Guten Morgen!
Ich stecke grade mitten im Umzug. In
meinem Leben bin ich schon einige Male umgezogen. Eigentlich mag ich das ganz
gerne. Ich kann ausmisten, Dinge neu sortieren und ordnen. Ich weiß, manche
stresst der Gedanke, noch bevor die erste Umzugskiste aufgebaut ist.
Besonders belastend ist es aber,
wenn man ausmisten muss, weil ein Mensch gestorben ist.
Bei einer Familie aus unserer Gemeinde
war das auch der Fall, als die Oma vor einiger Zeit gestorben ist.
Das, was wirklich schwer für sie
war, war das Wegwerfen, haben sie erzählt.
Immer wieder haben sie gemeinsam
beraten. Soll die Kaffeetasse weg? Immerhin hat sie da jeden Morgen draus
getrunken. Ihre Lieblingstasse – mit ein paar Macken. Noch aus dem Krieg
gerettet. Oder die goldene Armbanduhr.
Die hat sie doch von Opa zur goldenen Hochzeit bekommen und immer an Festtagen
getragen. Es ist gar nicht so einfach, sich von manchen Dingen zu trennen, es
ist schwer, loszulassen. Ein ganzes Leben liegt da vor einem.
Irgendwann, als die Laune so richtig
im Keller ist und die Familie gerademal das Wohnzimmer fertig hat, setzen sie
sich gemeinsam hin und machen Pause.
Kochen Kaffee und essen Brötchen.
Und erinnern sich an die Zeiten, wo sie bei Oma am Kaffeetisch gesessen haben
und verwöhnt wurden.
Oma war der Mittelpunkt ihrer
Familie. Wegen ihr haben sie sich alle hier regelmäßig getroffen.
Wie voll war es, wenn alle an
Weihnachten samt Geschenken und Festtagsessen in diesem Raum zusammen waren –
und wie gemütlich.
Das wird fehlen. Dass das nicht mehr
sein soll, können sie sich nicht vorstellen.
Und doch, sie werden von dem
Gedanken Abschied nehmen müssen an Geburtstagen oder an Weihnachten hier zu
sein.
Das Haus ist längst verkauft.
Und wie sie da so sitzen und ihre
Brötchen essen, sind alle auf einmal ziemlich still geworden.
Vielleicht denken sie an die
gemeinsamen Feste hier
Oder daran, wie sie als Kinder hier
durchgewuselt sind.
Als Oma noch mit Opa hier lebte, und
die beiden alles mit ihren eigenen Händen aufgebaut haben.
Und während sie da so sitzen und
schweigen und sich an Oma erinnern, stellen sie fest, dass das ja alles bleiben
wird.
Sie essen an diesem Tag noch ein
paar Brötchen zusammen und es wird wieder gemütlich am Tisch in Omas
Wohnzimmer.
Sie nehmen sich Zeit – zum Erinnern.
Und mit jeder Geschichte, die sie
sich von früher erzählen, wird es ihnen etwas leichter ums Herz.
Weil sie in ihrem Abschied spüren:
Wir müssen nicht alles loslassen.
Für die Erinnerungen gibt es einen
großen Vorratsraum. Da passt ne Menge rein.
Und von den schönen Erinnerungen
kann man eigentlich nie genug aufheben.
Am besten geht das, wenn man sie
miteinander teilt. Die schönen und die schweren.
Für die Traueranzeige von Oma haben
sie sich einen Spruch aus der Bibel ausgesucht.
„Ich werde bleiben im Hause des
Herrn immerdar.“
Der Spruch liegt bei den Unterlagen,
die Oma für ihre Beerdigung zusammengestellt hat, in dem Ordner, wo auch alle
Papiere vom Haus zu finden waren.
„Sie bleibt“, sagt einer.
„Nicht in diesem Haus, aber sie
bleibt.“
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Ihren
Abschieden auch wissen, was bleibt.
Ihre Pfarrerin Anne Wellmann aus
Tönisvorst.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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