Die Bartholomäusnacht (450 Jahre)

Kirche in WDR3 | 24.08.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

O-Ton: Sturmglocken (WDR-Archiv)

Im Morgengrauen in Paris läuten die Glocken Sturm. Es

ist der Auftakt zu einer blutigen Schlacht, die später in die Geschichtsbücher

als die „Bartholomäusnacht“ eingehen wird: Viele Hugenotten, die sich zu ihrem

calvinistisch-protestantischen Glauben bekannten, wurden damals brutal

ermordet.

Das war am 24. August, heute vor 450 Jahren.

So ein Datum ist so etwas wie ein Anhaltspunkt. Lassen Sie uns doch heute Morgen einmal

wortwörtlich anhalten. Anhalten, um über „Glaubensmut“ nachzudenken.

„Wegen des Glaubens verfolgt werden“ ist leider kein Thema, das man nur aus den

Geschichtsbüchern kennt. Weltweit werden immer noch Menschen wegen ihres

Glaubens verfolgt, unterdrückt und geächtet. Nach wie vor gibt es viele, die

wegen ihres Glaubens in ein anderes Land gehen, alles verlassen, was ihnen lieb

und teuer ist, weil ihnen ihr Glaube noch lieber und noch teurer ist.

Ich bin oft sehr beeindruckt von Menschen, die ihren

Glauben trotz aller Gefahren bewahren und leben. Die es sich nicht dadurch

einfacher machen, in dem sie ihn aufgeben für ein Leben in äußerem Frieden. Was

für eine Stärke, was für ein Mut, was für ein Glaube!

In früheren Zeiten waren in Europa Glaube, Politik und

Bevölkerung eng miteinander verknüpft. Daher auch die brutalen Auswirkungen in

den zahlreichen Pogromen der Vergangenheit.

Dass wir in unserem Staat frei unseren Glauben leben

dürfen, ist eine Frucht der Neuzeit und ein unschätzbares Gut.

Ich will also

anhalten und darüber nachdenken, dass es nicht immer selbstverständlich war und

noch immer nicht ist, seinen Glauben frei zu leben. Sondern lebensgefährlich.

Ich bin froh, dass

sich zumindest diese Zeiten, in denen religiöse Verfolgung an der Tagesordnung

war – jedenfalls in unseren Breiten –

geändert haben. Umso wachsamer sollten wir daher sein, wenn an den Rändern

unserer Gesellschaft der Hass auf Menschen wegen ihres Glaubens wieder geschürt

wird. In welcher Form auch immer. Es sollten auch bei uns alle Sturmglocken

läuten, wenn auch nur im Ansatz Menschen wegen ihres Glaubens angegangen

werden.

Vielleicht kann der heutige Tag ein Anhaltspunkt sein,

darüber nachzudenken, wie zerbrechlich und angreifbar der eigene Glaube ist.

Und darüber: Was ist mir eigentlich wichtig an meinem Glauben? Was gehört dazu?

Spielt er eine Rolle in meinem Alltag? Gibt es etwas, das ich über meinen

eigenen Glauben, meine eigene Religion wissen möchte?

Was würde ich gern ändern? Der heutige Tag mit seiner

Erinnerung an die Bartholomäusnacht in Frankreich ist ein Anlass, dankbar zu

sein, in Frieden den eigenen Glauben leben zu können, ihn auch kritisieren zu

dürfen und dennoch zu ihm zu stehen; dankbar auch dafür, mit anderen frei und

ungezwungen darüber sprechen zu können. Ich kann Menschen anderen Glaubens

ernsthaft zuhören und ohne Angst mit allen im Austausch sein, ob sie eine

Religion haben oder nicht, darüber, was sie glauben oder nicht. So ein

„Anhalten“ tut gut und ist das Gegenteil von Stillstand, eine wunderbare Sache!

Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Ihre Pfarrerin

Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln.

Redaktion:

Landespfarrerin Petra Schulze

  • 24.8.2022
  • Nicola Thomas-Landgrebe
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