Mit Gott grüßen

Kirche in WDR3 | 22.08.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

Ich hab` ein rotes und ein

grünes. Das heißt, ich habe noch viele andere Geschirrtücher, aber diese beiden

sind aus folgendem Grund etwas ganz Besonderes.

Vor etwa einem Jahr klingelt

es und ein Händler steht vor der Tür.

In Coronazeiten war ich froh,

nicht alles nur im Supermarkt oder im Internet kaufen zu müssen. Der Händler an

der Tür hat ein reichliches Sortiment von Bürsten, Nagelscheren und eben

Geschirrtüchern anzubieten. Wie schön altmodisch, denke ich. Der Mann mit dem überschaubaren

Sortiment ist sehr höflich und freundlich. Und als ich ihm schließlich das

besagte grüne und das rote Geschirrtuch abkaufe und wir das Wechselgeld

getauscht haben, lüftet er seinen Hut, lächelt und sagt im Weggehen „Gott zum

Gruße!“. Und verschwindet.

Komisch, dass ich seither öfter

an diese Begegnung zurückgedacht habe, vielleicht auch, weil sie ganz und gar

aus der Zeit gefallen ist.

Im „Leben eines Taugenichts“,

ein Buch von Joseph von Eichendorff, einem Dichter der Romantik – da findet

sich auch eine Stelle, in der der Held dieser Geschichte in die weite Welt

auszieht und dem Leser sagen kann: „Ich befahl mich Gottes Führung, zog meine

Violine hervor und spielte alle meine liebsten Stücke durch, dass es recht

fröhlich in dem einsamen Walde erklang.“ (1)

Nun ist der Kölner Süden

nicht gerade ein einsamer Wald und das Jahr 2022 gehört keiner wirklich romantischen

Epoche an, aber etwas von dieser unbeschwerten Stimmung, nach der sich doch die

meisten Menschen in dieser angespannten Zeit sehnen, wehte mit dem Händler auf

einmal auch vor unserer Haustür…

Da hat er es doch tatsächlich

fertiggebracht, mich in eine Welt hineinzuziehen, die ich für längst versunken

glaubte. Jedes Mal, wenn ich das rote oder grüne Geschirrtuch in der Hand habe,

denke ich an diesen Mann, der in der Tür seinen Hut lüftet, „Gott zum Gruße“

sagt und mich dadurch Gottes Führung anbefiehlt. Und dann seines Weges geht. „Gott

zum Gruße“ – das hat sich ein bisschen wie ein Segen angefühlt, ein Segen zwischen

buchstäblich „Tür und Angel.“

Und auch wenn ich keinen Hut

habe, den ich lüften könnte: Ihnen allen „Gott zum Gruße“ und einen schönen

neuen Tag!

Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe

aus Köln.

(1) Aus dem Leben eines

Taugenichts, Joseph von Eichendorff, Werke II, Romane Erzählungen, Winkler

Dünndruck Ausgabe, Winkler

Verlag München, 1978, S. 587.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/58917_WDR3520220822Landgrebe.mp3

  • 22.8.2022
  • Nicola Thomas-Landgrebe
  • © Ioana Cristiana on Unsplash
Downloads