Endlich Urlaub! Was hab` ich mich darauf gefreut in diesem
Jahr! Der erste Blick auf`s Meer, die Nachmittage am Strand mit einem guten
Buch, die sich anfühlen, als ob sie nie vergehen. Tun sie aber. Endlich Urlaub?
Genau! Dass das Schöne endlich ist, steckt schon in diesem kleinen Wort. Also
genieße ich diese Momente umso mehr.
Es ist tatsächlich ein bisschen wie in der Werbung: Das
Schöne ist begrenzt. Es gibt nicht immer noch mehr. „Nur noch zwei Zimmer in
dieser Kategorie!“ „Das letzte in Ihrer Größe!“ Die Werbung weiß, wie sie uns
kriegt. Und das ausnahmsweise mal mit Recht! Manchmal wundere ich mich, dass
manche so tun, als ob das Leben immer so weiter geht. Als ob das schon klar
ist: Nächstes Jahr geht’s wieder an die Ostsee oder nach Italien. Dieser Tag am
Strand wird nicht der letzte gewesen sein. Wir stehen doch mitten im Leben! Aber
wer weiß das schon? Ich gehe lieber davon aus, dass das Leben begrenzt ist.
Schon Jesus sagt das in seiner großen Rede, der Bergpredigt: Ihr könnt eurem
Leben nicht einen Tag hinzufügen, wie sehr ihr euch auch sorgt. Stimmt. Ich
kann die schönen Momente nicht festhalten oder verlängern. Sie vergehen.
Zum Glück gilt das auch für das Schwere. Im April habe ich
meinen Vater besucht, als er immer schwächer geworden ist. 89 Jahre alt,
dement, seit ein paar Wochen fest im Pflegebett. Er erkennt mich, wir können
immer wieder ein paar Worte wechseln. Er macht seine Sprüche wie früher, wir
lachen. Es sind kostbare Momente für mich und wahrscheinlich auch für ihn. Abends
darf ich bei der Pflege helfen. Alles Körperliche ist für ihn beschwerlich
geworden, oft schmerzhaft. Später lese ich ihm ein paar Verse eines alten
Kirchenliedes vor, das er gemocht hat. Ein Segen zur Nacht. Drei Wochen später,
Anfang Mai, darf er endlich sterben. Ich denke: Wie gut. Auch das Schwere ist
endlich. Das tröstet mich.
In der Bibel heißt es: „Alles hat seine Zeit. Geboren werden hat seine Zeit,
sterben hat seine Zeit. Weinen hat seine Zeit und lachen hat seine Zeit. Schweigen
hat seine Zeit und reden hat seine Zeit, Streit hat seine Zeit und Friede hat
seine Zeit.“ (Prediger 3, 1 ff)
Das Schöne ist endlich und das Schwere auch. Jetzt und hier ist das Leben, das
mir geschenkt ist. Heute will ich etwas genießen und etwas Sinnvolles tun. Und
Gott danken, dass er mir dieses Leben schenkt. Wenn das alles zusammenkommt,
dann lebe ich – endlich.
Redaktion: Pastorin
Sabine Steinwender-Schnitzius
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