Musik
1: Choralvorspiel
Titel: Der Herr ist König, hoch erhöht; Text; nach Matthias
Jorissen; Musik: Loys Bourgeois; Interpret: Kantorei der Christuskirche Detmold; Leitung: Burkhard Geweke;
Album: Mein ganzes Herz erhebet dich; Verlag: Lippische Bibelgesellschaft e.V.;
Label: unbekannt; LC: 12029.
Autor:
Bibel und Zeitung
gehören zusammen.
In der Bibel steht, wie wir beten sollen, und
in der Zeitung, was wir beten sollen. So Karl Barth, einer der berühmtesten
Theologen des letzten Jahrhunderts. Anfang Dezember 1968 stirbt Karl Barth. Am
Vorabend seines Todes telefoniert er ein letztes Mal mit seinem langjährigen
Freund und Kollegen Eduard Thurneysen. Die beiden Männer tauschen sich über die
bedrohliche Weltlage aus. Aus diesem Gespräch der Freunde stammen die letzten
Worte, die uns von Karl Barth überliefert sind. Er soll gesagt haben: „Ja, die
Welt ist dunkel. Nur ja die Ohren nicht hängen lassen! Nie! Denn es wird
regiert, nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, aber ganz von
oben, vom Himmel her. Gott sitzt im Regimente. Darum fürchte ich mich nicht.“
(1)
„Es wird regiert.“ Dieser Satz geht mir immer
wieder nach. Wenn ich die Zeitung aufschlage, dann frage ich mich manchmal, ob
ich diesen Satz noch so nachsprechen kann. Angesichts dessen, was in dieser
Welt geschieht, kann einem ein solcher Satz schon im Halse stecken bleiben.
Angesichts der Grausamkeit eines Krieges oder der himmelschreienden
Ungerechtigkeit in dieser Welt – kann man das wirklich sagen: Gott regiert?
Auch ein sehr altes Lied, zu dem wir das
Vorspiel gehört haben, erzählt davon, dass Gott regiert. Als König wird Gott
besungen. Die Melodie zu diesem Choral stammt aus dem 16. Jahrhundert von einem
französischen Musiker. Sie scheint beschwingt, ja geradezu hoffnungsfroh; sie
entstand in einer Stadt der Reformation, in Genf. Der Text, so wie er heute im
Gesangbuch steht, stammt aus dem 18. Jahrhundert. Doch eigentlich sind die Worte
dieses Liedes über zweieinhalbtausend Jahre alt. Sie sind der Bibel entnommen,
dem 93. Psalm.
Sprecher: Der
Herr ist König und herrlich gekleidet; der Herr ist gekleidet und umgürtet mit
Kraft. Fest steht der Erdkreis, dass er nicht wankt. Von Anbeginn steht dein
Thron fest; du bist ewig.
Musik
1: Choral 1. und 2. Strophe
Overvoice-Sprecherin:
Der Herr ist
König, hoch erhöht, er gürtet sich mit Majestät, er herrscht, und vor ihm steht
die Welt unwandelbar, da er sie hält. Dein Thron steht fest zu aller Zeit, du
lebst in aller Ewigkeit. O Herr, du siehst von deinem Thron der Ströme
Verderben drohn.
Autor:
Was hat eigentlich Bestand in dieser Welt? Was
gibt Halt? Was trägt? Es ist eine große Zusage, die mit diesem Lied an unser
Ohr dringt: Gott ist König von Anbeginn der Zeit bis heute und in Ewigkeit.
Sehr menschliche Bilder werden hier für Gott verwand. Es ist der Versuch, etwas
in Worte zu fassen, für das keine Worte ausreichen, es zu beschreiben. Gott, so
das Bild, sitzt wie ein König auf einem Thron. Dieser Thron steht fest und
wankt nicht. Und so wie Gott nicht wankt, wankt auch seine Zusage nicht: Gott
hält diese Welt fest und lässt sie nicht los. Gott steht durch alle Zeiten
hindurch treu zu seiner Welt und zu uns, seinen Menschen.
Die Realität in dieser Welt scheint oft eine
andere zu sein. Diktatoren halten diese Welt in Atem; sie überziehen Länder und
Völker mit Krieg und Gewalt. Sie nutzen ihre Macht, um zu manipulieren und der
Welt ihren Willen aufzuzwingen. Um ihre Macht zu erhalten, schrecken sie vor
fast nichts zurück, sie gehen über Leichen. Von den dunklen Mächten weiß auch
dieser Psalm zu erzählen.
Musik
1: Choral 3. Strophe
Overvoice-Sprecherin:
Wenn sich das Meer erhebt und brüllt, was
lebt, mit Todesschrecken füllt, siehts, Herr, dich über sich erhöht, sinkt hin
vor deiner Majestät.
Autor: Lebensbedrohende
Chaosmächte kommen zur Sprache. Ich spüre förmlich das Tosen und Brüllen der
Wellen und des Meeres, die tödliche Gefahr der entfesselten Naturgewalten. Bald
jährt sich der Tag der verheerenden Flut des letzten Jahres an der Ahr und an
anderen Orten. Viele Menschen haben alles verloren. Sie haben Fürchterliches
erlebt. In Psalm 93 heißt es:
Sprecher: Herr,
die Fluten erheben, die Fluten erheben die Stimme, die Fluten erheben ihr
Brausen. Mächtiger als das Tosen großer Wasser, mächtiger als die Wellen des
Meeres ist derHerrin der Höhe.
Autor:
Wasser, Wellen und Fluten waren für die
Menschen der Bibel immer auch ein Bild für Gefahr und Bedrohung. Bis in unsere
heutige Sprache hinein ziehen sich diese Erfahrungen. Wir sprechen davon, dass
uns etwas überflutet, uns den Boden unter den Füßen wegreißt, uns das Wasser
bis zum Halse steht.
Leider sind es immer wieder auch Menschen, die
anderen so den Boden unter den Füßen wegreißen So nimmt der Krieg Menschen die
Heimat, zerstört ihren Lebensraum. Ganze Länder ertrinken so in Chaos und
Gewalt. Es ist schwer erträglich, so empfinde ich es, dass Gott nicht Einhalt
gebietet, den Kriegstreibern und anderen Chaosmächten.
Gott hat uns als freie Wesen geschaffen. Und
so sind wir leider auch frei, das Böse zu wählen. Dass Gott nicht eingreift,
darunter leiden immer wieder auch die Beterinnen und Beter der Bibel, denen wir
die Psalmen verdanken. Sie bringen dies in ihrer Klage vor Gott, schreien es
manchmal geradezu heraus. Doch immer wieder klingt die Hoffnung an, dass Gott
letztlich stärker ist als all diese Chaosmächte.
Musik
1: Choral 4. Strophe
Overvoice-Sprecherin:
Wenn alles wankt, dein Zeugnis nicht, du
hältst, was deine Huld verspricht, drum sucht dein Volk, das dir sich weiht,
hier seinen Schmuck in Heiligkeit.
Autor:
Alles Chaos, alle dunklen Mächte haben nicht das letzte Wort. Ihre Macht, das
ist die Hoffnung dieses Liedes, ist begrenzt. Gott lässt sich nicht davon
abbringen, seine Erde und uns zu halten und zu tragen. Gott bleibt sich und uns
treu. Durch Bedrohungen hindurch und über Abgründe hinweg.
Morgen feiern wir das Pfingstfest. Gott selbst
kommt uns nahe, rührt uns an mit seiner Geistkraft. Sie pflanzt uns diese
Hoffnung ins Herz.
In dem letzten Telefonat mit seinem Freund
teilt Karl Barth mit ihm diese Hoffnung. Er sagt: „Lassen wir die Hoffnung
nicht sinken, die Hoffnung für alle Menschen, für die ganze Völkerwelt! Gott
lässt uns nicht fallen, keinen einzigen von uns und uns alle miteinander nicht!
Es wird regiert!“ (2)
Musik
1: Choralvorspiel
Quellen
(1) Christiane Tietz, Karl Barth. Ein Leben im
Widerspruch, München 2018, S.414.
(2) ebd.
Redaktion: Landespfarrer
Dr. Titus Reinmuth