Neue Welt – neues Leben?

Kirche in WDR3 | 05.05.2023 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Und – schon unterwegs? Im

Auto vielleicht – oder längst bei der Arbeit? Oder hören Sie gerade dort Radio,

wo es am schönsten ist: zu Hause?

Morgens in der Frühe

aufbrechen, den Tag über arbeiten, im Büro, auf der Baustelle, im Klassenzimmer,

Einkäufe erledigen, Besuche machen, Freunde treffen – aber abends dorthin zurückkehren,

nach Hause. So kennen wir das. So ist das für die allermeisten am Ende der

Pandemie wieder Alltag. Aufbruch und Heimkehr, völlig normal. Ein Leben lang.

Völlig normal?

Rund eine Million Menschen sind

im letzten Jahr auf ganz andere Weise aufgebrochen. Haben Haus und Hof, Heim

und Arbeit, Freunde, Verwandte und überhaupt das ganze Land verlassen. eine

Million – allein aus Deutschland. Ausgewandert. Jedes Jahr.

„Goodbye, Deutschland!“ heißt

eine Fernsehserie, die solche Aufbrüche seit 2006 schon begleitet. Eine von vielen

Auswandererdokus.

Einfach weg, womöglich für

immer. Raus aus dem alten Leben, radikaler Neuanfang am anderen Ort, im anderen

Land, auf einem anderen Kontinent. Wäre das was – für Sie?

Neu ist das Phänomen wahrhaftig

nicht. Wer ein Bild davon bekommen will, könnte mal nach Hamburg fahren, in die

Auswandererwelt (das Auswanderermuseum) BallinStadt. Mehr als fünf Millionen Menschen

sind allein von der Hansestadt aus aufgebrochen im späten 19. Jahrhundert und

bis in die 30er Jahre hinein. Die allermeisten zog es in die Neue Welt. Albert

Ballins Hamburg-Amerikanische-Packetfahrt-Actiengesellschaft, kurz HAPAG, verschiffte

die Auswanderer in Massen hinüber in die USA, manche auch nach Südamerika.

Auswandern, aufbrechen in ein

neues Leben: nichts Neues. Mancher wird dazu getrieben durch Kriege, Hunger,

Armut, Verfolgung. Dann ist es eine Flucht. Andere aber zieht der große Traum

vom besseren Leben, von Freiheit und Abenteuer, vom Neuanfang abseits des Alten.

Für mich wäre das nichts. Zu

wenig Mut, zu wenig Abenteuerlust, ich bin zu sehr Gewohnheitsmensch. Ich kenne

mich gern aus.

Allerdings gilt am Ende: Auch

ich lebe nicht in der besten aller Welten. Die Verhältnisse um mich herum sind

so wenig perfekt wie ich selbst. Mich einfach komfortabel einzurichten in einem

„Bloß-nichts-verändern-Idyll“: das kann’s nicht sein. Eine Welt, in der im

letzten Jahr fast 90 Millionen Menschen ihre Heimat notgedrungen verlassen mussten,

verlangt dringend nach Veränderung, Erneuerung. Es bleibt reichlich zu tun –

für das Recht, für den Frieden, für die Freiheit. Für Sie und für mich. Vor der

eigenen Haustür.

Den Himmel auf Erden werden

wir nicht schaffen. Und auch nicht finden, nicht mal am anderen Ende der Welt. Aber

das Leben barmherzig und liebevoll zu renovieren – das bleibt um Gottes Willen

unser Ding. Heute und morgen und überall.

Es grüßt Sie, Ulf Schlüter

aus Bielefeld.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/60998_WDR3520230505Schlueter.mp3

  • 5.5.2023
  • Ulf Schlüter
  • © CCO Pixabay
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