Guten
Morgen!
Meine
Mutter fand meinen Vater langweilig.
Aber
nur, wenn´s um die Musik ging.
Mein
Vater war ein großer Fan von den Beatles.
Meine
Mutter fand die Rolling Stones besser.
Und
überhaupt.
Sie
liebt’s bis heute, wenn’s fetzt. Ich auch.
Mein
Vater, war für die nachdenklichen Töne zu haben.
Seine
Beatles-Platten hat mein Vater irgendwann auf Kassetten überspielt
und
nur noch auf Dienstreisen gehört.
Zuhause
lief unsere Musik,
nicht
seine.
Umso
erstaunter war ich, als ich vor ein paar Wochen
eine
Wäschekiste mit Platten von zuhause mitnehmen sollte.
„Sind
glaube ich auch ein paar von Papa dabei,
ich
hab‘ aber ja keinen Plattenspieler mehr,
du
schon“, so die Erklärung meiner Mutter zur Wäschekiste.
Tatsächlich
habe ich darin auch Beatles-Platten gefunden:
Abbey
Road, The
white Album, …
Natürlich
habe ich reingehört
in Papas
Herzmusik.
Ein
Songtext geht mir nicht aus dem Kopf:
„When
I’m sixty-four.“ Wenn ich 64 bin.
Musik:
„give me your answer, fill
in a form
mine for evermore
will you still need me, will you still feed me
when I?m sixty-four?“
1967
– als
der Song auf der Platte Sgt. Peppers Lonley Hearts Club Band erscheint –
ist
mein Vater 17.
Ob er
sich da schon Gedanken gemacht hat, wie das ist,
wenn
er 64 Jahre alt ist,
ob
sein Mädchen ihn dann langweilig findet und verlässt,
oder
ob sie bei ihm bleibt?
Davon
jedenfalls singen die Beatles. Von der Frage:
Ob da
noch was bleibt, ob man noch gebraucht wird
und
ob’s dafür ne Garantie gibt.
Garantien
gibt’s keine.
Nicht
mal dafür 64 zu werden.
Mein
Vater hat das nur knapp geschafft.
Seine
Herzmusik
höre
ich jetzt ganz anders.
Wirst
du mich noch brauchen,
singen
die Beatles.
Ich
dreh‘ das um.
Denn so
langweilig meine Mutter die Platten meines Vaters fand,
so
sehr hat sie ihn geliebt und gebraucht –
bräuchte
ihn heute.
Ja,
ich brauche dich noch,
weil
ich dich liebe – immer noch.
Antworte
ich dem ollen Plattenspieler,
der „When
I’m sixty-four“ in Dauerschleife spielt.
Musik:
„will you still need me,
will you still feed me
when I?m sixty-four?“
In
diesen Tagen
sind
auch in den evangelischen Kirchen
Valentins(tags)gottesdienste
und Gottesdienste für Verliebte gefeiert worden.
Bei
uns geht’s am Sonntag nochmal rund.
Mit Musikband
und Kerzen und Ballons.
Mit
Liedern von Liebe und Freiheit.
Menschen
wie meine Mutter und mein Vater fehlen da oft.
Weil
sie ihn zwar noch liebt und braucht,
er
aber gar nicht mehr da ist.
Ich
finde es immer schön,
wenn
sich in diese Gottesdienste auch Menschen trauen, die sagen:
Ich
bin allein und traurig deswegen;
Ich
bin allein und wütend deswegen;
Ich
bin allein und es ist ok so wie es ist; …
Denen
kann ich dann sagen:
Stimmt
nicht.
Da
ist ja immer noch Gott.
Da
ist einer, der dich liebt und braucht so wie du bist.
Egal
ob verliebt oder verlassen,
enttäuscht
oder mit überschäumendem Herzen.
Gott
sieht dich.
Gott
ist da.
Der
Platz neben Dir ist nicht leer.
Jedenfalls
nicht, wenn du es nicht willst.
Jetzt
wär’s nur gut,
wenn
ich mir das selber auch sagen könnte.
Denn
die Platten meines Vaters,
die
sind schon sehr abgeliebt,
lange
werden die’s mir nicht mehr sagen können.
Aber
vielleicht dauert Trauer einfach manchmal etwas länger,
geht
nie ganz weg und wird zur Erinnerung mit Herzlied.
Ich
wünsch mir das.
Ihre
Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel aus Odenthal.
Anmerkungen:
(1)
The Beatles, Album: Sgt. Peppers Lonley Hearts Club Band, 1967, Text u.
Melodie: John Lennon u. Paul McCartney. Barcode: 0 77774 64422 8, Labelcode: LC
0299
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze
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