Tische, die die Welt verändern

Kirche in WDR3 | 13.07.2022 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen.

Da

steht er – und wartet darauf, dass ich mich zu ihm setze, durchatme, vielleicht

etwas esse und mir einfach ein bisschen Zeit nehme. Ohne ihn würde mittlerweile

einfach etwas fehlen. Jetzt hat er sich aber einen Platz in meinem Leben und

auch bisschen in meinem Herzen erobert. Wovon ich hier rede?! Natürlich von

meinem Esszimmertisch.

Es

ist ein großer, alter Holztisch mit einer dunklen Holzplatte und gedrechselten,

weiß-lackierten Tischbeinen. Er ist ein gebrauchtes Möbelstück und an ihm haben

sicherlich schon unzählige Gäste gesessen. Das Schöne an ihm: Meine Familie,

Freunde und auch so manche kleine Arbeitsgruppe haben Platz daran. Und manchmal

auch leider zu viele Dinge, die da nicht hingehören. Ich habe mich schon oft

gefragt: Was wäre die Welt ohne Tische? Sie wäre eine Welt, in der keiner einen

Platz findet, in der ich nicht mit anderen zusammenkomme – weder zum Essen,

noch zum Reden oder zum Arbeiten.

Manche

behaupten ja: Die bedeutenden Geschäfte werden auf den Golfplätzen dieser Welt

verhandelt. Aber die Verträge dazu müssen doch an Tischen unterschrieben werden.

Und ob es die Unabhängigkeitserklärung, die Friedensverträge oder ob es das

unlängst beschlossene Corona-Hilfspaket der EU ist – sie alle werden auf den

Tischen dieser Welt unterschrieben. Was wäre auch bitte der Filmklassiker

„Dinner for one“ ohne die lange Tafel mit der Jubilarin Miss Sophie am Kopfende?

Es wäre doch eine trostlose und wenig festliche Welt.

Auch

eine Ermahnung, wie: „Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst…“ wären

gar nicht erst gesagt oder überliefert worden. Wahrscheinlich genauso wenig wie

der Brief an die Hebräer, wie er im Neuen Testament in der Bibel aufgeschrieben

und bis heute festgehalten wurde. Der Brief an die Hebräer ist ein harter

Brocken, aber plötzlich gegen Ende kommt ein einfacher, klarer Satz: „Vergesst

nicht gastfreundlich zu sein“ Neben der Gastfreundschaft geht es dabei um weit

mehr. Es geht um Liebe. Sie schmeckt nach Geburtstagstorte und einem Glas Wein

mit Freundinnen und Freunden – in guten und in schweren Zeiten. Diese Liebe

schmeckt nach dem Essen, gemeinsam gekocht für die ganze Familie und das

Zusammensein an einem Tisch. Es ist die Liebe Gottes – sie zeigt sich für

Christinnen und Christen auch und gerade beim Abendmahl. Alle – auch die

verschiedensten Menschen – an einem Tisch vereint. Mit Christus. Und alle

können kommen: Fremde, Freunde, Beladende, Bekannte, Familie und Gäste.

Seit

jeher gehört all das zum christlichen Glauben dazu. Und schon vorher brachen

immer wieder Glaubende auf, aßen, tranken und feierten zusammen. In all dem

erkannten sie selbst und andere Gottes Liebe. An einem Abendmahlstisch teilen Christinnen

und Christen bis heute nicht nur Brot und Wein. Wir teilen dort Sorgen, Ängste,

Freude und auch Glück. Es fällt nichts unter den Tisch – auch wir nicht. Es

gibt für alle Platz. Darin spüre ich Gottes Liebe.

Es

herrscht an den Tischen dieser Welt nicht immer Einigkeit, Liebe, Versöhnung oder

Vertrauen zueinander. Aber an diesem einen – am Tisch Gottes schon! Und da bekomme

ich schon einen Vorgeschmack auf das, was noch kommt – das Reich Gottes, in dem

genau das für alle Welt gilt: Liebe und Vertrauen, Versöhnung und Frieden. Und

in dem es uns gelingt, das auch wirklich zu leben!

Es grüßt Sie, Pfarrerin Veronika Grüber aus Bad

Salzuflen.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 13.7.2022
  • Veronika Grüber
  • (Foto: Pixabay)
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