Dankbarer Luther

Kirche in WDR3 | 06.10.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Fünf Uhr, sechs Uhr, sieben

Uhr – einmal, zweimal, dreimal – wann und wie oft klingelt bei Ihnen morgens

der Wecker? Die Gewohnheiten sind da verschieden. Die einen sitzen gleich beim

ersten Piep aufrecht auf der Bettkante, andere langen verschlafen nach der

Schlummertaste und gönnen sich fünf oder zehn Extraminuten. Die Dritten werfen zornig

mit dem Kissen nach der morgendlichen Quälmaschine. Und manche könnten ihren

Wecker gern gleich auf den Flohmarkt tragen, sind jeden Morgen vor der Zeit

mehr oder weniger munter. So weit, so verschieden. Es folgen die üblichen

Dinge. Aufstehen, ab ins Bad, Zähne putzen, duschen, der Versuch, Haare und

Gesicht in Form zu bringen, Kleidung wählen, überziehen, und schon geht’s zum

Frühstück. Der Tag kann beginnen.

Im Inneren freilich hat er

das längst. Mitunter mitten in der Nacht. Was gibt’s heute zu tun, wo geht es

hin, wie komme ich da durch – und warum, warum muss das alles sein, ist doch

alles zu viel, hat doch eh keinen Sinn. Und bringt mich jetzt schon um den

Schlaf. Wenn der nächste Tag dir nachts schon auf die Pelle rückt, wird es

meistens finster.

„Ich danke dir, mein

himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese

Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast.“

Hat Martin Luther gebetet. Einen

Wecker kannte er nicht, und das Zähneputzen war ihm so fremd wie Shampoo oder Duschkabinen.

Vor 500 Jahren fing der Morgen noch anders an als heute. Einen guten Rat aber,

eine heilsame Empfehlung hat Martin Luther hinterlassen. In seinem „Morgensegen“.

„Des Morgens, wenn du

aufstehst, kannst du dich segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes…“, so

fängt das an bei Luther. Glaubensbekenntnis und Vater unser vorneweg – und dann

folgt dieser erste Satz, zu beten empfohlen: „Ich danke dir, mein himmlischer

Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor

allem Schaden und Gefahr behütet hast.“

Bevor du nach vorn siehst, bevor

du deinen Blick dem neuen Tag zuwendest und dich um ihn sorgst: Halt erst

einmal inne, kurz, und wende deinen Blick zurück auf diese Nacht. Und sei

dankbar. Sag Dank. Dass du ohne Schaden und Gefahr erwachen, die Augen öffnen

und aufstehen durftest. Jedenfalls wenn es so ist – denke daran und danke

dafür.

Ein Zauberspruch ist Luthers

Morgensegen sicher nicht. Gott bewahre. Schlechte Tage und üble Launen sind von

ihm überliefert. Aber davon bin ich überzeugt: Wo der Dank für die Nacht, der

Dank für das Erwachen und den neuen Tag so selbstverständlich ist wie

Zähneputzen und Kämmen, da kriegt dein Tag ein Plus vor die Klammer, steht vor

allem ein dankbares Vorzeichen. Probieren Sie’s aus. Den Wecker müssen Sie deshalb

nicht vorstellen – der Dank braucht keine fünf Minuten. Wirkt aber nach fürs

ganze Leben.

Ihr Ulf Schlüter, Bielefeld.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59351_WDR3520221006Schlueter.mp3

  • 6.10.2022
  • Ulf Schlüter
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