Plattensammlung

Kirche in WDR3 | 23.02.2023 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen!

Meine

Mutter fand meinen Vater langweilig.

Aber

nur, wenn´s um die Musik ging.

Mein

Vater war ein großer Fan von den Beatles.

Meine

Mutter fand die Rolling Stones besser.

Und

überhaupt.

Sie

liebt’s bis heute, wenn’s fetzt. Ich auch.

Mein

Vater, war für die nachdenklichen Töne zu haben.

Seine

Beatles-Platten hat mein Vater irgendwann auf Kassetten überspielt

und

nur noch auf Dienstreisen gehört.

Zuhause

lief unsere Musik,

nicht

seine.

Umso

erstaunter war ich, als ich vor ein paar Wochen

eine

Wäschekiste mit Platten von zuhause mitnehmen sollte.

„Sind

glaube ich auch ein paar von Papa dabei,

ich

hab‘ aber ja keinen Plattenspieler mehr,

du

schon“, so die Erklärung meiner Mutter zur Wäschekiste.

Tatsächlich

habe ich darin auch Beatles-Platten gefunden:

Abbey

Road, The

white Album, …

Natürlich

habe ich reingehört

in Papas

Herzmusik.

Ein

Songtext geht mir nicht aus dem Kopf:

„When

I’m sixty-four.“ Wenn ich 64 bin.

Musik:

„give me your answer, fill

in a form

mine for evermore

will you still need me, will you still feed me

when I?m sixty-four?“

1967

– als

der Song auf der Platte Sgt. Peppers Lonley Hearts Club Band erscheint –

ist

mein Vater 17.

Ob er

sich da schon Gedanken gemacht hat, wie das ist,

wenn

er 64 Jahre alt ist,

ob

sein Mädchen ihn dann langweilig findet und verlässt,

oder

ob sie bei ihm bleibt?

Davon

jedenfalls singen die Beatles. Von der Frage:

Ob da

noch was bleibt, ob man noch gebraucht wird

und

ob’s dafür ne Garantie gibt.

Garantien

gibt’s keine.

Nicht

mal dafür 64 zu werden.

Mein

Vater hat das nur knapp geschafft.

Seine

Herzmusik

höre

ich jetzt ganz anders.

Wirst

du mich noch brauchen,

singen

die Beatles.

Ich

dreh‘ das um.

Denn so

langweilig meine Mutter die Platten meines Vaters fand,

so

sehr hat sie ihn geliebt und gebraucht –

bräuchte

ihn heute.

Ja,

ich brauche dich noch,

weil

ich dich liebe – immer noch.

Antworte

ich dem ollen Plattenspieler,

der „When

I’m sixty-four“ in Dauerschleife spielt.

Musik:

„will you still need me,

will you still feed me

when I?m sixty-four?“

In

diesen Tagen

sind

auch in den evangelischen Kirchen

Valentins(tags)gottesdienste

und Gottesdienste für Verliebte gefeiert worden.

Bei

uns geht’s am Sonntag nochmal rund.

Mit Musikband

und Kerzen und Ballons.

Mit

Liedern von Liebe und Freiheit.

Menschen

wie meine Mutter und mein Vater fehlen da oft.

Weil

sie ihn zwar noch liebt und braucht,

er

aber gar nicht mehr da ist.

Ich

finde es immer schön,

wenn

sich in diese Gottesdienste auch Menschen trauen, die sagen:

Ich

bin allein und traurig deswegen;

Ich

bin allein und wütend deswegen;

Ich

bin allein und es ist ok so wie es ist; …

Denen

kann ich dann sagen:

Stimmt

nicht.

Da

ist ja immer noch Gott.

Da

ist einer, der dich liebt und braucht so wie du bist.

Egal

ob verliebt oder verlassen,

enttäuscht

oder mit überschäumendem Herzen.

Gott

sieht dich.

Gott

ist da.

Der

Platz neben Dir ist nicht leer.

Jedenfalls

nicht, wenn du es nicht willst.

Jetzt

wär’s nur gut,

wenn

ich mir das selber auch sagen könnte.

Denn

die Platten meines Vaters,

die

sind schon sehr abgeliebt,

lange

werden die’s mir nicht mehr sagen können.

Aber

vielleicht dauert Trauer einfach manchmal etwas länger,

geht

nie ganz weg und wird zur Erinnerung mit Herzlied.

Ich

wünsch mir das.

Ihre

Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel aus Odenthal.

Anmerkungen:

(1)

The Beatles, Album: Sgt. Peppers Lonley Hearts Club Band, 1967, Text u.

Melodie: John Lennon u. Paul McCartney. Barcode: 0 77774 64422 8, Labelcode: LC

0299

Redaktion: Landespfarrerin

Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/60431_WDR3520230223Riedel.mp3

  • 23.2.2023
  • Julia-Rebecca Riedel
  • © CCO Pixabay
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