Mein
kleiner Sohn kommt zu mir in die Küche. Voller Stolz zeigt er mir ein Bild. Er
hat gemalt. Er malt eigentlich nicht gerne. Und: Ich brauche immer Einiges an
Fantasie, um zu erkennen, was gemeint ist. Manchmal sieht man einen Strich und
buntes Gekritzel. Und das ist ein Feuerwehrauto. Oder ein Haus. Oder was weiß
ich. Oft weiß ich es eben nicht. Aber diesmal ist alles klar: Man erkennt vier
Männlein. Das sind wir: Mama, Papa, er selbst und seine Schwester. Er malt
Kopffüßler. So ist das in dem Alter. Ein Gesicht mit Armen und Beinen, quasi. Und
alle Männchen lächeln. Es ist ein krakeliges und sehr fröhliches Bild. Natürlich,
auch in unserer Familie lachen nicht immer alle. Natürlich gibt es auch Streit
und Gemeckere. Die Kinder wollen nicht aufräumen, die Hausaufgaben werden nicht
gemacht. Die Eltern nerven. Wie überall. Aber er malt vier lächelnde Männlein.
So, als wäre es immer so. Den grauen Alltag ausblenden und lieber auf das
sehen, was wirklich gut ist. Wie Pippi Langstrumpf: „Ich mach mir die Welt, wie
sie mir gefällt.“ Kinder können das. Die Welt sehen, nicht wie sie ist, sondern
wie sie sein sollte. Jesus konnte das auch. Er sagt auch so Sachen wie: Liebet
eure Feinde. Oder: Wenn dir einer auf die eine Wange schlägt, halte ihm auch
die andere hin? Und ich denke, wie kann er nur? Die Welt sieht doch nun
wirklich ganz anders aus. Aber vielleicht ist das gerade der Trick: Die Welt
sehen, wie sie sein könnte. Sich einfach vorstellen: Alle nehmen Rücksicht
aufeinander. Menschen, die nicht einer Meinung sind, respektieren sich trotzdem
gegenseitig. Und manchmal verzichten sie einfach auf ihr gutes Recht. „Ach
komm, ist schon ok.“ Und weil das alle machen, kommt dabei auch keiner zu kurz.
Das ist nicht realistisch, ich weiß. Aber es wäre doch fantastisch. Vielleicht
ist das ja der Trick: Sich einfach nicht abzufinden mit dem, von dem alle
sagen: Das ist nun einmal so. Sondern sich an das zu halten, was sein sollte. Hartnäckig und renitent vom
Guten träumen. Wie die Kinder: Bunte Blumen malen und grinsende Sonnen. Und
Familien, die immer glücklich sind. Um nur ja nicht zu vergessen: So so sollte
es sein. Mein Kleiner ist schon längst wieder im Kinderzimmer verschwunden und
macht irgendetwas unordentlich. Das kann er am besten. Ich stehe immer noch mit
dem Kinderbild in der Küche und schaue mir nachdenklich die Kopffüßlermännchen
an. Sie lächeln mich an. Ich denke: Ja, so sollte es immer sein.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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