Guten
Morgen!
„Zwischen den Jahren“. Die weihnachtliche
Raserei ist zum Stillstand gekommen, in die ich leicht gerate, wenn es gilt, zu
besorgen, zu versorgen und zu beschenken. Erschöpft lasse ich mich in die
Polster fallen. Die Kerzen sind gelöscht. Ich spüre das Ende des Weihnachtsglanzes
kommen. Der Alltag nach dem Fest, die Wirklichkeit nach dem Traum. Manche
nehmen Weihnachten noch mit ins neue Jahr, bis zum 6. Januar, dem Dreikönigstag
oder Epiphaniastag, der ja eigentlich nochmal ein Weihnachtstag ist. Epiphanias
bedeutet: Gott offenbart sich den Menschen, er öffnet die Tür von ihm zu uns. Wie
am Heiligen Abend, als er selbst in seinem Sohn Jesus auf die Welt kommt. Das
ist eigentlich das richtig große Weihnachtsgeschenk, aber was heißt das? Weihnachten
ist vorbei. Was bleibt uns dann heute und morgen noch von diesem Fest?
Manche empfinden die Tage nach Weihnachten
wie einen Schritt ins Leere. Müde werden, melancholisch, kann man da schon. Aber
das muss nicht sein. Ich kann meine Blickrichtung ändern. Dazu gibt es eine
schöne Übung. „Jemanden mit anderen Augen sehen!“ heißt sie. Wir haben sie oft
mit Konfirmandinnen und Konfirmanden gemacht: Alle laufen zur Musik durch den
Raum. Immer wenn die Musik anhält, stoppen die Jugendlichen und müssen einer
gegenüberstehenden Person etwas Positives, etwas Freundliches, etwas Gutes
sagen. Bei jedem Musikstopp muss es eine andere Person sein, damit niemand
bevorzugt wird. Das hat der Gruppe meist Spaß gemacht, hat die Atmosphäre
aufgelockert und den Blick für den anderen neu ausgerichtet. Der zweite Schritt
könnte das Trainieren des Blickwinkels sein. Wenn ich vor dem Jahreswechsel
zurückblicke auf mein Leben. Wenn ich mich an Zeiten erinnere, die nicht so
leicht für mich waren. Dann kann ich mich unter dem Vorzeichen „und trotzdem“
erinnern. In „trotzdem“ steckt ja auch das Wort Trotz. Wie oft ist mir
gelungen, dem, was mich belastet hat, zu trotzen und meinem Leben Erfahrungen
abzutrotzen, die mir letztlich gut getan haben. Ist mein Glas leer oder
halbvoll? Selig sind, die das Glas halbvoll sehen können. Aber auch das lässt
sich lernen. Da kann die kleine Legende von den beiden Mönchen helfen. Sie
suchen den Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren. Die beiden lesen in einem
Buch: Es gibt einen einen Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren. Sie lesen
weiter: Wer diesen Ort findet, der hat das Glück seines Lebens gefunden. Da
machen sie sich auf, diesen Ort zu suchen. Der Weg scheint ungeheuer weit. Sie
nehmen große Anstrengungen auf sich und können doch lange nicht finden, was sie
suchen. Es soll eine Tür dort sein, haben sie gelesen, man brauche nur zu klopfen
und einzutreten. Endlich stehen sie vor der Tür und klopfen an. Bebenden
Herzens treten sie ein. Und als sie aufschauen, stehen sie zuhause in ihrer
Klosterzelle. Ich finde, diese Legende passt in diese seltsame Zwischenzeit
zwischen dem Hochgefühl Weihnachten und der notwendigen Rückkehr in den Alltag.
Genau da, in meinem Zuhause und Alltag, da bewährt sich die Botschaft von
Weihnachten. Dahin funkelt Gottes Licht, da berühren sich Himmel und Erde –
mitten in meinem Alltagsgrau und in dunklen Stunden. Die Weihnachtslichter sind
verloschen. Ich schaue zurück und langsam nach vorn. Das Glas war oft halbvoll.
Mindestens. Und ich bin nicht allein. Mir gegenüber sind so viele, die mir
guttun und denen ich Gutes tun kann. So schaue ich gern nach vorn.
Einen guten Tag! Ihr Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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