Garten Eden

Kirche in WDR2 | 30.05.2023 | 00:00 Uhr

In

diesem Frühjahr blüht die Magnolie besonders schön. Man kann vor lauter Blüten

den Stamm und die Äste gar nicht mehr sehen. Ein Traum in Weiß und Rosa.

Wir

sitzen an seinem großen Wohnzimmerfenster mit Blick in den Garten.

Ich

besuche ihn zu seinem 91. Geburtstag. Ich habe eine kleine Hyazinthe

mitgebracht, weil ich weiß, dass er Pflanzen liebt. Er hat mich zum Tee

eingeladen, weil er weiß, dass ich kein Kaffeetrinker bin.

Im vergangenen

Jahr ist seine Frau gestorben, nach fast 64 Jahren Ehe. Ein ganzes Leben zu

zweit, mit Höhen und Tiefen sicherlich, aber am Ende doch harmonisch,

zufrieden. Zu zweit.

Jetzt

ist er alleine – mit dem Leben, dem Alltag, dem großen Garten.

„Es

ist mir alles zu viel“, gesteht er mir. „Es war schon viel, als sie noch da war.

Aber jetzt…“, er lächelt müde. „Ich bin halt auch nicht mehr der Jüngste und

kann nicht mehr so wie früher.“

Ich

blicke hinaus auf den Magnolienblüten Traum, die Rabatte mit den üppig

blühenden Narzissen, den frisch gemähten Rasen, den Gartenteich, auf dem ein

Enten Pärchen schwimmt.

Ich

wende mich ihm zu: „Naja, ungepflegt sieht das da draußen aber nicht aus. Eher

im Gegenteil! Du musst ja noch ganz schön fit sein mit Schaufel und Rasenmäher

…“

Er

lächelt und erzählt mir, dass der Postbote ihn im vergangenen Herbst

angesprochen hat.

Er

wisse, dass seine Frau verstorben ist und frage sich, wie er denn nun mit dem

großen Garten zurechtkommen wolle. Sein Neffe sei mit der Schule fertig,

interessiere sich für eine Lehre zum Gärtner, und ob es denn nicht eine gute

Idee sei, dass er sich zuerst einmal hier ausprobiert.

Das

ist also das ganze Geheimnis hinter dem Blütentraum. Ein junger Mann, der einem

alten Mann hilft. Gegen Taschengeld – klar. Aber das ist nicht der Punkt,

sondern:

Einer

sitzt auf der Terrasse und erzählt vom gemeinsamen Leben mit seiner Frau und

wie sie früher hier gegärtnert hat. Und einer hört zu und benutzt Mäher und

Schaufel und Schere.

Und

das Ergebnis ist eine Blütenpracht, ein Refugium, ein guter Ort der Erinnerung.

Mein

Garten Eden, sagt er mir noch zum Abschied. Er wisse, dass ihr Garten ihr gut

gefallen würde, so schön gepflegt. Und das tröstet ihn, wenn er hinausblickt.

Mein Garten Eden.

Mich

berührt dieses in zweifacher Weise. Zum einen, weil zwei Menschen verschiedener

Generationen mit unterschiedlicher Lebenserfahrung zusammen einen wunderschönen

Ort erschaffen haben. Wozu wir Menschen in der Lage sind, wenn wir einander

zuhören und zusammenarbeiten!

Zum anderen, weil der junge Gärtner ein ehemaliger Konfirmand von mir ist.

Ich

bin stolz auf dich. Du hast Großes geschaffen. Gott segne Dich!

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/61117_WDR220230530Koehler.mp3

  • 30.5.2023
  • Matthias Köhler
  • © Foto von Sam auf Unsplash
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