Die Nacht ist vorgedrungen

Sonntagskirche | 05.12.2021 | 00:00 Uhr

Sprecher:

„Die Nacht ist vorgedrungen,

der Tag ist nicht mehr fern.“

Autorin:1937 schreibt Jochen Klepper diese rätselhaften Zeilen voller Erwartung, voller Hoffnung. Vielleicht mit einem Herzen,dassich in die Enge getrieben fühlt. Denn der Schriftsteller hat Berufsverbot. Und die Nationalsozialisten drängen ihn dazu, seine jüdische Frau und seine beiden Töchter zu verlassen. Eine Tochter kann emigrieren. Tiefste Nacht legt sich um Jochen Klepper und die Familie. Aber in seinem Herzen ist auch Gottvertrauen. Jochen Klepper glaubt: Am Ende wartet das Licht. In Gottes Nähe. Dieses Gottvertrauen bleibt ihm. Bis zum Schluss. Einen Tag bevor seine Frau und seine Tochter deportiert werden sollen, am 11. Dezember 1942, nehmen sich alle drei gemeinsam das Leben.

Sprecher:

„Noch manche Nachtwird fallen,

auf Menschenleid und -schuld“.

Doch wandert nun mit allen,

der Stern der Gotteshuld.“

„Auch wer zur Nacht geweinet,

der stimme froh mit ein.

Der Morgenstern bescheinet

auch deine Angst und Pein.“

Autorin:Heute istder 2. Advent. Und: Vorabend vonNikolaus.Nikolaus war vor langer Zeit Bischof im Städtchen Myra am Mittelmeerin der heutigen Türkei. Einer,dem die Kinder wichtig waren. KinderundKinderlachen.DieZukunftsozusagen. Nikolaus weiß ganz genau, wer welche Schuhgröße hat. Und schiebt unsdasin die Schuhe, waswirbrauchen.Was brauchen wir denn? Zukunft? Ja, sicher! Hoffnung vor allem. Und Nervennahrung: Schokolade darf nicht fehlen. Aber auch ein paar Bilder mit Ereignissen, die alle die gleiche Überschrift haben:„Nie wieder!“Damit das mit der Zukunft und der Hoffnung und den entspannten Nerven auch was wird.

„Nie-wieder-Bilder“ in meinem Nikolausstiefel.

Ich sehe Jochen Klepper vor mir, wie er und seine Familie ausgegrenzt, verachtet und bedroht sind. Und ich habe an diesem Vorabend von Nikolaus alle die Frauen in der Welt in meinem Herzen, die geschlagen werden, die Angst haben zu Hause ihre Stimme zu erheben. Und ich habe die Kinder im Herzen, die an den Grenzen zu meiner schönen, warmen Welt frieren müssen und hungern.

Sprecher:

„Noch manche Nachtwird fallen,

auf Menschenleid und -schuld“.

Autorin:Trotz alldem:Jochen Klepper hatleuchtendeWorte für das, was ihm das Herz schwer macht.ErsetztdemnächtlichenSchrecken, ein Hoffnungsleuchten entgegen. Und das gilt für die schreckliche Zeit des Dritten Reiches genauso wie in den Finsternissen von heute. Nikolaus packt mir also auch das Hoffnungsleuchten in die Stiefel und macht mir Mut:„Mach doch; sag doch, dassFrauen benachteiligt werden, dass Kinder frieren und hungern und sterben, sag doch laut und öffentlich, dass sich impfen lassen bedeutet, solidarisch miteinander zu sein.“Nikolaus. Der Bischof der gefüllten Schuhe. Gefüllt mitBildern, dieMitmenschlichkeitfordernund Gottvertrauenheraufbeschwören. Und Jochen Klepper. Der Mann, dem das Gottvertrauen nie ausging. Beide erzählen auf ihre Weise davon, dass Gott nicht nur da ist, wenn’s super läuft im Leben. Sondern, dass ich mich gerade auch dann auf ihn verlassen kann, wenn’s dunkel um mich herum ist.Beide erzählen davon, dass ich mich klein fühlen und gleichzeitig mein„Nie wieder!“in die Welt hinausrufen kann.

Das passt gut zum 2. Advent, finde ich. Wir laufen auf Weihnachten zu und es wird heller. Auf dem Adventskranz und im Herzen.Einen gesegneten Sonntag wünsche ich Ihnen.

Quellen:

Evangelisches Gesangbuch (eg) 16, Jochen Klepper,Die Nacht ist vorgedrungen

Redaktion:Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/56895_SK20211205Riedel.mp3

  • 5.12.2021
  • Julia-Rebecca Riedel
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