Guten
Morgen.
Mein
Computer läuft jetzt wieder schneller. Ich habe ihn endlich von Datenmüll
befreit, unnötige Dateien gelöscht, Doppelungen aussortiert. Obwohl er schon
ein paar Jahre alt ist, fühlt er sich nun nach dem Aufräumen an wie neu.
Es
war längst überfällig, aber nie der richtige Zeitpunkt.
Und
irgendwie erinnert mich das an andere Situationen, in denen ich auch längst
Überfälliges erledigen sollte. Zu Hause mal wieder ausmisten, den Schreibtisch
aufräumen, Platz schaffen. Platz für Neues, Anderes. Vielleicht symbolisch auch
für das, was auch in meinem eigenen Leben neu geordnet und sortiert werden
muss.
Sprecherin:
"Sie
müssen den Schreibtisch des Lebens aufräumen, ehe es zu spät ist" …
Autorin:
rät der Onkologe
Dr. Eddé seinem Patienten Benjamin, einem Mann um die 40, der bald sterben
muss. Vielleicht bleibt ihm noch ein Jahr, vielleicht weniger.
In
dem sehr berührenden französischen Kinofilm „In Liebe lassen“ wird zwar vom
Sterben erzählt und dennoch auch das Leben gefeiert, so absurd das klingt.
„Den
Schreibtisch des Lebens aufräumen“ – das steht in den einfühlsamen Gesprächen
zwischen Arzt und Patient in diesem Film für all das, was noch ungeklärt ist.
Für den Gedanken, sich zu versöhnen mit dem, was offen geblieben ist im Leben
und offenbleiben darf. Dafür, die verbleibende Zeit noch zu nutzen: um das zu
tun, was ich immer schon noch fragen, wissen, sagen und erklären wollte. Mir
selbst und anderen gegenüber.
So
schreibt Benjamin einen Brief an seine Schauspielschülerinnen und -schüler, die
er nun nicht mehr unterrichten kann.
Sprecherin:
„Lernt
weiter, sag ich Euch, seid nicht zu selbstsicher, probiert euch aus, wagt
etwas, riskiert etwas, irrt euch, habt nie Angst, Euch lächerlich zu machen. (…)
Habt Vertrauen in Eure Jugend und in Eure Naivität. Habt Träume und folgt
ihnen.“ (Trailer, selbst transkribiert)
Autorin: Mich erinnern Benjamins
Worte an eine Rede aus der Bibel. Kurz vor seinem Tod hat da Mose dem Volk
Israel Mut zugesprochen:
Sprecherin:
„Seid
stark und mutig und fürchtet euch nicht! Habt keine Angst (…)
Denn
der HERR, dein Gott zieht mit dir. Er lässt dich weder fallen, noch verlässt er
dich.“
(5.
Buch Mose 31,6, Basisbibel, Ausgabe 2021)
Autorin:
Mose ist
alt geworden und führt das Volk an. Mit seiner Rede will er seine
Nachfolgerinnen und Nachfolger stärken und ermutigen. Ihnen den Weg
weisen.
So
wie Benjamin im Film seine bittere Erkenntnis an die nächste Generation
weitergibt: Verpasst nicht so viel im Leben. Lebt euer Leben. Anders als ich.
Wiederholt nicht meine Fehler.
Mich
hat dieser Film sehr berührt und nachdenklich gestimmt.
Und
ich habe mich gefragt: Was liegt eigentlich auf meinem Schreibtisch des Lebens,
ohne dass ich es beachte? Wo müsste ich längst Dinge ansprechen, klären,
regeln, wagen oder sie einfach sein lassen, mich mit ihnen versöhnen? Und wann
fange ich damit an?
Die
Botschaft des Films hat mich zumindest ermahnt, damit nicht bis zum Schluss zu
warten.
Und
mein Computer erinnert mich jetzt daran, immer wenn ich ihn hochfahre…
So
endet der Film mit nur ein paar vermeintlich schlichten, aber doch sehr
bedeutenden,
oft
schwer auszusprechenden Worten:
Sprecherin:
„Danke,
verzeih mir, ich verzeihe dir, leb wohl!
Autorin:
Wie schön,
wenn das gelingen könnte.
Das
wünscht Pfarrerin Christiane Neufang aus Köln.
Redaktion: Landespfarrerin Petra
Schulze
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