"Der Herr ist König, hoch erhöht" (eg 623)

Choralandacht | 04.06.2022 | 00:00 Uhr

Musik

1: Choralvorspiel

Titel: Der Herr ist König, hoch erhöht; Text; nach Matthias

Jorissen; Musik: Loys Bourgeois; Interpret: Kantorei der Christuskirche Detmold; Leitung: Burkhard Geweke;

Album: Mein ganzes Herz erhebet dich; Verlag: Lippische Bibelgesellschaft e.V.;

Label: unbekannt; LC: 12029.

Autor:

Bibel und Zeitung

gehören zusammen.

In der Bibel steht, wie wir beten sollen, und

in der Zeitung, was wir beten sollen. So Karl Barth, einer der berühmtesten

Theologen des letzten Jahrhunderts. Anfang Dezember 1968 stirbt Karl Barth. Am

Vorabend seines Todes telefoniert er ein letztes Mal mit seinem langjährigen

Freund und Kollegen Eduard Thurneysen. Die beiden Männer tauschen sich über die

bedrohliche Weltlage aus. Aus diesem Gespräch der Freunde stammen die letzten

Worte, die uns von Karl Barth überliefert sind. Er soll gesagt haben: „Ja, die

Welt ist dunkel. Nur ja die Ohren nicht hängen lassen! Nie! Denn es wird

regiert, nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, aber ganz von

oben, vom Himmel her. Gott sitzt im Regimente. Darum fürchte ich mich nicht.“

(1)

„Es wird regiert.“ Dieser Satz geht mir immer

wieder nach. Wenn ich die Zeitung aufschlage, dann frage ich mich manchmal, ob

ich diesen Satz noch so nachsprechen kann. Angesichts dessen, was in dieser

Welt geschieht, kann einem ein solcher Satz schon im Halse stecken bleiben.

Angesichts der Grausamkeit eines Krieges oder der himmelschreienden

Ungerechtigkeit in dieser Welt – kann man das wirklich sagen: Gott regiert?

Auch ein sehr altes Lied, zu dem wir das

Vorspiel gehört haben, erzählt davon, dass Gott regiert. Als König wird Gott

besungen. Die Melodie zu diesem Choral stammt aus dem 16. Jahrhundert von einem

französischen Musiker. Sie scheint beschwingt, ja geradezu hoffnungsfroh; sie

entstand in einer Stadt der Reformation, in Genf. Der Text, so wie er heute im

Gesangbuch steht, stammt aus dem 18. Jahrhundert. Doch eigentlich sind die Worte

dieses Liedes über zweieinhalbtausend Jahre alt. Sie sind der Bibel entnommen,

dem 93. Psalm.

Sprecher: Der

Herr ist König und herrlich gekleidet; der Herr ist gekleidet und umgürtet mit

Kraft. Fest steht der Erdkreis, dass er nicht wankt. Von Anbeginn steht dein

Thron fest; du bist ewig.

Musik

1: Choral 1. und 2. Strophe

Overvoice-Sprecherin:

Der Herr ist

König, hoch erhöht, er gürtet sich mit Majestät, er herrscht, und vor ihm steht

die Welt unwandelbar, da er sie hält. Dein Thron steht fest zu aller Zeit, du

lebst in aller Ewigkeit. O Herr, du siehst von deinem Thron der Ströme

Verderben drohn.

Autor:

Was hat eigentlich Bestand in dieser Welt? Was

gibt Halt? Was trägt? Es ist eine große Zusage, die mit diesem Lied an unser

Ohr dringt: Gott ist König von Anbeginn der Zeit bis heute und in Ewigkeit.

Sehr menschliche Bilder werden hier für Gott verwand. Es ist der Versuch, etwas

in Worte zu fassen, für das keine Worte ausreichen, es zu beschreiben. Gott, so

das Bild, sitzt wie ein König auf einem Thron. Dieser Thron steht fest und

wankt nicht. Und so wie Gott nicht wankt, wankt auch seine Zusage nicht: Gott

hält diese Welt fest und lässt sie nicht los. Gott steht durch alle Zeiten

hindurch treu zu seiner Welt und zu uns, seinen Menschen.

Die Realität in dieser Welt scheint oft eine

andere zu sein. Diktatoren halten diese Welt in Atem; sie überziehen Länder und

Völker mit Krieg und Gewalt. Sie nutzen ihre Macht, um zu manipulieren und der

Welt ihren Willen aufzuzwingen. Um ihre Macht zu erhalten, schrecken sie vor

fast nichts zurück, sie gehen über Leichen. Von den dunklen Mächten weiß auch

dieser Psalm zu erzählen.

Musik

1: Choral 3. Strophe

Overvoice-Sprecherin:

Wenn sich das Meer erhebt und brüllt, was

lebt, mit Todesschrecken füllt, siehts, Herr, dich über sich erhöht, sinkt hin

vor deiner Majestät.

Autor: Lebensbedrohende

Chaosmächte kommen zur Sprache. Ich spüre förmlich das Tosen und Brüllen der

Wellen und des Meeres, die tödliche Gefahr der entfesselten Naturgewalten. Bald

jährt sich der Tag der verheerenden Flut des letzten Jahres an der Ahr und an

anderen Orten. Viele Menschen haben alles verloren. Sie haben Fürchterliches

erlebt. In Psalm 93 heißt es:

Sprecher: Herr,

die Fluten erheben, die Fluten erheben die Stimme, die Fluten erheben ihr

Brausen. Mächtiger als das Tosen großer Wasser, mächtiger als die Wellen des

Meeres ist derHerrin der Höhe.

Autor:

Wasser, Wellen und Fluten waren für die

Menschen der Bibel immer auch ein Bild für Gefahr und Bedrohung. Bis in unsere

heutige Sprache hinein ziehen sich diese Erfahrungen. Wir sprechen davon, dass

uns etwas überflutet, uns den Boden unter den Füßen wegreißt, uns das Wasser

bis zum Halse steht.

Leider sind es immer wieder auch Menschen, die

anderen so den Boden unter den Füßen wegreißen So nimmt der Krieg Menschen die

Heimat, zerstört ihren Lebensraum. Ganze Länder ertrinken so in Chaos und

Gewalt. Es ist schwer erträglich, so empfinde ich es, dass Gott nicht Einhalt

gebietet, den Kriegstreibern und anderen Chaosmächten.

Gott hat uns als freie Wesen geschaffen. Und

so sind wir leider auch frei, das Böse zu wählen. Dass Gott nicht eingreift,

darunter leiden immer wieder auch die Beterinnen und Beter der Bibel, denen wir

die Psalmen verdanken. Sie bringen dies in ihrer Klage vor Gott, schreien es

manchmal geradezu heraus. Doch immer wieder klingt die Hoffnung an, dass Gott

letztlich stärker ist als all diese Chaosmächte.

Musik

1: Choral 4. Strophe

Overvoice-Sprecherin:

Wenn alles wankt, dein Zeugnis nicht, du

hältst, was deine Huld verspricht, drum sucht dein Volk, das dir sich weiht,

hier seinen Schmuck in Heiligkeit.

Autor:

Alles Chaos, alle dunklen Mächte haben nicht das letzte Wort. Ihre Macht, das

ist die Hoffnung dieses Liedes, ist begrenzt. Gott lässt sich nicht davon

abbringen, seine Erde und uns zu halten und zu tragen. Gott bleibt sich und uns

treu. Durch Bedrohungen hindurch und über Abgründe hinweg.

Morgen feiern wir das Pfingstfest. Gott selbst

kommt uns nahe, rührt uns an mit seiner Geistkraft. Sie pflanzt uns diese

Hoffnung ins Herz.

In dem letzten Telefonat mit seinem Freund

teilt Karl Barth mit ihm diese Hoffnung. Er sagt: „Lassen wir die Hoffnung

nicht sinken, die Hoffnung für alle Menschen, für die ganze Völkerwelt! Gott

lässt uns nicht fallen, keinen einzigen von uns und uns alle miteinander nicht!

Es wird regiert!“ (2)

Musik

1: Choralvorspiel

Quellen

(1) Christiane Tietz, Karl Barth. Ein Leben im

Widerspruch, München 2018, S.414.

(2) ebd.

Redaktion: Landespfarrer

Dr. Titus Reinmuth

  • 4.6.2022
  • Dietmar Arends
  • © CCO Pixabay