D’r Zooch kütt –
Guten Morgen!
Rosenmontag im Rheinland –
Für viele bedeutet das: Ausnahmezustand.
Und manche packt die Koffer und nimmt Reißaus.
Die Fronten sind klar:
Lappenclowns, Hunnen und Bibo aus der Sesamstraße
auf der einen,
Muuzepuckel (1) –
also die, die nicht scharf auf Karneval sind – auf der anderen Seite.
Stundenlang kriecht d’r Zooch durch die Kölner
Veedel;
begleitet von Wachsoldaten mit‘em Knabüs – dem
Gewehr – im Arm,
Regimentskapellen mit Trommeln, Pfeifen und Schellenbaum,
Tanzgarden mit Tanzoffizier und Tanzmarie.
Kanonen donnern alle paar Meter.
Dazu Alaaf-Rufe vom Straßenrand.
Rosenmontag im Rheinland, der ist bunt und laut
und schön.
Und Rosenmontag im Rheinland, der ist gegen Krieg
und für Lebensfreude.
Denn im Knabüs
– also in dem Gewehr, das die Wachsoldaten im Arm
haben –
stecken Blumen statt tödlicher Munition
und die laut donnernden Kanonen sind mit buntem Konfetti
geladen.
D’r Zooch auf der rheinischen Nulllinie
gleicht einer bunten Luftschlange.
Echt militärisch ist
da nichts.
Musik:
denn mir Kölsche, mir klääve wie d’r Düvel am Lääve
uns Kölsche nimmp keiner – ejal wat och weed
dä Spaß für ze laache, dä Bock jet ze maache
mir klääve am Lääve, uns kritt keiner klein ( 2 )
Sangen
die Blääck Fööss 1984.
Singe
ich immer noch.
Mir
klääve am Lääve, also wir hängen am Leben –
so
sieht’s aus.
Das
ist kein doller neuer Karnevalshit.
Aber
knapp ein Jahr nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine
halte
ich ihn für so aktuell
wie
nie.
Die
Fööss besingen in ihren Liedern den Klimawandel genauso
wie
die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Welt.
Und
klar ist:
Sie
finden, beides kann gut mal
ohne
Köln und ohne die Jecken stattfinden.
Denn
die hängen am Leben und am Frieden:
Musik:
un wenn ihr meint, dat et sech’rer weed wemmer jet rüsten deit
un wenn ihr meint, wä am lauteste schreit wör em Räch,
dann haut üch de Köpp en – domet mer üch loss sin
denn ohne üch kumme mer vill besser zeräch (3)
Ich
mag die rheinische Gelassenheit im Karneval –
auch
mit so ne Muutzepuckel am Tresen zu stehen.
Und
ich freu‘ mich, wenn dem dann doch mal ein Lachen rausrutscht.
Ich
krieg des Öfteren mal um die Ohren gehauen,
Karneval,
das sei ja nur Besäufnis und Radau.
Aber
das stimmt nicht.
Karneval
hat viel mit Gelassenheit zu tun,
mal
Fünfe grade sein lassen, …
Heute
wünsche ich mir
–
mehr denn je –
wenn
schon Panzer in Stellung gebracht werden müssen,
wenn
schon Soldaten dahinterstehen müssen,
dass nur
Konfetti und Blumen fliegen.
Ist
das nur ein Traum?
Selbst
wenn. Ich kenn‘ eine, die hat ihn mitgeträumt:
Die
Theologin Dorothee Sölle. Für den Frieden hatte sie immer
ein
paar Worte übrig. Worte, die ich uns heute mit auf den Zooch geben möchte:
Sprecher(in):
„Jesus, unser Bruder,
du legst die Tötungsindustrie lahm
du treibst den Wunsch nach Totsicherheit aus
unsern Herzen
du machst uns frei uns zu wehren; …“ (4)
Was für eine Zuversicht,
im Glauben an Jesus Christus wird alles anders
– wird Frieden.
Und sich wehren, das geht auch mit Strüssje im Knabüs.
Ich glaub‘ fest daran.
Und bin dankbar für die Schwester, die mir das
vorbetet.
Ihre
Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel aus Odenthal.
Anmerkungen:
(1) Wortbedeutung:
https://www.koelsch-woerterbuch.de/muuzepuckel-auf-deutsch-965.html (zuletzt
aufgerufen: 05.02.2023).
(2) +
(3) Mir klääve am Lääve; Album: Et Es 20 Johr Jenau Jetz Her (1990),
Disc 1, Track 8; Interpret:in: Bläck Fööss, Geschrieben von: Erry Stoklosa,
Günter Lückerath, Hartmut Priess, Peter Schuetten, Tomas R. Engel –
Traditional, Willy Schnitzler, Produzent:in: Klaus Voormann, Quelle: EMI.
(4)
Aus Gebet und Predigt von Dorothee Sölle, Predigt
im Lübecker Dom am 6. September 1980 mit Gebeten, https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/001711.html (zuletzt
aufgerufen: 10.02.2023).
Redaktion:
Landespfarrerin
Petra Schulze