Guten Morgen.
Ich hab` ein rotes und ein
grünes. Das heißt, ich habe noch viele andere Geschirrtücher, aber diese beiden
sind aus folgendem Grund etwas ganz Besonderes.
Vor etwa einem Jahr klingelt
es und ein Händler steht vor der Tür.
In Coronazeiten war ich froh,
nicht alles nur im Supermarkt oder im Internet kaufen zu müssen. Der Händler an
der Tür hat ein reichliches Sortiment von Bürsten, Nagelscheren und eben
Geschirrtüchern anzubieten. Wie schön altmodisch, denke ich. Der Mann mit dem überschaubaren
Sortiment ist sehr höflich und freundlich. Und als ich ihm schließlich das
besagte grüne und das rote Geschirrtuch abkaufe und wir das Wechselgeld
getauscht haben, lüftet er seinen Hut, lächelt und sagt im Weggehen „Gott zum
Gruße!“. Und verschwindet.
Komisch, dass ich seither öfter
an diese Begegnung zurückgedacht habe, vielleicht auch, weil sie ganz und gar
aus der Zeit gefallen ist.
Im „Leben eines Taugenichts“,
ein Buch von Joseph von Eichendorff, einem Dichter der Romantik – da findet
sich auch eine Stelle, in der der Held dieser Geschichte in die weite Welt
auszieht und dem Leser sagen kann: „Ich befahl mich Gottes Führung, zog meine
Violine hervor und spielte alle meine liebsten Stücke durch, dass es recht
fröhlich in dem einsamen Walde erklang.“ (1)
Nun ist der Kölner Süden
nicht gerade ein einsamer Wald und das Jahr 2022 gehört keiner wirklich romantischen
Epoche an, aber etwas von dieser unbeschwerten Stimmung, nach der sich doch die
meisten Menschen in dieser angespannten Zeit sehnen, wehte mit dem Händler auf
einmal auch vor unserer Haustür…
Da hat er es doch tatsächlich
fertiggebracht, mich in eine Welt hineinzuziehen, die ich für längst versunken
glaubte. Jedes Mal, wenn ich das rote oder grüne Geschirrtuch in der Hand habe,
denke ich an diesen Mann, der in der Tür seinen Hut lüftet, „Gott zum Gruße“
sagt und mich dadurch Gottes Führung anbefiehlt. Und dann seines Weges geht. „Gott
zum Gruße“ – das hat sich ein bisschen wie ein Segen angefühlt, ein Segen zwischen
buchstäblich „Tür und Angel.“
Und auch wenn ich keinen Hut
habe, den ich lüften könnte: Ihnen allen „Gott zum Gruße“ und einen schönen
neuen Tag!
Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe
aus Köln.
(1) Aus dem Leben eines
Taugenichts, Joseph von Eichendorff, Werke II, Romane Erzählungen, Winkler
Dünndruck Ausgabe, Winkler
Verlag München, 1978, S. 587.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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