Mein
Gott, wie bin hier bloß ‘reingeraten? Wie konnte das alles nur passieren?
Ich
wollte gar nicht in diesen blöden Wald. Ich wollte überhaupt nicht in diese
Gegend. Wo ich noch nie gewesen bin. Aber jetzt liege ich hier und diese Wunde
tut echt heftig weh! Ich hoffe, es kommt bald jemand vorbei und hilft mir. Von
mir aus auch einer von den anderen, ist mir völlig egal!
Wenn
bloß dieser beknackte Krieg nicht wäre! Ich könnte jetzt ganz normal bei der
Arbeit sein. Um diese Uhrzeit geht die Frühschicht los – jetzt wär‘ ich schon
auf dem Werksgelände. Würd‘ die Kumpels treffen und dann ran an die Maschinen.
Und abends wär‘ ich wieder zu Hause. Mein Gott, zu Hause! Ob ich da je wieder
hinkomme? Zu meiner Familie, meinen Kindern, unseren Nachbarn in der Straße?
Ich weiß echt nicht, ob ich das hier packe.
Mein
Gott, ich hab‘ lange nicht gebetet. Fällt mir grad‘ so auf. Aber ich hab‘ sonst
keinen zum Reden hier! Sind alle weg. Und deshalb sag‘ du mir, Gott: Was soll
das alles hier? Was soll das ganze Schießen und Bombardieren und Töten und
Vernichten? Warum hast du das nicht verhindert? Warum hast du nicht dafür
gesorgt, dass es gar nicht so weit kommt?
Oder
meinst du, wir hätten es verhindern sollen? Hätten Verantwortung übernehmen
müssen. Unsere Möglichkeiten ausschöpfen. Wir in unserem Land und die Anderen
in ihrem. Ich mein‘, klar, ich bin immer brav wählen gegangen. Aber ansonsten
hab‘ mich um meine Arbeit und meine Familie gekümmert. Ich hab‘ gedacht, das
wär‘ genug, der Rest würd‘ sich schon irgendwie ergeben. Aber vielleicht war
das zu kurz gedacht. Denn jetzt lieg‘ ich hier in diesem Drecks-Wald und merke:
Das ist ganz großer Mist, der sich da ergeben hat! Richtig übel und ich bin
mittendrin.
Und deswegen
frag‘ ich dich, Gott: Hättest du nicht wenigstens verhindern können, dass mich
diese Kugel trifft? Hättest du sie nicht an mir vorbeisausen lassen können wie
alle anderen vorher auch? Damit ich hier nicht liegen muss mit meiner ganzen
Angst und diesen höllischen Schmerzen?
Mein
Gott, ich hab‘ echt keine Ahnung, ob es Sinn macht, dir diese Fragen zu
stellen. Aber
ich
merke auf einmal, wie mir das gut tut. Dass du mich hörst. Dass ich dich fragen
kann. Immer weiter. Dass du da bist. Dich meinem Schicksal aussetzt. Das hilft
mir. Gibt mir Kraft zum Durchhalten. Und Hoffnung. Die kann ich grad wirklich
gut gebrauchen.
Ehrlich, Gott, gut, dass du da bist. Denn wenn du
sogar hier bist, in diesem Wald, in diesem Krieg, dann bist du tatsächlich
überall. An jedem Ort, egal, wie schrecklich er ist. Dann bist du bei jedem
Menschen, auch wenn er allein ist oder verzweifelt. Sogar wenn er stirbt. Dann
lässt du niemanden allein, Gott. Wirklich niemanden.
Redaktion: Pastorin
Sabine Steinwender-Schnitzius
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