Das erste Gebot

Kirche in WDR3 | 21.10.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen!

Manche können es auswendig –

das erste der Zehn Gebote: „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus

Ägyptenland aus der Knechtschaft geführt habe. Du sollst keine anderen Götter

haben neben mir.“ So hat Martin Luther es übersetzt. Was man auswendig kennt,

sagt man bisweilen leichtfertig und ist leicht fertig damit. Darum zur

Abwechslung eine andere Übersetzung: „Ich – mein Name ist `Ich bin da` – bin

dein Gott, der dich aus Ägypten aus der Versklavung befreit hat. Neben mir soll

es für dich keine anderen Götter geben.“

Selbst als Atheistin oder

Atheist habe ich einen Gott. Da ist immer etwas, das für mich das Höchste und

Größte ist, woran ich mein Herz hänge, wofür ich kämpfe, worum ich weine, wonach

ich mich sehne. Das ist mein Gott. In der Bibel wird erzählt, wie das Volk

Gottes auf der Flucht aus Ägypten unbedingt einen Gott haben will, den man

sieht. Einen glänzenden Gott, den man bewundern und anfassen und vor sich

hertragen kann. (1) Da gießen sie einen großen goldenen Stier und rufen: Das

ist unser Gott, der uns befreit! wunderbar ironisch ist diese Geschichte in der

Bibel erzählt, und daran musste ich denken, als in der Finanzkrise vor etlichen

Jahren die Zeitungen immer wieder den Stier vor der Frankfurter Börse zeigten,

dazu die aufgeregten Broker.

Der jüdische

Religionsphilosoph Martin Buber hat gesagt: Gott „ist das beladenste aller

Menschenworte.“ (2) Und es ist ja so: Alles, was Menschen erträumen und

ersehnen, alles woran sie leiden und was sie quält, alles Unrecht und alles

Elend, alle Hoffnung und alles Glück legen sie in das Wort Gott.

Ist es die Nation, die als

Gott angebetet wird, kämpfen ihre Gotteskrieger gegen die Fremden. Ist es das

Geld, kämpfen seine Gotteskrieger für dessen Mehrung. Ist es die eigene Ideologie

oder Religion, kämpfen ihre Gotteskrieger gegen die Andersgläubigen.

Das alles aber ist in der

Bibel nicht Gott. Der Gott der Bibel befreit aus dem Sklavenhaus.

Das Sklavenhaus kann ein Wahn

in meinem Kopf sein, eine schreckliche Angst, eine Beziehung oder

Lebensverhältnisse, die mich knechten. Der Gott der Bibel redet Menschen an. Stellt

sich mit seinem Namen vor, der heißt: „Ich bin da. Unterwirf dich keiner

anderen Macht. Du bist frei!“ Erstes Gebot.

Weil ich an diesen Gott

glaube, bin ich hoch empfindlich, wenn Menschen das Wort Gott missbrauchen.

Wenn sie Gott vor den Karren ihrer persönlichen Meinungen spannen. Wenn sie

behaupten: „Das geschieht im Namen Gottes“ – und dabei in Wirklichkeit ihre

eigenen Ziele verfolgen.

Weil ich an den befreienden

Gott der Bibel glaube, bleibe ich auch mir selbst gegenüber wachsam, wenn ich

mir meinen Gott zurechtdenke.

Gott ist ganz anders als ich

ahne. Gott sei Dank. Darin liegt meine Rettung. Und meine Hoffnung für die

Welt.

Einen gesegneten Tag wünscht

Ihnen Annette Kurschus aus Bielefeld.

(1) Die Bibel, 2. Mose 32.

(2)

Martin Buber, Begegnung. Autobiographische Fragmente, Verlag, Stuttgart, 2.

Auflage 1961.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/59446_WDR3520221021Kurschus.mp3

  • 21.10.2022
  • Annette Kurschus
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