Dein Problem

Kirche in 1Live | 15.01.2022 | 00:00 Uhr

Ich hör ein lautes Scheppern.

Dann flucht es in unserem Flur. Meine Freundin wieder. Ich sitze

entspannt im Büro, lausche und kombiniere. Sie wollte heute mit dem Rad

zu einem Termin. Ihr Fahrrad steht immer im Flur, was mich nervt, denn sie

könnte es auch in die Garage stellen. Gestern hat sie eine Kiste mit Tassen auf

dem Gepäckträger ausbalanciert und auf dem Rad im Flur zwischengelagert. Ich

hab ihr noch gesagt, dass diese Lagertechnik nicht optimal ist. Es war

bestimmt die Kiste mit den Tassen. Save. Es scheppert wieder. Jetzt ist das

Fahrrad umgefallen. Gut, dass das nicht mein Problem ist. Mal sehen, ob sie es

schafft! Ich lehne mich zurück.

Mach ich natürlich nicht. Ich

flitze los, hebe das Fahrrad auf und helfe ihr hoch. „Mein Mund möchte Dinge

sagen wie: „Hab ichs dir doch gesagt!“ Aber ich habe heute einen hellen

Augenblick. Ich sage nichts. Helfe ihr auf und höre mich stattdessen sagen:

„Fahre ruhig los. Ich kümmere mich!“ Nicht, dass ich immer so cool reagieren

würde. Ich habe einfach einen guten Tag.

Ich merke, dass ich, abgesehen

von meinem hellen Moment eben, manchmal so eine distanzierte „Mal sehen, ob sie

es schaffen“ Perspektive einnehme. Ich beobachte Entscheidungen der Politik,

die Kids, die Freitags demonstrieren, den Obdachlosen um die Ecke und denke:

„Mal sehen ob sie es schaffen!“ Es ist gemütlich in der „Mal sehen, ob sie es

schaffen!“ Perspektive. Aber sie führt zu nichts!

Wirklich große und kleine,

zuvor nicht vorstellbare Dinge geschehen, wenn wir ein Problem sehen und es zu

unserem Problem machen, statt auf Distanz zu bleiben. Und manchmal wird das

sogar belohnt – wie von meiner Freundin. Die hat mir nämlich nach ihrem Termin

noch meine Lieblingsschokolade mitgebracht.

Sprecher: Jan Primke

Redaktion: Daniel Schneider

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  • 15.1.2022
  • Jan Hanser
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