Guten Morgen!
Zuerst sind es 40
Leute, die sie aufnimmt. Es sollen später bis zu 3000 Verfolgte und Vertriebene
gewesen sein, um die sie sich mit einigen Freundinnen und Freunden aus ihrem
Umfeld gekümmert hat.
Die Rede ist von
Katharina Zell. Sie lebte vor fast 500 Jahren. Die Ehe von Katharina mit
Matthäus Zell steht von Anfang an unter einem besonderen Stern. Matthäus, ein katholischer
Stadtprediger ist vom geistlichen Oberhaupt ihrer Heimatstadt Straßburg, dem
Bischof, gebannt worden. Matthäus hat sich in seinen Predigten zu eindeutig der
Sache von Martin Luther angeschlossen. Der Rat der Stadt stellt sich aber vor
den beliebten Stadtprediger und liefert ihn nicht aus. Katharina heiratet
Matthäus 1523, zu einer Zeit, als nicht klar ist, wie die Sache mit ihrem Mann
ausgehen wird. Vielleicht ist es diese grundlegende Erfahrung, die für die
beiden zu einem leitenden Impuls ihres gemeinsamen Lebens wird: Es ist wichtig,
geschützt zu werden, gerade wenn man angeklagt ist.
Schon im Jahr
nach ihrer Hochzeit wird Jakob Otter, ein protestantischer Prediger aus
Kenzingen im Breisgau, aus seiner Stadt vertrieben – auf Anordnung der österreichischen
Regierung. Eine Gruppe von Kenzinger Bürgern gibt Jakob Otter Schutzgeleit, bis
er in Straßburg in Sicherheit ist. Als die Gruppe von Kenzingern in ihre
Heimatstadt zurückkehren will, ist die Stadt von österreichischen Truppen
besetzt. Der Zutritt zu ihren Häusern und Familien wird ihnen verwehrt. Den 40
Männern bleibt nichts anderes übrig, als wieder nach Straßburg zurückzukehren.
Dort ist es dann Katharina Zell, die mit einigen anderen Straßburger
Bürgerinnen und Bürgern die Versorgung der Gruppe organisiert. Nach einigen
Verhandlungen können die Kenzinger vier Wochen später wieder nach Kenzingen
zurückkehren.
Schon im
folgenden Jahr ist der Aufstand der Bauern in vollem Gange. Viele Bauern haben
sich zusammengeschlossen und Forderungen nach mehr Freiheit gestellt. Dabei
berufen sie sich immer wieder auf Martin Luther und seine Gedanken zur Freiheit
eines Christenmenschen. Alle Bemühungen der Stadtprediger zwischen den
Bauernführern und den Landesherren zu vermitteln, laufen ins Leere. Es kommt zu
bewaffneten Auseinandersetzungen und schließlich zu einer entscheidenden
Schlacht bei Schwerweiler im heutigen Frankereich. Das Bauernheer wird
geschlagen. 3.000 Frauen und Kinder werden zu Witwen und Waisen. Sie fliehen
und suchen ebenfalls in Straßburg Schutz. Weil ein großes Kloster in der Stadt
gerade aufgegeben worden ist, können viele der Flüchtlinge zunächst einmal dort
untergebracht werden. Wieder ist es Katharina Zell, die organisiert und auch
ganz praktisch Hand anlegt, wenn es darum geht, die Gestrandeten zu versorgen.
Später werden
auch noch die kommen, die von den großen Reformatoren wie Martin Luther
öffentlich verklagt und deswegen zur Flucht getrieben werden. Auch diese Leute
werden von Katharina Zell untergebracht und versorgt. In einer von ihr
überlieferten Stellungnahme schreibt sie: „Wir sind nit gezwungen gewesen,
eines jeden Meinung und Glaubens zu sein, sind aber schuldig gewesen, einem
jeden Lieb, Dienst und Barmherzigkeit zu beweisen: So hat uns unser aller
Meister Christus gelehrt.“ (1)
Ich meine, es
hätte den großen Geistern der reformatorischen Bewegung gut angestanden, sich
die Unerschrockenheit dieser mutigen Frau aus Straßburg in Sachen Nächstenliebe
zu eigen zu machen. Heute vor 460 Jahren, am 5. September 1562 ist sie gestorben.
Im Evangelischen Namenskalender wird an sie erinnert. Wie gut, dass es immer
wieder diese Menschen gibt – Menschen, die den Unterschied machen, weil sie in
der Not keinen Unterschied machen.
Einen erfüllten
Tag wünscht Ihnen Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus
Lübbecke.
Quellen:
(1) Jörg Erb, Wolke der
Zeugen, Stauda Verlag, Kassel, 1964, Bd. 2, S. 243–247.
https://de.wikipedia.org/wiki/Katharina_Zell, zuletzt abgerufen am 26.08.22
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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