Ich warte auf den Zug. Ein Mann sprintet in Richtung Treppe.
Eine Frau kurz danach in Gegenrichtung. Beide geben ihr Bestes. Manchmal renne
ich auch. Die letzten hundert Meter zur S-Bahn oder um nicht zu spät zum Termin
zu kommen. Manchmal schaff‘ ich es, manchmal nicht.
Manchmal erreich ich mein Ziel und manchmal muss ich mich neu
sortieren. Und oft, wirklich oft denk ich dann an einen meiner Lieblingsfilme.
„Lola rennt.“ Franka Potente ist Lola. Sie rennt im Film durch Berlin, um ihrem
Freund zu helfen, der sehr schnell sehr viel Geld braucht. Das Besondere; „Lola
rennt“ erzählt die Geschichte in drei Versionen. Sie beginnt immer mit der
gleichen Szene. Dann ändert sich nur ein Detail. Lola schreckt vor einem Hund
zurück oder stößt mit jemandem zusammen und durch diese Kleinigkeit ändert
sich… ja….tatsächlich …alles.
Als ich den Film das erste Mal gesehen, hat mich das tagelang
beschäftigt. Beeinflusst jede kleine Entscheidung beeinflusst wirklich alles,
was danach kommt? Irgendwie hat mich das fasziniert und nachdenklich gemacht.
Und ich habe gemerkt: ich hab‘ viel weniger in der Hand als ich denke. Ich kann
strampeln und rennen, soviel ich will. Es gibt zu viele Unbekannte. Das kann
Angst machen. Und entlasten. Ich weiss nicht, wie das auf euch wirkt. Ich renne
immer noch und ärgere mich oder bin enttäuscht, wenn ich mein Ziel nicht
erreiche. Aber wenn mein Ärger verraucht ist, wenn ich wieder Luft kriege, guck
ich mich um. Und oft tut sich dann was Neues auf.
Sprecherin: Lisa Kielbassa
Redaktion: Daniel Schneider
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