Selbstgespräch?

Kirche in WDR3 | 19.05.2022 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen,

ich

stehe vor einer roten Ampel, als ein Fahrradfahrer neben mir hält. Während wir

auf Grün warten, sitzt er – mit einem Ohrstöpsel im Ohr – auf dem Sattel, redet

aufgeregt und gestikuliert dabei heftig mit den Armen.

Es

ist schon erstaunlich, wo und wie man heute überall – dank Bluetooth –

telefonieren kann. Früher hätte man gesagt: Der führt aber angeregte

Selbstgespräche. Oder vielleicht sogar: Mit dem stimmt was nicht.

Das

könnte man manchmal auch von mir denken. Denn hin und wieder ertappe ich mich

dabei, mit mir selbst zu reden. Zum Beispiel im Supermarkt. Da stehe ich vor

dem Regal und murmele laut vor mich hin: Was wollte ich jetzt nochmal

mitnehmen?

Oder im

Keller, wenn ich vor dem Gefrierschrank stehe. Manchmal sage ich dann laut:

„Der Gefrierschrank ist zu.“ Einige Male ist es mir nämlich schon passiert,

dass ich den langen Weg vom Keller hinter mich gelegt habe, und ich mich dann in

der Wohnung frage: Habe ich eigentlich den Gefrierschrank richtig zugemacht?

Wenn

das nicht der Fall ist, kann man da sehr unangenehme Erfahrungen machen. Ein

Bekannter erzählte mir, dass er vom Urlaub zurückkam und sämtliche Lebensmittel

in der Kühltruhe wegschmeißen musste, weil die Tür nicht richtig zu war und das

gesamte Gefriergut aufgetaut war.

Dass

das Selbstgespräch eine wichtige Aufgabe haben kann, haben auch schon die Psychologen

erkannt. Selbstgespräche, so sagen sie, fördern die Strukturierung unserer

Gedanken und helfen uns dabei, Stress abzubauen. Wenn wir also einen Monolog

führen, hilft uns das gesprochene Wort dabei, einen Gedanken zu verfestigen. Zum

Beispiel: „Der Gefrierschrank ist zu.“ Selbstgespräche sollen uns helfen,

Gedanken zu ordnen, Erlebnisse zu verarbeiten und eventuell auch unsere Gefühle

besser zu verstehen

Manche

wissenschaftlichen Experimente haben erwiesen: Wir sind bei bestimmten Arbeiten

konzentrierter, wenn wir diese Tätigkeiten laut sprechend ausführen.

Dass

Selbstgespräche eine so positive Wirkung haben, ist schon eine sehr alte

Erfahrung, die sich schon in der Bibel wiederfindet:

„Was bist du so

verwirrt, meine Seele und was stöhnst du so in mir? Hoffe auf Gott! Denn ich

werde ihn noch loben für die Rettung, die von ihm kommt“, heißt es da. (Psalm 42,6, Die Bibel, Neue

evangelistische Übersetzung)

Hier

ist jemand im Gespräch mit sich selbst. Der steht nicht vor einem

Gefrierschrank, sondern vor ganz anderen verschlossenen Türen. Freunde und

Bekannte haben ihn allein und im Stich gelassen. Und er weiß nicht, wie er aus

einer vertrackten Situation herauskommen soll. Aber sein Selbstgespräch bekommt

plötzlich ein Gegenüber. Gott. Und das Selbstgespräch wird zu einem Gebet.

So kann der

Glaube an den gegenwärtigen Gott jeden Gedanken und so manches Selbstgespräch zu

einem Gebet werden lassen. Auch ohne einen Ohrstöpsel im Ohr.

Ihr Pastor Christoph

Neumann aus Iserlohn.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58136_WDR3520220519Neumann.mp3

  • 19.5.2022
  • Christoph Neumann
  • © CCO Pixabay
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