Bringt Kerzen mit

Kirche in WDR3 | 15.05.2023 | 00:00 Uhr

Guten Morgen

Mitten

am Tag wird es stockfinster. Die Hühner kehren auf ihre Stangen zurück, die

Frösche stimmen ihr Abendkonzert an und die Schwarzkehlschwalben im Wald

beginnen ihr nächtliches Pfeifen. Mittags um zwei ist ein weißes Blatt – so

berichtet ein Augenzeuge – so schwarz wie Samt. Was klingt wie ein Märchen ist

in vielen Zeitungen und Tagebuchnotizen belegt. Der spätere US-Präsident George

Washington schreibt in seinem Tagebuch „von schweren und ungewöhnlichen Wolken

und schwarzem und zugleich rötlich-hellem Lichtschein“.

The

Dark Day – Der dunkle Tag hat sich heute vor rund 250 Jahren zugetragen (15.

Mai 1780) – im Nordosten der heutigen USA, in den damaligen englischen Kolonien

Neuenglands. Über die Ursache der rund eintägigen Finsternis wird noch immer

gestritten. Vielleicht waren große Waldbrände der Grund für die plötzliche

Finsternis – es gab sie einige hunderte Kilometer weit entfernt in Kanada. Viele

der frommen Siedler damals interpretieren das allerdings anders: Für sie ist

der dunkle Himmel mitten am Tag ein Zeichen dafür, dass das Ende der Welt

gekommen ist – der Tag des so genannten Jüngsten Gerichts wie ihn die Bibel in

mythischen Bildern beschreibt. Die Siedler suchen Zuflucht in Kirchen und im

Gebet. Im Staat Connecticut wird beraten, ob man die Sitzung des Rates

verschieben solle.

Ein

Ratsmitglied namens Abraham Davenport lässt mitteilen: „Ich bin gegen eine

Verschiebung. Das Jüngste Gericht kommt oder es kommt nicht. Wenn es nicht

kommt, besteht kein Grund, die Sitzung zu verschieben. Wenn es kommt, möchte

ich dabei angetroffen werden, wie ich meine Pflicht tue. Deshalb schlage ich

vor, dass Kerzen zur Versammlung mitgebracht werden.“

Die

Sitzung des Rates von Connecticut findet damals übrigens statt; der

Weltuntergang vorerst nicht.

Na

klar, das ist lange vorbei. Aber die Dark Days, mit Welten in Dunkelheit und Flammen,

die sind es nicht.

Mir

imponiert das: Wenn jemand – gerade weil buchstäblich die ganze Welt auf dem

Kopf steht – den eigenen Kopf kühl hält. Abwägt, was jetzt zu tun ist – und das

dann aber auch wirklich tut. Mich beeindruckt, wenn Menschen handlungsfähig

sind und Orientierung geben, weil sie wissen, wie sie am Ende dastehen wollen –

vor Gott, vor andern und vor sich selbst. Und dann nüchtern den nächsten

Schritt tun: „Ich schlage vor, Kerzen mitzubringen.“

Und

mir fällt Jesus ein, der uns genau das zutraut und sagt: „Ihr seid das Licht

der Welt. […] Lasst Euer Licht leuchten.“ (Evangelium nach Matthäus 5,14.16)

Einen

lichtvollen Tag wünscht Ihnen

Ihr

Jan-Dirk Döhling aus Bielefeld.

Quellen: New England’s Dark Day – Wikipedia,(abgefragt 15.05.2023) alle Originalzitate übersetzt

von Jan-Dirk Döhling

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/61091_WDR3520230515Doehling.mp3

  • 15.5.2023
  • Jan-Dirk Döhling
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