Guten Morgen!
Manche können es auswendig –
das erste der Zehn Gebote: „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus
Ägyptenland aus der Knechtschaft geführt habe. Du sollst keine anderen Götter
haben neben mir.“ So hat Martin Luther es übersetzt. Was man auswendig kennt,
sagt man bisweilen leichtfertig und ist leicht fertig damit. Darum zur
Abwechslung eine andere Übersetzung: „Ich – mein Name ist `Ich bin da` – bin
dein Gott, der dich aus Ägypten aus der Versklavung befreit hat. Neben mir soll
es für dich keine anderen Götter geben.“
Selbst als Atheistin oder
Atheist habe ich einen Gott. Da ist immer etwas, das für mich das Höchste und
Größte ist, woran ich mein Herz hänge, wofür ich kämpfe, worum ich weine, wonach
ich mich sehne. Das ist mein Gott. In der Bibel wird erzählt, wie das Volk
Gottes auf der Flucht aus Ägypten unbedingt einen Gott haben will, den man
sieht. Einen glänzenden Gott, den man bewundern und anfassen und vor sich
hertragen kann. (1) Da gießen sie einen großen goldenen Stier und rufen: Das
ist unser Gott, der uns befreit! wunderbar ironisch ist diese Geschichte in der
Bibel erzählt, und daran musste ich denken, als in der Finanzkrise vor etlichen
Jahren die Zeitungen immer wieder den Stier vor der Frankfurter Börse zeigten,
dazu die aufgeregten Broker.
Der jüdische
Religionsphilosoph Martin Buber hat gesagt: Gott „ist das beladenste aller
Menschenworte.“ (2) Und es ist ja so: Alles, was Menschen erträumen und
ersehnen, alles woran sie leiden und was sie quält, alles Unrecht und alles
Elend, alle Hoffnung und alles Glück legen sie in das Wort Gott.
Ist es die Nation, die als
Gott angebetet wird, kämpfen ihre Gotteskrieger gegen die Fremden. Ist es das
Geld, kämpfen seine Gotteskrieger für dessen Mehrung. Ist es die eigene Ideologie
oder Religion, kämpfen ihre Gotteskrieger gegen die Andersgläubigen.
Das alles aber ist in der
Bibel nicht Gott. Der Gott der Bibel befreit aus dem Sklavenhaus.
Das Sklavenhaus kann ein Wahn
in meinem Kopf sein, eine schreckliche Angst, eine Beziehung oder
Lebensverhältnisse, die mich knechten. Der Gott der Bibel redet Menschen an. Stellt
sich mit seinem Namen vor, der heißt: „Ich bin da. Unterwirf dich keiner
anderen Macht. Du bist frei!“ Erstes Gebot.
Weil ich an diesen Gott
glaube, bin ich hoch empfindlich, wenn Menschen das Wort Gott missbrauchen.
Wenn sie Gott vor den Karren ihrer persönlichen Meinungen spannen. Wenn sie
behaupten: „Das geschieht im Namen Gottes“ – und dabei in Wirklichkeit ihre
eigenen Ziele verfolgen.
Weil ich an den befreienden
Gott der Bibel glaube, bleibe ich auch mir selbst gegenüber wachsam, wenn ich
mir meinen Gott zurechtdenke.
Gott ist ganz anders als ich
ahne. Gott sei Dank. Darin liegt meine Rettung. Und meine Hoffnung für die
Welt.
Einen gesegneten Tag wünscht
Ihnen Annette Kurschus aus Bielefeld.
(1) Die Bibel, 2. Mose 32.
(2)
Martin Buber, Begegnung. Autobiographische Fragmente, Verlag, Stuttgart, 2.
Auflage 1961.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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