Neue Träume

Kirche in WDR3 | 25.02.2023 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen!

„So

oder so. Jeder von uns wird neue Träume haben.“ (1)

Der

Nullpunkt. Das ist die Frontlinie.

Im

Krieg ein Ort, an dem will niemand sein.

Denn

es ist der Ort, an dem wir uns gegenüberstehen. Mit Waffen.

Und

wer zuerst schießt. Wer trifft. Überlebt.

Der

Nullpunkt ist auch ein Buch von Artem Tschech.

Artem

Tschech wird nach der Annexion der Krim in die ukrainische Armee eingezogen

und

an die Front geschickt. Das ist 2014.

Ein

Jahr später beginnt er zu schreiben.

Über

alltägliches. Über Ängste. Über Hoffnungen. Über Krieg.

„So

oder so. Jeder von uns wird neue Träume haben.“

Das

ist der vielleicht traurigste und gleichzeitig

der

vielleicht hoffnungsvollste Satz am Nullpunkt.

Einer

wird weiterleben – und neue Träume haben.

Mich

erinnert das an die Geschichte von Jakob.

Eines

Nachts träumt Jakob.

Jakob

träumt vom offenen Himmel.

Von

einer Leiter, die an den Himmel angelehnt scheint.

Von

Engeln, die hinauf gehen in den Himmel.

Und

von Engeln, die herab steigen auf den kaputten, staub-überzogen Boden.

Auf

einen Boden, der getränkt ist mit Blut.

Auf

einen Boden, auf den leere Patronenhülsen auf der einen Seite fallen,

Verletzte

und Tote auf der anderen Seite.

Auf

einen Boden getränkt mit Tränen.

Der

Boden auf dem Jakob liegt und schläft

ist

kalt und hart. Sein Traum aber

voller

Hoffnung.

Sprecher: „Plötzlich steht Gott, der Herr, vor ihm und sagt: ‚Ich bin der Herr,

der Gott deines Vaters Abraham … Siehe, ich bin bei dir und behüte

dich überall, wohin du auch gehst. Ich bringe dich zurück in dieses Land. Ich

werde dich nicht verlassen, bis ich vollbringe, was ich dir verheißen habe.‘“ (2)

Jakob

ist weggelaufen.

Er

hat die, die er liebt betrogen und belogen.

Jetzt

schläft er unter dem Sternenhimmel in der Wüste.

Engel

nehmen seine schweren Gedanken mit in den Himmel und bringen was zurück:

Hoffnung. Jakob sieht das. Und beim Aufwachen erscheint Jakob plötzlich alles

ganz leicht.

„So

oder so. Jeder von uns wird neue Träume haben.“,

schreibt

Artem Tschech.

Artem

Tschech steht am Nullpunkt. An der Front.

Er

sieht, was Waffen anrichten. Aber der Krieg geht weiter.

In

der Ukraine, in Äthiopien, im Jemen – an so vielen Orten dieser Welt.

Träume,

die klar sehen lassen, sind selten

und

viele haben keine Hoffnung mehr.

1841

schreibt Sarah Flower Adams den Text „Näher mein Gott zu Dir“.

Sie

beschreibt eine Hoffnung.

Die

Hoffnung, dass selbst der kälteste Winter,

dass

selbst das eisigste Herz leuchten kann.

Musik: Nearer my

God to Thee (3)

„Drückt

mich auch Kummer hier, drohet man mir, …

näher,

mein Gott, zu dir, näher zu dir!“,

schreibt

sie und dass da noch was kommt.

Dass

da noch einer an uns denkt;

besonders

an die Sterbenden,

die

Frierenden, die Verfolgten.

All

ihre Leben tragen die Engel aus der Jakobsgeschichte in den Himmel.

Und

was tragen sie aus dem Himmel in unsere sehr kaputten Leben?

Hoffnung

auf Gottesnähe.

Einfach

Hoffnung.

(Ende

WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5: )

Ihre

Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel aus Odenthal.

Anmerkungen:

(1)

Artem Tschech, Am Nullpunkt, erschienen bei: Arco. Übersetzt aus dem

Ukrainischen 2022.

(2)

nach Genesis 28.

(3) Nearer

my God to Thee, Album: Midnight Mass, Track 9, Interpret:in: The Newton

Brothers, geschrieben von: Public Domain, Produzenten: John Andrew Grush,

Taylor Newton Stewart, Quelle: Maisie Music Publishing, LLC.

Redaktion: Landespfarrerin

Petra Schulze

  • 25.2.2023
  • Julia-Rebecca Riedel
  • (Kirche im WDR)