Von störenden und heilsamen Unterbrechungen

Kirche in WDR3 | 22.04.2022 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen.

Kennen

Sie das? Ich versuche in Ruhe zu arbeiten und dann werde ich unterbrochen.

Mein

Handy klingelt, der Paketbote läutet, nebenan bohrt jemand ein Loch in die

Wand. Irgendwas ist immer.

Neben

diesen nervigen Störungen gibt es aber auch andere Unterbrechungen: schöne,

heilsame.

Etwa,

wenn mich ein lieber Mensch besucht.

Natürlich

unterbricht er mich auch. Aber eben auf andere Weise.

Er

holt mich raus aus meinem Hamsterrad.

Und

ich nehme mir Zeit: hier und jetzt diesem Menschen zu begegnen.

Heilsame

Unterbrechung. Genau darum geht es auch im Glauben.

Ich

lasse mich von Gott unterbrechen. Trete raus aus dem Alltagstrott.

Und

nehme mir Zeit für das Wesentliche. Eine Zeit der Stille und Einkehr.

Meine

Frau erzählt dazu gerne die Geschichte ihrer frommen Oma:

Wenn sie mittags die Kirchenglocken hörte, unterbrach sie ihre Arbeit.

Die

Kartoffeln blieben für eine Minute ungeschält liegen, sie faltete die Hände.

Und

sie sprach still für sich ein Gebet:

„Danke für das, was mir geschenkt ist. Hilf denen, die Deine Hilfe brauchen.

Vergib,

wo wir einander verletzt haben. Und lass mich ein Segen für andere sein. Amen.“

Danach

ging es mit dem Kartoffelschälen weiter.

Als

ich Pfarrer wurde, gab mir ein älterer Kollege das als Ratschlag mit auf den

Weg:

„Es

ist gut, wenn Du jeden Tag eine halbe Stunde vor Gott darüber nachdenkst, was

Du eigentlich tust. Sonst erhöhst Du nur geschäftig das Tempo, ohne zu wissen,

wohin.“

Heilsame

Unterbrechung. Das beschreibt eine Haltung, die wir meines Erachtens auch

politisch dringend brauchen. Innehalten, die Waffen schweigen lassen. Vor Gott

darüber nachdenken, was wir eigentlich tun.

Und

dem anderen dann als Mitmenschen begegnen. Nicht als Feind oder Konkurrent.

Die

Friedensgebete und Friedensdemonstrationen während des Ukraine-Krieges sind für

mich Momente solch einer heilsamen Unterbrechung.

Auch

wenn sie die Gewalt nicht stoppen. Sie helfen, Feinddenken zu überwinden.

Solch

eine Haltung heilsamer Unterbrechung will geübt sein.

Hier ein paar Dinge, die mir im Alltag dabei helfen.

– Ich

geh in mein Zimmer, schließe die Tür, schalte das Handy aus.

– Ich

setze mich hin, werde still.

Was

bewegt mich im Blick auf das Leiden anderer oder auch auf eigene Sorgen?

Manchmal lese ich einen Text aus der Bibel oder singe für mich ein Lied.

Hört

ja keiner außer Gott und mir.

– Oft

schaue ich auch nur aus dem

Fenster.

Was

würde Gott mir raten? Und was sollte ich vor Gottes Angesicht tun?

– Am

Ende bete ich das Vaterunser.

Und

bei allem, was ich nicht begreife, vertraue ich darauf: Wir sind und bleiben in

Gottes Hand.

Gott

wird es am Ende einmal richten. Wie auch immer.

Heilsame

Unterbrechungen. Sie können mir helfen, anders zu leben.

Ihnen

einen gesegneten Tag mit wenigen störenden und vielen heilsamen

Unterbrechungen.

Ihr

Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57978_WDR3520220422Latzel.mp3

  • 22.4.2022
  • Thorsten Latzel
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