Guten
Morgen,
wir
alle tun es ständig, denken aber selten darüber nach: das Atmen.
Erstaunlich
lautlos begleitet es unser Leben, seit dem 1. Atemzug bis
zum letzten Atemzug eben. Und dabei geschieht es einfach so, ohne dass ich was
dazu tun muss.
Der
Atem verrät, wie wir uns im Leben fühlen.
Atmen
wir flach, sind wir kurzatmig?
Können
wir richtig tief ein- und ausatmen oder setzt der Atem aus, weil wir
fassungslos sind, erschrocken, überrascht, krank?
Merke
ich, wie mein Atem sich verändert hat über die Jahre?
Dass
ich nicht mehr so kann, wie ich will?
Oder
atme ich endlich wieder besser, seitdem ich mehr Sport mache.
Wir
mussten in den letzten Jahren über den Atem viel lernen. Auch, wie ansteckend
er sein kann. Wir wissen was Aerosole sind und wissen um Menschen, die immer
noch nicht richtig durchatmen können.
Unsere
Atmung kann vieles beeinflussen.
Das
Sprechen. Die Bewegung. Das Schlafen.
Im
Atmen spüren wir ganz besonders, wie Körper und Geist zusammengehören.
In
vielen Kulturen und Religionen wird dem Atem wegen seiner lebenslangen
Bedeutung für den Menschen besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
So
geht es zum Beispiel beim Meditieren immer auch um die Atmung. Es gibt
Menschen, die beten mit ihrer Atmung. Oder machen bewusste Atemübungen.
In
meiner eigenen, der jüdisch-christlichen Religion, spielt der Atem auch eine
große Rolle: In der Bibel lese ich an vielen Stellen vom Atmen. Das fängt an
bei der Schöpfung:
„Da
formte Gott, der Herr, den Menschen aus Staub vom Erdboden und blies ihm den
Lebensatem in seine Nase. So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen“
(Die Bibel, 1. Mose 2,7 (Basisbibel)).
Natürlich
geht es hier nicht um einen naturwissenschaftlichen Vorgang. Für das Wort Atem
steht im hebräischen Urtext das Wort „ruach“, was sehr poetisch für Wind, Kraft, Geist
oder eben Atem stehen kann.
Für das
Judentum und das Christentum kommt gerade darin die Gottverbundenheit zum
Ausdruck. Der göttliche
Atem erweckt den Menschen zum Leben und hält ihn am Leben. Für Juden und
Christen zeigt sich hierin, wie sehr wir Menschen mit Gott verbunden sind.
Wie man
den Atem in seinem Leben verstehen will, spirituell, religiös oder aus rein
biologischer Perspektive, klar ist, wir alle atmen. Das verbindet uns.
Und so
will ich heute an alle
denken, denen das Atmen schwer fällt:
An die
Atemlosen, die von den Kriegen auf dieser Welt gebeutelt sind.
An
die, die schweren Herzens atmen, weil sie sich Sorgen machen um die Zukunft
unserer Erde.
An
die, denen der Atem stockt, weil sie unterdrückt werden.
An
die, die sich danach sehnen, endlich wieder aufzuatmen, nach einer schweren
Zeit.
Und
die, die sich wünschen endlich wieder zu Atem zu kommen, bei allem Stress der
gerade ist.
Ich
denke an die, die den Atem anhalten, weil sie nicht wissen, wie sie das alles
bewältigen sollen.
Und
die, die einen langen Atem brauchen.
An
die, denen das Atmen aus gesundheitlichen Gründen zu schaffen macht.
Die,
die zur Welt kommen und den ersten Atemzug nicht schaffen.
Die,
die ihren letzten Atemzug auf der Erde tun und die, die sie dabei nicht allein
lassen.
Die
ganze Schöpfung atmet – seufzend, fröhlich jubelnd, schwer, leicht, gepresst,
entspannt, flach, tief – je nachdem. Der Atem ist geschenkt. Und manchmal kann
ich ihn zum Guten beeinflussen – in der christlichen Meditation zum Beispiel.
Achten Sie auf Ihren Atem.
Das
wünscht Ihnen, Pfarrerin Anne Wellmann aus Tönisvorst.
Redaktion:
Landespfarrerin Petra Schulze
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