
Guten
Morgen! An einem Abend bin ich einfach nur spazieren gegangen. Im Advent. In
einer Zeit, in der immer irgendetwas zu erledigen ist. Ich nehme mir die Zeit,
durch die Straßen der Stadt zu schlendern und nur zu schauen. Die anderen
eilen, sind bepackt, im Vorübergehen prüfen sie die Sachen in den
Schaufenstern. Warten, dass sich etwas in ihren Blicken festhakt, das sie in
schnellem Kauf an sich bringen können. Ich sehe den Himmel über den Häusern
dunkel werden. Die großen Sterne, die an Leinen über die Straße gespannt sind,
gehen an, Kerzen auf Fensterbänken leuchten, Tannenbäume stehen allerorten. Die
vertrauten Lieder klingen, aber ich nehme sie kaum wahr – zu oft schon habe ich
sie gehört. Und ich lausche den Gesprächsfetzen der Paare, höre gescholtene
Kinder murren und die Rufe der Frauchen nach ihren Hunden. Ich rieche die Düfte
des Weihnachtsmarktes, mal eher unangenehm, mal verlockend. Und sehe die
Kaufpaläste und Passagen, die Kolonnaden und Kirchen. Ich verweile mal hier,
mal dort, schließe die Augen und merke: Der Advent verändert die Stadt. Und die
Ampeln wechseln die Farben, Autos gleiten an mir vorbei, Busse schweben mit
aufrecht sich haltenden Gästen. Die wenigen Bäume in der Stadt tragen kleinste
Lampen auf ihrem weißen Kleid, der kleine Park steht schwarz. Das Denkmal vor
dem Rathaus, sonst Landeplatz der Tauben, ist umringt von Würstchenbuden und
Burgerständen. Glühwein mit Schuss ist der Renner. Und die, die Schmuck und
Honig und Ledersachen und Schaffelle und Schnitzereien aus dem Erzgebirge
anbieten, ersehnen Menschen mit Kauflust und Kaufkraft. Auch die, die Geld
erbitten, sind wieder da, hingekauert auf kaltem Boden, mal mit stumm
ausgestreckter Hand, mal mit Hund, mal ein wenig musizierend. Nicht viele
Vorübergehende nutzen die Gelegenheit zur Güte. Beim Schlendern streife ich auch
diverse Herbergen – edle Hotels und Unterkünfte für Stunden; feine Restaurants
und Speiseplätze amerikanischer Herkunft, die wie Kantinen wirken. Wie wichtig
ist das Essen für die, die in die Stadt gekommen sind, staune ich. Und wie sie
sich danach wieder ins Getümmel stürzen. Viele haben lange Wunschzettel zu
bedienen und wollen die Ihren nicht enttäuschen. Ich selbst habe das Meine
schon getan. Ich weiß, was ich will. Und nehme mir vor: Ich erliege jetzt und
hier keiner ungeplanten Verlockung. So flaniere ich mit guten Gefühlen durch
die Stadt. Lese Botschaften von Hass und Liebe auf den Brettern der Bauzäune. Sehe
grelle Plakate, die verlangen, dass ich ihren Versprechungen glaube. Ich sehe
das Postamt und das Theater, ein Museum und das Opernhaus und einen
Notarztwagen mit Blaulicht. Ich hoffe, dass hier gerade jemand gerettet wurde.
Und als ich den Spaziergang beende, staune ich noch einmal über das ganze
wogende Leben der Stadt, von dem ich ein Teil bin. Und ich merke, wie ein Gebet
mein Inneres füllt:
„Guter Gott, nun will ich es gut sein lassen, was in dieser Woche
gewesen ist. Nun will ich gut sein
lassen, was mich belastet und bedrängt, geärgert, gekränkt und beschäftigt hat.
Es war dein Weg mit mir.
Danken will ich und dich
neu bitten um Weg, Segen und Zeit. So kann ich es gut sein lassen.“
Die Lust auf einen
zweckfreien Spaziergang im Advent wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Michael Opitz aus
Düsseldorf.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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