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Guten
Morgen!
Neulich
im Gartencenter. Schlendere ich so durch die Gänge, fällt mir ein Blechübertopf
in die Augen, ganz nettes Dekor. Und was kostet so ein Teil? Ich blicke auf das
Preisschild und da fällt mir der Topf beinahe wieder aus der Hand. Nicht weil
er teuer ist, ganz im Gegenteil. Ein Spottpreis. Und es steht auf dem
Preisschild ganz groß: Made in China. Da halte ich also ein Blechding in der
Hand, das im „Reich der Mitte“ hergestellt worden ist. Und dann läuft vor
meinem inneren Auge ein Film ab. Ich sehe verschleppte Uiguren, die unter
schlimmsten Arbeitsbedingungen diesen Blumentopf aus der Stahlpresse holen. Ich
sehe ungefilterte Abwässer in Flüsse laufen und Abgase die Luft verpesten. Sehe
lange LKW-Schlangen und riesige Containerschiffe, die diesen Blumentopf in
dieses Gartencenter gebracht haben. So wie kürzlich in einer Fernsehdokumentation.
Ich
bin sensibilisiert. Ich schaue mir andere Preisschilder an. Und immer wieder:
Made in China oder Made in PRC. Das hat nichts mit einem PCR-Test zu tun. Das
Kürzel steht für "Peoples Republic of China" oder auf Deutsch
"Volksrepublik China". Mehr als die Hälfte aller Artikel in diesem
Gartencenter scheinen aus China zu kommen. Von einfachen Blumenübertöpfen aus
Plastik bis zur luxuriösen Hollywood-Schaukel: immer wieder „Made in China!“
Ich werde nachdenklich.
Man
hat es oft genug in den Nachrichten gehört: China ist einer der wichtigsten
Handelspartner Deutschlands. Doch es ist etwas anderes, wenn man auf einmal
diese Flut von Produkten aus China sieht. Produkte, die vielleicht von
unterdrückten Minderheiten hergestellt werden; unter Arbeitsbedingungen, die
keine europäischen Standards erfüllen müssen. Wo Umweltschutz kaum eine Rolle
spielt. Und dann der weite Transport zu uns. Was für Energie wird hier verbraucht?
Und wofür? Damit wir hier Billigstwaren kaufen können? Ist das gut?
Mir gehen seit dem Besuch im Gartencenter zwei Gedanken nicht
mehr aus dem Kopf: Ich frage mich: Wie viel Produkte aus China stehen in meiner
Wohnung? Durch mein Verhalten halte ich diese ungerechten und schädlichen
Strukturen aufrecht. Lade ich da nicht Schuld auf mich?
Der zweite Gedanke, der zur Tat wurde: Ich achte auf die Herkunft der Dinge,
die ich einkaufe. Sicherlich werde ich es nicht vermeiden können, Waren aus
China zu kaufen. Und mein Verhalten wird auch nicht die Weltwirtschaftsordnung
mit ihrem Warenströmen ändern können. Aber ich fühle mich ein wenig besser.
In der
Bibel, im Buch der Sprüche lese ich folgendes: "Öffne deinen Mund für den
Stummen, für das Recht aller Schwachen!" (1) Gott hat ein Interesse daran,
dass Unterdrückten Gerechtigkeit widerfährt. Und er erwartet, dass wir Menschen
unsere Stimme für Stumme und Schwache erheben.
In dem
Buch "Nachfolge" von 1937 sagt der evangelische Theologe Dietrich
Bonhoeffer und das ist hochaktuell:
Sprecherin:
(weiblich)
"Verweigert
die Welt Gerechtigkeit, so wird (…) [der Christ] Barmherzigkeit üben, hüllt
sich die Welt in Lüge, so wird er seinen Mund für die Stummen auftun und für
die Wahrheit Zeugnis geben. Um des Bruders willen, sei er Jude oder Grieche,
Knecht oder Freier, stark oder schwach, edel oder unedel, wird er auf alle
Gemeinschaft der Welt verzichten; denn er dient der Gemeinschaft des Leibes
Christi." (2)
Autor:
Wo
können wir heute Barmherzigkeit üben, unseren Mund für Schwache auftun und für
die Wahrheit einstehen?
(Ende
WDR 4 und Verabschiedung WDR 3 und WDR 5)
Das war Pastor Heddo Knieper aus Soest.
(1) Die Bibel, Sprüche 31,8
(Einheitsübersetzung 16)
(2) Dietrich Bonhoeffer,
Nachfolge, Gütersloh, München, 2008, S. 253.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulzehttps://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58562_WDR3520220701Knieper.mp3