Sagen Sie mal, in welche
Schublade gehören Sie eigentlich? Sind Sie vielleicht auch so ein Coronahysteriker?
So typisch mit Maske und Desinfektionsmittel überall? Oder doch eher ein
Querdenker? Sind Sie vielleicht ein Klimawandelleugner, dem der Auspuff seines
Autos näher ist als die Zukunft des Planeten? Oder so ein Ökoterrorist, der
allen seine links-grüne Meinung aufzwingen will? Was sagen Sie? Sie wollen sich nirgendwo einordnen lassen? Ach so
einer sind Sie. Na dann ab in die Schublade: „Störrisch und Eigensinnig“. Heutzutage
bekommt jeder sein Label: Man ist ein Linker oder ein Rechter, ein veganer
Fanatiker oder ein Tiermörder. Man betreibt Genderwahnsinn oder
rückwärtsgewandten Patriarchalismus/Patriarchismus. Entweder oder und nichts
dazwischen. Das macht den Ton spürbar rauer. Und eine gewisse Verachtung
breitet sich aus für alle, die sich nicht in der eigenen Schublade aufhalten.
Aus Meinungsverschiedenheiten werden Gräben. Aus Andersdenkenden Feinde. Man
redet nicht miteinander, sondern übereinander: Shitstorm statt Dialog. Irgendwie
ist das heute so. Warum?
Die einen sagen: Die Welt ist
heute so kompliziert. Man muss so viele Entscheidungen treffen und
Verantwortung tragen. Da macht man sich die Welt eben einfach. Und pflegt
Schubladen und Vorurteile. Schwarz – weiß, das klappt schließlich immer. Mag
sein. Die anderen sagen: Es liegt an den Algorithmen der sozialen Medien. Die
führen zusammen, was sowieso schon gleich ist. Bis man gar nicht mehr begreift,
dass man auch noch anders denken oder fühlen kann. Mag sein. Heute ist das
irgendwie so: Label drauf und ab in die Schublade. Und wehe, du bist nicht in
meiner.
Der Apostel Paulus erinnert:
Bei Gott gibt es einen Gegenentwurf. Er schreibt: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier,
hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Paulus
sieht natürlich auch Unterschiede zwischen den Menschen. Aber niemand gehört
deswegen in eine Schublade. Da ist kein Grund für Überheblichkeit oder
Abwertung. Ziel ist es auch nicht, die Unterschiede zu überwinden, damit alle
gleich werden. Und am besten so wie man selbst. Sondern im Gegenteil:
Unterschiede sind eine Chance. Man muss sie achten, nutzen. Um sich gegenseitig
zu unterstützen, zu stärken. Vielleicht auch mal zu begrenzen. Damit einer von
der Besonderheit des anderen profitieren kann. Das geht nur, wenn alle
unterschiedlich sind, aber sich füreinander einsetzen. In gegenseitiger
Verantwortung. Denn das große Ziel eines friedlichen, gerechten Miteinanders
erreicht man nicht von seiner Schublade aus, sondern tatsächlich nur gemeinsam.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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