Wow!
Sprachlos stimme ich ihm zu.
Ich bin Pfarrer in einem
Gefängnis und spreche mit Gefangenen über einen biblischen Text.
Irgendwann frage ich:
«Wie wäre das eigentlich,
wenn Jesus jetzt inhaftiert würde?»
«Wie wäre das, wenn er Ihr
neuer Zellennachbar wäre?»
«Was würde Jesus sagen?»
Kurze Stille. Kurz.
Dann schaut mich einer der
Männer an und sagt:
«Das ist doch ganz einfach
Herr Schnitzius:
Jesus würde gar nichts sagen.
Er würde nur dastehen und mich anschauen. Und mir die Hand auf die Schulter
legen.»
Wow! Danke. Darauf kann ich
nur «Halleluja» antworten.
Für mich hat der junge
Gefangene damit das Wichtigste für den Glauben an Christus gesagt:
Angeschaut zu werden.
Liebevoll. Angesehen zu werden. Und die Hand auf der Schulter zu fühlen. In
Verbindung zu sein, ohne aufzuhören ich zu sein.
In der Gefängnisbibelgruppe
frage ich den jungen Mann dann irgendwann noch:
«Und was ist dann – anders?»
Antwort: «Dann ist alles gut.»
Klar: Jetzt ist nicht alles
anders. Das Gefängnis ist das Gefängnis. Und die Wirklichkeiten auf der Piste,
wie man im Gefängnis eine Abteilung nennt, ist eine andere als die in der
Bibelgruppe.
Nur: Offensichtlich ist die
Wirklichkeit noch viel differenzierter und komplexer, als ich das in meinem
Alltagsbewusstsein für möglich halte.
Offensichtlich spricht mich wesentliche
Glaubenserfahrung von einem Mitmenschen an, der gleichzeitig als Täter, der er
auch war, hinter Mauern sitzt.
«Was ist das Wichtigste hier
im Gefängnis für Sie» frage ich einen anderen jugendlichen Gefangenen.
Der Mann ist Raucher, also –
Sucht ist Sucht, erstmal: Tabak.
Nachdem frage ich weiter:
«Was ist das Wichtigste nicht
Materielle für Sie hier?»
Pause.
Dann sagt er: «Das man mir
vertraut. « Und präzisiert: «Das man mir ermöglicht, Vertrauen zu erarbeiten.»
«Na ja» ergänze ich «das
bekommt man ja erst einmal geschenkt; also das, was man so Vertrauensvorschuss
nennt.«
Damit fängt Gott an.
Wieder und wieder.
Wie sagte der junge Gefangene
zu Jesus als Zellennachbar:
«Er würde nichts sagen, mich
anschauen und mir die Hand auf die Schulter legen.»
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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