Guten Morgen
Mitten
am Tag wird es stockfinster. Die Hühner kehren auf ihre Stangen zurück, die
Frösche stimmen ihr Abendkonzert an und die Schwarzkehlschwalben im Wald
beginnen ihr nächtliches Pfeifen. Mittags um zwei ist ein weißes Blatt – so
berichtet ein Augenzeuge – so schwarz wie Samt. Was klingt wie ein Märchen ist
in vielen Zeitungen und Tagebuchnotizen belegt. Der spätere US-Präsident George
Washington schreibt in seinem Tagebuch „von schweren und ungewöhnlichen Wolken
und schwarzem und zugleich rötlich-hellem Lichtschein“.
The
Dark Day – Der dunkle Tag hat sich heute vor rund 250 Jahren zugetragen (15.
Mai 1780) – im Nordosten der heutigen USA, in den damaligen englischen Kolonien
Neuenglands. Über die Ursache der rund eintägigen Finsternis wird noch immer
gestritten. Vielleicht waren große Waldbrände der Grund für die plötzliche
Finsternis – es gab sie einige hunderte Kilometer weit entfernt in Kanada. Viele
der frommen Siedler damals interpretieren das allerdings anders: Für sie ist
der dunkle Himmel mitten am Tag ein Zeichen dafür, dass das Ende der Welt
gekommen ist – der Tag des so genannten Jüngsten Gerichts wie ihn die Bibel in
mythischen Bildern beschreibt. Die Siedler suchen Zuflucht in Kirchen und im
Gebet. Im Staat Connecticut wird beraten, ob man die Sitzung des Rates
verschieben solle.
Ein
Ratsmitglied namens Abraham Davenport lässt mitteilen: „Ich bin gegen eine
Verschiebung. Das Jüngste Gericht kommt oder es kommt nicht. Wenn es nicht
kommt, besteht kein Grund, die Sitzung zu verschieben. Wenn es kommt, möchte
ich dabei angetroffen werden, wie ich meine Pflicht tue. Deshalb schlage ich
vor, dass Kerzen zur Versammlung mitgebracht werden.“
Die
Sitzung des Rates von Connecticut findet damals übrigens statt; der
Weltuntergang vorerst nicht.
Na
klar, das ist lange vorbei. Aber die Dark Days, mit Welten in Dunkelheit und Flammen,
die sind es nicht.
Mir
imponiert das: Wenn jemand – gerade weil buchstäblich die ganze Welt auf dem
Kopf steht – den eigenen Kopf kühl hält. Abwägt, was jetzt zu tun ist – und das
dann aber auch wirklich tut. Mich beeindruckt, wenn Menschen handlungsfähig
sind und Orientierung geben, weil sie wissen, wie sie am Ende dastehen wollen –
vor Gott, vor andern und vor sich selbst. Und dann nüchtern den nächsten
Schritt tun: „Ich schlage vor, Kerzen mitzubringen.“
Und
mir fällt Jesus ein, der uns genau das zutraut und sagt: „Ihr seid das Licht
der Welt. […] Lasst Euer Licht leuchten.“ (Evangelium nach Matthäus 5,14.16)
Einen
lichtvollen Tag wünscht Ihnen
Ihr
Jan-Dirk Döhling aus Bielefeld.
Quellen: New England’s Dark Day – Wikipedia,(abgefragt 15.05.2023) alle Originalzitate übersetzt
von Jan-Dirk Döhling
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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