Guten
Morgen.
Da
steht er – und wartet darauf, dass ich mich zu ihm setze, durchatme, vielleicht
etwas esse und mir einfach ein bisschen Zeit nehme. Ohne ihn würde mittlerweile
einfach etwas fehlen. Jetzt hat er sich aber einen Platz in meinem Leben und
auch bisschen in meinem Herzen erobert. Wovon ich hier rede?! Natürlich von
meinem Esszimmertisch.
Es
ist ein großer, alter Holztisch mit einer dunklen Holzplatte und gedrechselten,
weiß-lackierten Tischbeinen. Er ist ein gebrauchtes Möbelstück und an ihm haben
sicherlich schon unzählige Gäste gesessen. Das Schöne an ihm: Meine Familie,
Freunde und auch so manche kleine Arbeitsgruppe haben Platz daran. Und manchmal
auch leider zu viele Dinge, die da nicht hingehören. Ich habe mich schon oft
gefragt: Was wäre die Welt ohne Tische? Sie wäre eine Welt, in der keiner einen
Platz findet, in der ich nicht mit anderen zusammenkomme – weder zum Essen,
noch zum Reden oder zum Arbeiten.
Manche
behaupten ja: Die bedeutenden Geschäfte werden auf den Golfplätzen dieser Welt
verhandelt. Aber die Verträge dazu müssen doch an Tischen unterschrieben werden.
Und ob es die Unabhängigkeitserklärung, die Friedensverträge oder ob es das
unlängst beschlossene Corona-Hilfspaket der EU ist – sie alle werden auf den
Tischen dieser Welt unterschrieben. Was wäre auch bitte der Filmklassiker
„Dinner for one“ ohne die lange Tafel mit der Jubilarin Miss Sophie am Kopfende?
Es wäre doch eine trostlose und wenig festliche Welt.
Auch
eine Ermahnung, wie: „Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst…“ wären
gar nicht erst gesagt oder überliefert worden. Wahrscheinlich genauso wenig wie
der Brief an die Hebräer, wie er im Neuen Testament in der Bibel aufgeschrieben
und bis heute festgehalten wurde. Der Brief an die Hebräer ist ein harter
Brocken, aber plötzlich gegen Ende kommt ein einfacher, klarer Satz: „Vergesst
nicht gastfreundlich zu sein“ Neben der Gastfreundschaft geht es dabei um weit
mehr. Es geht um Liebe. Sie schmeckt nach Geburtstagstorte und einem Glas Wein
mit Freundinnen und Freunden – in guten und in schweren Zeiten. Diese Liebe
schmeckt nach dem Essen, gemeinsam gekocht für die ganze Familie und das
Zusammensein an einem Tisch. Es ist die Liebe Gottes – sie zeigt sich für
Christinnen und Christen auch und gerade beim Abendmahl. Alle – auch die
verschiedensten Menschen – an einem Tisch vereint. Mit Christus. Und alle
können kommen: Fremde, Freunde, Beladende, Bekannte, Familie und Gäste.
Seit
jeher gehört all das zum christlichen Glauben dazu. Und schon vorher brachen
immer wieder Glaubende auf, aßen, tranken und feierten zusammen. In all dem
erkannten sie selbst und andere Gottes Liebe. An einem Abendmahlstisch teilen Christinnen
und Christen bis heute nicht nur Brot und Wein. Wir teilen dort Sorgen, Ängste,
Freude und auch Glück. Es fällt nichts unter den Tisch – auch wir nicht. Es
gibt für alle Platz. Darin spüre ich Gottes Liebe.
Es
herrscht an den Tischen dieser Welt nicht immer Einigkeit, Liebe, Versöhnung oder
Vertrauen zueinander. Aber an diesem einen – am Tisch Gottes schon! Und da bekomme
ich schon einen Vorgeschmack auf das, was noch kommt – das Reich Gottes, in dem
genau das für alle Welt gilt: Liebe und Vertrauen, Versöhnung und Frieden. Und
in dem es uns gelingt, das auch wirklich zu leben!
Es grüßt Sie, Pfarrerin Veronika Grüber aus Bad
Salzuflen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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