Guten Morgen!
Lauschen Sie manchmal auf
Schritte?
Ich hör´ das am Schritt,
welches meiner Kinder da gerade in die Küche geht, und mein Hund kennt meine
Schritte, wenn ich nach Hause komme. Er ist schon außer sich vor Freude, ohne
mich überhaupt zu sehen.
Patientinnen und Patienten im
Krankenhaus erzählen mir davon, wie sie auf Schritte lauschen. Holen sie mich
ab zur Untersuchung, zur OP? Kommen sie mit Botschaften, und mit welchen?
Kinder lauschen auf Schritte,
wenn sie abends alleine sind. Sind da womöglich Einbrecher, oder sind’s doch
die Eltern, die nach Hause kommen?
Frauen lauschen, voller
Angst, auf Schritte des Mannes, der nach Hause kommt, der wütend wird, wenn es
nicht so ist, wie er es verlangt, der zuschlägt.
Alles beginnt mit den
Schritten. Mit dem Hinhören. Mit dem Ablauschen dessen, der da kommt.
Und es gibt die
angstmachenden Schritte und die Schritte, die das Herz vor Freude hochspringen
lassen.
Die Bibel erzählt in einem
alten Lied: „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Boten, die da
Frieden verkündigen.“ (Die Bibel, Jesaja 52,7) Ist das ein schöner Satz.
Lieblich ist so ein sanftes
Wort. So altertümlich. Es hat Wärme, es hat Schönheit. Liebliche Schritte, ein
guter Klang, Boten, die vom Frieden erzählen.
Zugleich höre ich: Unsere
Zeit ist mit anderen Klängen und anderen Boten gefüllt. Und ihre Geräusche
sitzen tief.
Die ukrainische Frau, die für
einige Zeit bei mir gewohnt hat, hat eine App für den Fliegeralarm in Kiew auf
ihrem Handy. Während wir am Tisch sitzen und essen, springt der Klang an und
wirft den Krieg auf den Esstisch.
Zwei Tage später, als wir
gerade losgehen wollen zum Einkaufen, geht auf unserer Grundschule im Viertel die
Sirene los. Normal, zwölf Uhr. Ihr fällt alles aus der Hand. Ich sehe im
Bruchteil der Sekunde alles in ihrem Gesicht, die Angst, die Flucht, den namenlosen
Schrecken, den Impuls, alles loszulassen und in den Keller zu rennen.
Nicht lieblich klingende
Boten des Friedens, sondern der Klang des Krieges – er ängstigt
Kriegsüberlebende aller Zeiten. Ich erinnere mich an meine Grundschullehrerin,
sie hasste die Sirene auf unserem Schuldach.
Alles in mir und alles in
unserer Welt sehnt sich nach den lieblichen Klängen der nahenden Friedensboten.
Sie kommen mit Schritten, die vom Guten künden.
Ich schaue auf meine
Schritte. Und ich geh los, zur Arbeit, zum Einkaufen, ich geh mit dem Hund, ich
geh zum Essen und ins Bett.
Ich höre das alte Lied und
ich höre die schlimmen Klänge und weiß: Es lohnt sich, jeden einzelnen Schritt
möglichst lieblich zu setzen. Möglichst schönen Klang in die Welt zu geben.
Meine Schritte sollten
lieblich sein. Den Klang des Heils erzeugen, Töne gegen den Lärm von Sirenen
und Angstgeschrei, von Bomben und zerberstenden Häusern, und das ist nicht erst
seit dem 24. Februar so.
Ich sehe so viele liebliche
Füße auf dem Weg zum Kerzenständer in der Kirche, um ein Licht zu entzünden.
Liebliche Füße des Flüchtlingshelfers, der mitten im Getümmel im Rathaus noch
den Überblick für die Familien behält. Liebliche Füße der Lehrerin, die den
Google-Translator rauszieht, weil das neue Mädchen nur ukrainisch und russisch versteht.
Meine lieblichen Füße, weil ich rasch loslaufe, als ich die Sirene höre, um
möglichst schnell zu erklären, dass kein Grund zur Angst besteht.
Lasst uns Friedensboten sein.
Und am Klang unserer Schritte möge man uns erkennen.
Ich wünsche Ihnen einen
gesegneten Sonntag.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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