In
diesem Frühjahr blüht die Magnolie besonders schön. Man kann vor lauter Blüten
den Stamm und die Äste gar nicht mehr sehen. Ein Traum in Weiß und Rosa.
Wir
sitzen an seinem großen Wohnzimmerfenster mit Blick in den Garten.
Ich
besuche ihn zu seinem 91. Geburtstag. Ich habe eine kleine Hyazinthe
mitgebracht, weil ich weiß, dass er Pflanzen liebt. Er hat mich zum Tee
eingeladen, weil er weiß, dass ich kein Kaffeetrinker bin.
Im vergangenen
Jahr ist seine Frau gestorben, nach fast 64 Jahren Ehe. Ein ganzes Leben zu
zweit, mit Höhen und Tiefen sicherlich, aber am Ende doch harmonisch,
zufrieden. Zu zweit.
Jetzt
ist er alleine – mit dem Leben, dem Alltag, dem großen Garten.
„Es
ist mir alles zu viel“, gesteht er mir. „Es war schon viel, als sie noch da war.
Aber jetzt…“, er lächelt müde. „Ich bin halt auch nicht mehr der Jüngste und
kann nicht mehr so wie früher.“
Ich
blicke hinaus auf den Magnolienblüten Traum, die Rabatte mit den üppig
blühenden Narzissen, den frisch gemähten Rasen, den Gartenteich, auf dem ein
Enten Pärchen schwimmt.
Ich
wende mich ihm zu: „Naja, ungepflegt sieht das da draußen aber nicht aus. Eher
im Gegenteil! Du musst ja noch ganz schön fit sein mit Schaufel und Rasenmäher
…“
Er
lächelt und erzählt mir, dass der Postbote ihn im vergangenen Herbst
angesprochen hat.
Er
wisse, dass seine Frau verstorben ist und frage sich, wie er denn nun mit dem
großen Garten zurechtkommen wolle. Sein Neffe sei mit der Schule fertig,
interessiere sich für eine Lehre zum Gärtner, und ob es denn nicht eine gute
Idee sei, dass er sich zuerst einmal hier ausprobiert.
Das
ist also das ganze Geheimnis hinter dem Blütentraum. Ein junger Mann, der einem
alten Mann hilft. Gegen Taschengeld – klar. Aber das ist nicht der Punkt,
sondern:
Einer
sitzt auf der Terrasse und erzählt vom gemeinsamen Leben mit seiner Frau und
wie sie früher hier gegärtnert hat. Und einer hört zu und benutzt Mäher und
Schaufel und Schere.
Und
das Ergebnis ist eine Blütenpracht, ein Refugium, ein guter Ort der Erinnerung.
Mein
Garten Eden, sagt er mir noch zum Abschied. Er wisse, dass ihr Garten ihr gut
gefallen würde, so schön gepflegt. Und das tröstet ihn, wenn er hinausblickt.
Mein Garten Eden.
Mich
berührt dieses in zweifacher Weise. Zum einen, weil zwei Menschen verschiedener
Generationen mit unterschiedlicher Lebenserfahrung zusammen einen wunderschönen
Ort erschaffen haben. Wozu wir Menschen in der Lage sind, wenn wir einander
zuhören und zusammenarbeiten!
Zum anderen, weil der junge Gärtner ein ehemaliger Konfirmand von mir ist.
Ich
bin stolz auf dich. Du hast Großes geschaffen. Gott segne Dich!
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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