will. Ich ahne, es wird

keine einfache Beziehung, aber ich will es unbedingt versuchen, meinen Körper

zu verstehen, mit ihm Zeit zu verbringen und ihm Gutes zu tun. Vermutlich wird

es oft eine einseitige Freundschaft, aber ich sehe keinen anderen Weg, um mit

meinem Körper zufrieden zu sein. Vermutlich finde ich meinen Körper immer noch

nicht toll, aber ich habe die Hoffnung, dass ich dann anders leben werde. Mich

nicht nur verstecken will, nicht mehr so aggressiv gegen etwas kämpfe, was zu

mir gehört, sondern meine eigenen Wunden verbinde und mich so mit meinem Körper

versöhne.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59458_WDR220221022Berger.mp3

  • 22.10.2022
  • Katrin Berger
  • © CCO Pixabay
Downloads