China im Gartencenter

Kirche in WDR3 | 01.07.2022 | 00:00 Uhr

Autor:

Guten

Morgen!

Neulich

im Gartencenter. Schlendere ich so durch die Gänge, fällt mir ein Blechübertopf

in die Augen, ganz nettes Dekor. Und was kostet so ein Teil? Ich blicke auf das

Preisschild und da fällt mir der Topf beinahe wieder aus der Hand. Nicht weil

er teuer ist, ganz im Gegenteil. Ein Spottpreis. Und es steht auf dem

Preisschild ganz groß: Made in China. Da halte ich also ein Blechding in der

Hand, das im „Reich der Mitte“ hergestellt worden ist. Und dann läuft vor

meinem inneren Auge ein Film ab. Ich sehe verschleppte Uiguren, die unter

schlimmsten Arbeitsbedingungen diesen Blumentopf aus der Stahlpresse holen. Ich

sehe ungefilterte Abwässer in Flüsse laufen und Abgase die Luft verpesten. Sehe

lange LKW-Schlangen und riesige Containerschiffe, die diesen Blumentopf in

dieses Gartencenter gebracht haben. So wie kürzlich in einer Fernsehdokumentation.

Ich

bin sensibilisiert. Ich schaue mir andere Preisschilder an. Und immer wieder:

Made in China oder Made in PRC. Das hat nichts mit einem PCR-Test zu tun. Das

Kürzel steht für "Peoples Republic of China" oder auf Deutsch

"Volksrepublik China". Mehr als die Hälfte aller Artikel in diesem

Gartencenter scheinen aus China zu kommen. Von einfachen Blumenübertöpfen aus

Plastik bis zur luxuriösen Hollywood-Schaukel: immer wieder „Made in China!“

Ich werde nachdenklich.

Man

hat es oft genug in den Nachrichten gehört: China ist einer der wichtigsten

Handelspartner Deutschlands. Doch es ist etwas anderes, wenn man auf einmal

diese Flut von Produkten aus China sieht. Produkte, die vielleicht von

unterdrückten Minderheiten hergestellt werden; unter Arbeitsbedingungen, die

keine europäischen Standards erfüllen müssen. Wo Umweltschutz kaum eine Rolle

spielt. Und dann der weite Transport zu uns. Was für Energie wird hier verbraucht?

Und wofür? Damit wir hier Billigstwaren kaufen können? Ist das gut?

Mir gehen seit dem Besuch im Gartencenter zwei Gedanken nicht

mehr aus dem Kopf: Ich frage mich: Wie viel Produkte aus China stehen in meiner

Wohnung? Durch mein Verhalten halte ich diese ungerechten und schädlichen

Strukturen aufrecht. Lade ich da nicht Schuld auf mich?

Der zweite Gedanke, der zur Tat wurde: Ich achte auf die Herkunft der Dinge,

die ich einkaufe. Sicherlich werde ich es nicht vermeiden können, Waren aus

China zu kaufen. Und mein Verhalten wird auch nicht die Weltwirtschaftsordnung

mit ihrem Warenströmen ändern können. Aber ich fühle mich ein wenig besser.

In der

Bibel, im Buch der Sprüche lese ich folgendes: "Öffne deinen Mund für den

Stummen, für das Recht aller Schwachen!" (1) Gott hat ein Interesse daran,

dass Unterdrückten Gerechtigkeit widerfährt. Und er erwartet, dass wir Menschen

unsere Stimme für Stumme und Schwache erheben.

In dem

Buch "Nachfolge" von 1937 sagt der evangelische Theologe Dietrich

Bonhoeffer und das ist hochaktuell:

Sprecherin:

(weiblich)

"Verweigert

die Welt Gerechtigkeit, so wird (…) [der Christ] Barmherzigkeit üben, hüllt

sich die Welt in Lüge, so wird er seinen Mund für die Stummen auftun und für

die Wahrheit Zeugnis geben. Um des Bruders willen, sei er Jude oder Grieche,

Knecht oder Freier, stark oder schwach, edel oder unedel, wird er auf alle

Gemeinschaft der Welt verzichten; denn er dient der Gemeinschaft des Leibes

Christi." (2)

Autor:

Wo

können wir heute Barmherzigkeit üben, unseren Mund für Schwache auftun und für

die Wahrheit einstehen?

(Ende

WDR 4 und Verabschiedung WDR 3 und WDR 5)

Das war Pastor Heddo Knieper aus Soest.

(1) Die Bibel, Sprüche 31,8

(Einheitsübersetzung 16)

(2) Dietrich Bonhoeffer,

Nachfolge, Gütersloh, München, 2008, S. 253.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulzehttps://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58562_WDR3520220701Knieper.mp3

  • 1.7.2022
  • Heddo Knieper
  • (Foto: Pixabay)
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