Vom Beten bei leerem Himmel

Kirche in WDR3 | 31.05.2023 | 00:00 Uhr

Autor: Guten Morgen.

darf

ich Ihnen eine persönliche Frage stellen: Beten Sie? So persönlich, für sich?

Morgens,

vor dem Einschlafen oder beim Essen?

Meine

Erfahrung ist: Mit dem Beten ist es gar nicht so einfach.

Einerseits

spielt es für mich eine zentrale Rolle.

Beten

ist so etwas wie der Herzschlag meines Glaubens.

Ich

rede nicht über, sondern zu Gott. Bin ganz in seiner Gegenwart.

Es

ist gut, jemanden zu haben, um loszuwerden, was mir auf der Seele liegt.

Und

was ich sonst niemandem sagen könnte.

Gerade

dann, wenn die Welt in mir und um mich wieder einmal aus den Fugen ist.

Andererseits

fällt mir das Beten immer wieder schwer.

Dann

weiß ich gar nicht, was ich beten soll, oder wie. Und ob es Gott überhaupt

hört.

Das

ist eine Erfahrung, von der auch andere Menschen berichten, die viel beten.

Mutter

Teresa etwa schreibt davon in ihren Tagebüchern in den letzten Lebensjahren.

Sprecherin: (Weiblich!) „In meinem Innern ist es eiskalt.“ „Der Himmel bedeutet nichts

mehr – für mich schaut er wie ein leerer Platz aus.“ „Man erzählt mir, dass

Gott mich liebt, jedoch ist die Realität von Dunkelheit und Kälte und Leere so

überwältigend, dass nichts davon meine Seele berührt.“ (1)

Autor: Auch in der

Bibel ist wiederholt davon die Rede.

In

den Psalmen etwa, dem großen Gebetbuch des Volkes Israel.

Dort

beten Menschen zu Gott – und ringen zugleich immer wieder mit der Leere in

ihnen und über ihnen. Mit den Zweifeln am eigenen Gebet.

Ein

für mich sehr tröstlicher Gedanke findet sich dazu bei dem Apostel Paulus. Er

schreibt:

Sprecherin: „Gottes Geist steht uns bei, wo wir es selbst nicht können.

Denn wir wissen

nicht, was wir beten sollen, nicht einmal, wie es richtig geht.

Doch Gottes Geist

tritt selbst für uns ein in einer Weise, die wir nicht verstehen.“ (2)

Autor:

Es

ist entlastend, was Paulus da schreibt. Ich kann nicht beten. Wir alle nicht. Das

ist so. Und Zweifel gehören immer mit dazu.

Aber

Gott kann beten. Und Gott tut es durch seinen Geist: in uns, für uns, durch uns.

Dafür

steht auch das kleine Wörtchen „Amen“ am Ende jedes Gebetes.

Es bedeutet

„so sei es“. Gott wird mich hören.

Gott

weiß, was ich brauche, und hilft mir, ehe ich ihn darum bitte.

Deswegen

bete ich weiter. Auch, wenn der Himmel grau und leer ist. Oder gerade dann.

Zum

Schluss: ein Gebet bei leerem Himmel.

Guter

Gott,

wenn

ich bete, spüre ich oft nur mich selbst. Hörst Du mich auch?

Ich

weiß, wie wichtig es ist: innehalten, still werden, Hoffnung schöpfen.

Doch

das alles ist nichts ohne Dich.

Du

hast‘s auch nicht einfach mit mir, mit uns.

Wir

vermasseln’s. Du sollst es richten. Möglichst sofort, irgendwie.

Viel

Klage, Jammern, selten Dank oder gar Lob.

Ich

weiß oft nicht, wie es richtig geht. Fühle anderes, als ich sage.

Sage

„Du“, und bin doch nur bei mir.

Ich

hoffe, dass Du betest, Gott. In mir, durch mich, weil ich es nicht vermag.

Du brauchst

keine Erinnerung. Du hilfst uns auch so.

Aber

wir brauchen Dich, Dein Beten in uns.

Hilf

mir danken, damit ich erkenne, was Du uns täglich gibst.

Hilf

mir bitten, damit Dein Geist meinen Willen erfasst.

Hilf

mir klagen, wo Deine Schöpfung verletzt wird.

Sprich

Du Amen in uns.

Ihr

Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Quellen:

(1) Komm,

sei mein Licht: die geheimen Aufzeichnungen der Heiligen von Kalkutta. Mutter

Teresa. Hrsg. und kommentiert von Brian Kolodiejchuk, München: Pattloch, 2007;

zit. nach: Alexander Kissler, Mutter Teresas Zweifel „In mir ist kein Gott., SZ

19. Mai 2010. https://www.sueddeutsche.de/panorama/mutter-teresas-zweifel-in-mir-ist-kein-gott-1.879083 (letzter Abruf

am 11.05.23)

(2) Die Bibel, Römer 8,26, Luther-Bibel 2017,

paraphrasiert.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/61175_WDR3520230531Latzel.mp3

  • 31.5.2023
  • Thorsten Latzel
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