Atmen

Kirche in WDR3 | 10.01.2023 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen,

wir

alle tun es ständig, denken aber selten darüber nach: das Atmen.

Erstaunlich

lautlos begleitet es unser Leben, seit dem 1. Atemzug bis

zum letzten Atemzug eben. Und dabei geschieht es einfach so, ohne dass ich was

dazu tun muss.

Der

Atem verrät, wie wir uns im Leben fühlen.

Atmen

wir flach, sind wir kurzatmig?

Können

wir richtig tief ein- und ausatmen oder setzt der Atem aus, weil wir

fassungslos sind, erschrocken, überrascht, krank?

Merke

ich, wie mein Atem sich verändert hat über die Jahre?

Dass

ich nicht mehr so kann, wie ich will?

Oder

atme ich endlich wieder besser, seitdem ich mehr Sport mache.

Wir

mussten in den letzten Jahren über den Atem viel lernen. Auch, wie ansteckend

er sein kann. Wir wissen was Aerosole sind und wissen um Menschen, die immer

noch nicht richtig durchatmen können.

Unsere

Atmung kann vieles beeinflussen.

Das

Sprechen. Die Bewegung. Das Schlafen.

Im

Atmen spüren wir ganz besonders, wie Körper und Geist zusammengehören.

In

vielen Kulturen und Religionen wird dem Atem wegen seiner lebenslangen

Bedeutung für den Menschen besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

So

geht es zum Beispiel beim Meditieren immer auch um die Atmung. Es gibt

Menschen, die beten mit ihrer Atmung. Oder machen bewusste Atemübungen.

In

meiner eigenen, der jüdisch-christlichen Religion, spielt der Atem auch eine

große Rolle: In der Bibel lese ich an vielen Stellen vom Atmen. Das fängt an

bei der Schöpfung:

„Da

formte Gott, der Herr, den Menschen aus Staub vom Erdboden und blies ihm den

Lebensatem in seine Nase. So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen“

(Die Bibel, 1. Mose 2,7 (Basisbibel)).

Natürlich

geht es hier nicht um einen naturwissenschaftlichen Vorgang. Für das Wort Atem

steht im hebräischen Urtext das Wort „ruach“, was sehr poetisch für Wind, Kraft, Geist

oder eben Atem stehen kann.

Für das

Judentum und das Christentum kommt gerade darin die Gottverbundenheit zum

Ausdruck. Der göttliche

Atem erweckt den Menschen zum Leben und hält ihn am Leben. Für Juden und

Christen zeigt sich hierin, wie sehr wir Menschen mit Gott verbunden sind.

Wie man

den Atem in seinem Leben verstehen will, spirituell, religiös oder aus rein

biologischer Perspektive, klar ist, wir alle atmen. Das verbindet uns.

Und so

will ich heute an alle

denken, denen das Atmen schwer fällt:

An die

Atemlosen, die von den Kriegen auf dieser Welt gebeutelt sind.

An

die, die schweren Herzens atmen, weil sie sich Sorgen machen um die Zukunft

unserer Erde.

An

die, denen der Atem stockt, weil sie unterdrückt werden.

An

die, die sich danach sehnen, endlich wieder aufzuatmen, nach einer schweren

Zeit.

Und

die, die sich wünschen endlich wieder zu Atem zu kommen, bei allem Stress der

gerade ist.

Ich

denke an die, die den Atem anhalten, weil sie nicht wissen, wie sie das alles

bewältigen sollen.

Und

die, die einen langen Atem brauchen.

An

die, denen das Atmen aus gesundheitlichen Gründen zu schaffen macht.

Die,

die zur Welt kommen und den ersten Atemzug nicht schaffen.

Die,

die ihren letzten Atemzug auf der Erde tun und die, die sie dabei nicht allein

lassen.

Die

ganze Schöpfung atmet – seufzend, fröhlich jubelnd, schwer, leicht, gepresst,

entspannt, flach, tief – je nachdem. Der Atem ist geschenkt. Und manchmal kann

ich ihn zum Guten beeinflussen – in der christlichen Meditation zum Beispiel.

Achten Sie auf Ihren Atem.

Das

wünscht Ihnen, Pfarrerin Anne Wellmann aus Tönisvorst.

Redaktion:

Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/60059_WDR3520230110Wellmann.mp3

  • 10.1.2023
  • Anne Wellmann
  • © Foto von Darius Bashar auf Unsplash
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