Schubladen

Kirche in WDR2 | 17.12.2021 | 00:00 Uhr

Sagen Sie mal, in welche

Schublade gehören Sie eigentlich? Sind Sie vielleicht auch so ein Coronahysteriker?

So typisch mit Maske und Desinfektionsmittel überall? Oder doch eher ein

Querdenker? Sind Sie vielleicht ein Klimawandelleugner, dem der Auspuff seines

Autos näher ist als die Zukunft des Planeten? Oder so ein Ökoterrorist, der

allen seine links-grüne Meinung aufzwingen will? Was sagen Sie? Sie wollen sich nirgendwo einordnen lassen? Ach so

einer sind Sie. Na dann ab in die Schublade: „Störrisch und Eigensinnig“. Heutzutage

bekommt jeder sein Label: Man ist ein Linker oder ein Rechter, ein veganer

Fanatiker oder ein Tiermörder. Man betreibt Genderwahnsinn oder

rückwärtsgewandten Patriarchalismus/Patriarchismus. Entweder oder und nichts

dazwischen. Das macht den Ton spürbar rauer. Und eine gewisse Verachtung

breitet sich aus für alle, die sich nicht in der eigenen Schublade aufhalten.

Aus Meinungsverschiedenheiten werden Gräben. Aus Andersdenkenden Feinde. Man

redet nicht miteinander, sondern übereinander: Shitstorm statt Dialog. Irgendwie

ist das heute so. Warum?

Die einen sagen: Die Welt ist

heute so kompliziert. Man muss so viele Entscheidungen treffen und

Verantwortung tragen. Da macht man sich die Welt eben einfach. Und pflegt

Schubladen und Vorurteile. Schwarz – weiß, das klappt schließlich immer. Mag

sein. Die anderen sagen: Es liegt an den Algorithmen der sozialen Medien. Die

führen zusammen, was sowieso schon gleich ist. Bis man gar nicht mehr begreift,

dass man auch noch anders denken oder fühlen kann. Mag sein. Heute ist das

irgendwie so: Label drauf und ab in die Schublade. Und wehe, du bist nicht in

meiner.

Der Apostel Paulus erinnert:

Bei Gott gibt es einen Gegenentwurf. Er schreibt: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier,

hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Paulus

sieht natürlich auch Unterschiede zwischen den Menschen. Aber niemand gehört

deswegen in eine Schublade. Da ist kein Grund für Überheblichkeit oder

Abwertung. Ziel ist es auch nicht, die Unterschiede zu überwinden, damit alle

gleich werden. Und am besten so wie man selbst. Sondern im Gegenteil:

Unterschiede sind eine Chance. Man muss sie achten, nutzen. Um sich gegenseitig

zu unterstützen, zu stärken. Vielleicht auch mal zu begrenzen. Damit einer von

der Besonderheit des anderen profitieren kann. Das geht nur, wenn alle

unterschiedlich sind, aber sich füreinander einsetzen. In gegenseitiger

Verantwortung. Denn das große Ziel eines friedlichen, gerechten Miteinanders

erreicht man nicht von seiner Schublade aus, sondern tatsächlich nur gemeinsam.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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  • 17.12.2021
  • Thomas Schrödter
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